Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Region im Baby Boom
Bevölkerung Steigende Geburtenzahlen erfreuen die Entbindungsstationen in und um Augsburg. Das Jahr 2016 hat einen neuen Rekord gebracht. Was die Gründe für den reichen Kindersegen sind und ob er weiter anhalten wird
Region Augsburg und die Region sind im Baby-Boom: 2016 erblickten hier 5578 Kinder das Licht der Welt, ein respektabler Anstieg um knapp 350 Geburten im Vergleich zum Vorjahr. „Und es geht steil bergauf“, betont Augsburgs Standesamtleiter Karl Krömer. In den Landkreisen entwickelten sich die Zahlen genauso: So meldet Friedbergs Stadtsprecher Philipp Köhler etwa 700 Beurkundungen. Das sei ein absoluter Geburtenrekord. Und es soll wohl so weitergehen.
Die Gründe für diesen anhaltenden Kindersegen sind vielfältig. Aus Sicht von Experten spricht einiges dafür, dass es in der Bevölkerung generell wieder eine positive Grundstimmung gibt, Kinder zu bekommen – zumal der Baby-Boom in und um Augsburg einen nationalen Trend widerspiegelt. Während eine Frau in Deutschland vor einigen Jahren statistisch nur knapp 1,4 Kinder zur Welt brachte, liegt die Chiffre laut Statistischem Bundesamt heute schon bei 1,5 und verzeichnet damit seit mehr als 30 Jahren wieder einen Höchststand.
Es spielen aber auch demografische Prozesse eine tragende Rolle: Die Bevölkerung wächst. Allein Augsburg prognostiziert bereits für nächstes Jahr bei der Einwohnerzahl den Sprung über die Grenze von 300 000. Gunnar Loibl vom Statistischen Landesamt liefert weitere Infos: „Die Enkel der Baby-Boomer befinden sich momentan im gebärfähigen Alter.“Die Zahl der potenziellen Mütter aus den Jahrgängen ab 1991 sei entsprechend hoch und ein Indiz für dieses Phänomen. Zudem zeichne sich der seit 2015 anwachsende Flüchtlingsstrom in den Geburtenstatistiken ab. „Tatsächlich stammt in Augsburg jede zehnte Beurkundung von Kindern mit Eltern aus diesem Personenkreis“, bekräftigt Amtsleiter Krömer.
Nicht nur bei den Stadtverwaltungen, auch in großen Krankenhäusern macht sich das Neugeborenen-Hoch bemerkbar. Das Klinikum Augsburg etwa meldet seit 2011 steigende Geburtenzahlen. Der Zuwachs lasse sich auch hier auf verschiedene Ergebnisse zurückführen, heißt es. Dabei sei der Neubau der Kinderklinik Augsburg bzw. des Mutter-Kind-Zentrums Schwaben von Bedeutung, der gut von der Bevölkerung angenommen werde, so Oberärztin Manuela Franitza. Auch das Josefinum – eine der größten Geburtskliniken in ganz Deutschland – verzeichnet den sechsten Rekord in Folge. Schon vor Jahren hatte das Krankenhaus der Katholischen Jugendfürsorge seine Kapazitäten ausgebaut und die Zahl der Kreißsäle auf fünf aufgestockt.
Isabell Kraus ist Hebamme und dementsprechend gut mit der Branche rund um das Kinderkriegen vertraut. Sie sieht noch weitere Gründe für den aktuellen Baby-Boom. So sei ein relativer Wohlstand in der Gesellschaft maßgeblich an der Geburtenstärke mitbeteiligt. „Den Menschen geht es gut und Kinder gehören in der heutigen Zeit einfach zum Leben dazu.“Immer mehr Familien würden sich für Nachwuchs entscheiden. Allerdings bleibe es bei ein oder zwei Kindern. „Für mehr reicht es finanziell dann doch nicht aus“, so die Hebamme, die für die Kliniken an der Paar (Friedberg und Aichach) im Einsatz ist.
Eine Überlegung, die auch Dr. Peter Rosenberger von den Wertachkliniken (Bobingen und Schwabmünchen) hinter dem Trend vermutet: „Wir haben ein solides soziales Netz, das den Menschen eine zuversichtliche Grundperspektive er- öffnet.“Seinen Beobachtungen zufolge zeichne sich das Geburtenphänomen gerade auch in Kleinstädten ab. „Die Nähe zu guten schulischen Einrichtungen oder Kindergärten wie auch die Zahl verfügbarer Bauplätze und bezahlbarer Mieten machen die Städte gerade für Familien sehr attraktiv“, sagt der Gynäkologe aus dem Krankenhaus in Schwabmünchen. Das sei sicherlich mit ein Grund für den Kindersegen in der Region, „der sogar über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt“.
Ob auch 2017 mit Rekordzahlen in den Kreißsälen zu rechnen ist? Ja, sagen die Experten. „Obwohl exakte Prognosen schwierig sind“, so Krömer. Dennoch ist der Leiter des Standesamts Augsburg der Ansicht, dass der Baby-Boom mittelfristig auf etwa demselben Niveau bleiben wird. Ob auf lange Sicht und in gleicher Qualität hält er aber für fragwürdig, „da die Kapazitäten der Krankenhäuser trotz Modernisierungen und Erweiterungen irgendwann erschöpft sein werden“.