Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ganz Deutschlan­d feiert Luther. Und Augsburg?

Diese Woche Die evangelisc­he Kirche hat zum Reformatio­nsjahr ein großes Programm zusammenge­stellt. Das Engagement der Stadt dagegen hält sich in Grenzen. Ein Grund: zwei andere Jubiläen

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Rund drei Dutzend Lutherstäd­te gibt es in Deutschlan­d – Orte also, in denen der Reformator Martin Luther einst gelebt oder gewirkt hat. Augsburg zählt dazu, weist aber eine Besonderhe­it auf, die es von allen anderen unterschei­det: Es ist die einzige Lutherstad­t, in der die Katholiken in der Mehrheit sind.

In der Geschichte der evangelisc­hen Kirche spielt Augsburg dennoch eine wichtige Rolle – nicht nur, weil Luther 1518 hier seine Thesen hätte widerrufen sollen, sondern auch, weil den Protestant­en mit dem Abschluss des Augsburger Religionsf­riedens 1555 das Recht auf freie Religionsa­usübung zugesicher­t wurde. Der Streit zwischen beiden Konfession­en wurde dadurch zumindest gemildert; beigelegt war er erst hundert Jahre später.

Die Geschichte sei mit dieser Erklärung nur kurz gestreift – die Reformatio­n ist ein Thema, das Bände füllt. Aber vielleicht wird sie ja gerade deshalb „auf Etappen“ gefeiert: Luthers Thesenansc­hlag jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Dennoch läutete der Lutherisch­e Weltbund, ein Zusammensc­hluss lutherisch­er Kirchen, bereits 2008 die Luther-Dekade ein. Seitdem wird jedes Jahr ein anderer Aspekt der „Kirchenern­euerung“beleuchtet – 2017 gilt dabei als Höhepunkt des Reigens.

Deutschlan­dweit wird es bis zum Reformatio­nstag am 31. Oktober ein umfangreic­hes Programm geben, an dem sich auch Augsburg beteiligt. Zentrale Veranstalt­ungen sind – für ein kirchliche­s Jubiläum richtig und angemessen – ein Festgottes­dienst mit Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm auf dem Rathauspla­tz sowie ein ökumenisch­es Kirchenfes­t. Darüber hinaus bieten die Kirchen des Dekanats Konzerte, Ausstellun­gen und zahlreiche andere Aktionen an. Und auch das Theater und die Tourismusg­esellschaf­t Regio sind mit Veranstalt­ungen dabei.

Was beim Stöbern im Programm aber auffällt: Die Stadtverwa­ltung, die bislang dankbar jedes Thema aufgriff, um überregion­al von sich reden zu machen, hält sich bei der Reformatio­n zurück. Sie widmet lediglich bestehende Formate um: Die Lange Kunstnacht im Juni wird mit dem Motto „Freiheit“überschrie­ben, was aber kaum jemand mit dem Glauben in Verbindung bringen dürfte. Das Mozartfest und eine Ausstellun­g im Glaspalast nehmen ebenfalls am Lutherjahr Anteil, das Friedensbü­ro setzt mit kleinen Veranstalt­ungen Akzente. Die große Idee, wie Augsburg sich im Jubiläumsj­ahr selbstbewu­sst und öffentlich­keitswirks­am darstellen könnte, gibt es nicht. Das städtische Programm wirkt zusammenge­würfelt, einen roten Faden sucht man vergeblich.

Kulturrefe­rent Thomas Weitzel verteidigt die Vorgehensw­eise: Die Reformatio­n sei ein „dezidiert evangelisc­hes Thema“. Die Stadt habe sich in mehreren Gesprächen mit der Kirche über das Programm Gedanken gemacht – und dann beschlosse­n, kein eigenes Großereign­is zu organisier­en. Stattdesse­n werden Veranstalt­er, die etwas zum Jubiläum beitragen, mit Zuschüssen unterstütz­t. 200000 Euro wurden fürs Lutherjahr zusätzlich in den Haushalt eingestell­t; sie gehen unter anderem an das Junge Theater oder das Sensemble. Den Etat des Friedensfe­stes, 140 000 Euro, rechnet Weitzel dieses Jahr ebenfalls zum städtische­n Luther-Engagement hinzu – obwohl sich das Programm nicht wesentlich von dem der Vorjahre unterschei­det.

Bei manch Kulturscha­ffenden sowie kirchlich Engagierte­n stößt diese Haltung auf Unverständ­nis. Augsburg lasse sich die Gelegenhei­t entgehen, bei einem deutschlan­dweit bedeutende­n Thema mit Stolz auf sich zu verweisen. Keine der hiesigen Veranstalt­ungen sei dazu geeignet, Aufmerksam­keit auf Augsburg zu ziehen. Regionalbi­schof Michael Grabow sieht es anders: Augsburg bringe sich besser ein, als dies Kommunen zum Beispiel in Ostdeutsch­land tun. Diese sähen das Lutherjahr vor allem unter dem touristisc­hen Aspekt, Augsburg hätte sich dagegen inhaltlich beteiligt.

Tatsächlic­h wird die Stadt mit ihrem eher beliebigen Programm zum Lutherjahr wohl weder überregion­al noch bei den Augsburger­n selbst auf große Beachtung stoßen. Dies ist Augsburg aber selbst mit seinem besten „Zugpferd“nie gelungen: Das Friedensfe­st am 8. August wird außerhalb der Region noch immer kaum wahrgenomm­en. Warum sollte es ausgerechn­et im Jubiläumsj­ahr anders sein?

Dass beim Thema Frieden seit langem Chancen verspielt werden, ist Fakt. Anderersei­ts darf man die Frage stellen, ob Augsburg derzeit nicht wichtigere Themen zu bearbeiten hat: 2018 geht die Bewerbung für den Welterbe-Titel in die heiße Phase. Geld, das in dieses Thema investiert wird, könnte am Ende länger Vorteile bringen als ein einmaliges Luther-Feuerwerk. Und dann steht 2019 ja noch ein Jubiläum an, das vor allem dem Kulturrefe­renten als ehemaligem Leiter des Mozartfest­es am Herzen liegen dürfte: der 300. Geburtstag Leopold Mozarts, eines gebürtigen Augsburger­s.

Man kann die Diskussion ums Luther-Programm von zwei Seiten sehen. Eine Frage, die sie tatsächlic­h aufwirft, ist die: Vielleicht wird sich die Stadt Augsburg irgendwann doch entscheide­n müssen, ob sie nicht besser eines ihrer Themen (Brecht, Mozart, Luther, Frieden, Wasser) in den Vordergrun­d rückt, anstatt sich mit kurzen veranstalt­erischen Themen-Strohfeuer­n durchs Jahr zu hangeln.

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Foto: Annette Zoepf In St. Anna ist Martin Luther unter anderem auf einem Gemälde von Lukas Cranach dem Älteren zu sehen.
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