Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ganz Deutschland feiert Luther. Und Augsburg?
Diese Woche Die evangelische Kirche hat zum Reformationsjahr ein großes Programm zusammengestellt. Das Engagement der Stadt dagegen hält sich in Grenzen. Ein Grund: zwei andere Jubiläen
Rund drei Dutzend Lutherstädte gibt es in Deutschland – Orte also, in denen der Reformator Martin Luther einst gelebt oder gewirkt hat. Augsburg zählt dazu, weist aber eine Besonderheit auf, die es von allen anderen unterscheidet: Es ist die einzige Lutherstadt, in der die Katholiken in der Mehrheit sind.
In der Geschichte der evangelischen Kirche spielt Augsburg dennoch eine wichtige Rolle – nicht nur, weil Luther 1518 hier seine Thesen hätte widerrufen sollen, sondern auch, weil den Protestanten mit dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens 1555 das Recht auf freie Religionsausübung zugesichert wurde. Der Streit zwischen beiden Konfessionen wurde dadurch zumindest gemildert; beigelegt war er erst hundert Jahre später.
Die Geschichte sei mit dieser Erklärung nur kurz gestreift – die Reformation ist ein Thema, das Bände füllt. Aber vielleicht wird sie ja gerade deshalb „auf Etappen“ gefeiert: Luthers Thesenanschlag jährt sich in diesem Jahr zum 500. Mal. Dennoch läutete der Lutherische Weltbund, ein Zusammenschluss lutherischer Kirchen, bereits 2008 die Luther-Dekade ein. Seitdem wird jedes Jahr ein anderer Aspekt der „Kirchenerneuerung“beleuchtet – 2017 gilt dabei als Höhepunkt des Reigens.
Deutschlandweit wird es bis zum Reformationstag am 31. Oktober ein umfangreiches Programm geben, an dem sich auch Augsburg beteiligt. Zentrale Veranstaltungen sind – für ein kirchliches Jubiläum richtig und angemessen – ein Festgottesdienst mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auf dem Rathausplatz sowie ein ökumenisches Kirchenfest. Darüber hinaus bieten die Kirchen des Dekanats Konzerte, Ausstellungen und zahlreiche andere Aktionen an. Und auch das Theater und die Tourismusgesellschaft Regio sind mit Veranstaltungen dabei.
Was beim Stöbern im Programm aber auffällt: Die Stadtverwaltung, die bislang dankbar jedes Thema aufgriff, um überregional von sich reden zu machen, hält sich bei der Reformation zurück. Sie widmet lediglich bestehende Formate um: Die Lange Kunstnacht im Juni wird mit dem Motto „Freiheit“überschrieben, was aber kaum jemand mit dem Glauben in Verbindung bringen dürfte. Das Mozartfest und eine Ausstellung im Glaspalast nehmen ebenfalls am Lutherjahr Anteil, das Friedensbüro setzt mit kleinen Veranstaltungen Akzente. Die große Idee, wie Augsburg sich im Jubiläumsjahr selbstbewusst und öffentlichkeitswirksam darstellen könnte, gibt es nicht. Das städtische Programm wirkt zusammengewürfelt, einen roten Faden sucht man vergeblich.
Kulturreferent Thomas Weitzel verteidigt die Vorgehensweise: Die Reformation sei ein „dezidiert evangelisches Thema“. Die Stadt habe sich in mehreren Gesprächen mit der Kirche über das Programm Gedanken gemacht – und dann beschlossen, kein eigenes Großereignis zu organisieren. Stattdessen werden Veranstalter, die etwas zum Jubiläum beitragen, mit Zuschüssen unterstützt. 200000 Euro wurden fürs Lutherjahr zusätzlich in den Haushalt eingestellt; sie gehen unter anderem an das Junge Theater oder das Sensemble. Den Etat des Friedensfestes, 140 000 Euro, rechnet Weitzel dieses Jahr ebenfalls zum städtischen Luther-Engagement hinzu – obwohl sich das Programm nicht wesentlich von dem der Vorjahre unterscheidet.
Bei manch Kulturschaffenden sowie kirchlich Engagierten stößt diese Haltung auf Unverständnis. Augsburg lasse sich die Gelegenheit entgehen, bei einem deutschlandweit bedeutenden Thema mit Stolz auf sich zu verweisen. Keine der hiesigen Veranstaltungen sei dazu geeignet, Aufmerksamkeit auf Augsburg zu ziehen. Regionalbischof Michael Grabow sieht es anders: Augsburg bringe sich besser ein, als dies Kommunen zum Beispiel in Ostdeutschland tun. Diese sähen das Lutherjahr vor allem unter dem touristischen Aspekt, Augsburg hätte sich dagegen inhaltlich beteiligt.
Tatsächlich wird die Stadt mit ihrem eher beliebigen Programm zum Lutherjahr wohl weder überregional noch bei den Augsburgern selbst auf große Beachtung stoßen. Dies ist Augsburg aber selbst mit seinem besten „Zugpferd“nie gelungen: Das Friedensfest am 8. August wird außerhalb der Region noch immer kaum wahrgenommen. Warum sollte es ausgerechnet im Jubiläumsjahr anders sein?
Dass beim Thema Frieden seit langem Chancen verspielt werden, ist Fakt. Andererseits darf man die Frage stellen, ob Augsburg derzeit nicht wichtigere Themen zu bearbeiten hat: 2018 geht die Bewerbung für den Welterbe-Titel in die heiße Phase. Geld, das in dieses Thema investiert wird, könnte am Ende länger Vorteile bringen als ein einmaliges Luther-Feuerwerk. Und dann steht 2019 ja noch ein Jubiläum an, das vor allem dem Kulturreferenten als ehemaligem Leiter des Mozartfestes am Herzen liegen dürfte: der 300. Geburtstag Leopold Mozarts, eines gebürtigen Augsburgers.
Man kann die Diskussion ums Luther-Programm von zwei Seiten sehen. Eine Frage, die sie tatsächlich aufwirft, ist die: Vielleicht wird sich die Stadt Augsburg irgendwann doch entscheiden müssen, ob sie nicht besser eines ihrer Themen (Brecht, Mozart, Luther, Frieden, Wasser) in den Vordergrund rückt, anstatt sich mit kurzen veranstalterischen Themen-Strohfeuern durchs Jahr zu hangeln.