Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bürger entscheiden schon vor dem Wahltag
Strasser Villa Dank einer neuen Regelung können die Gersthofer bereits abstimmen
Bleibt die Strasser-Villa im Gersthofer Stadtzentrum erhalten oder darf sie zugunsten einer neuen „Goldenen Mitte“abgerissen werden? Darüber sollen die Gersthofer am 12. Februar abstimmen – tatsächlich können sie sich schon jetzt entscheiden. Denn beim Bürgerentscheid gibt es ein Novum: Erstmals wurden zusammen mit der Wahlbenachrichtigung auch die Briefwahlunterlagen verschickt – die Bürger können also schon jetzt abstimmen.
Mit diesem Vorgehen will die Stadt den Weg für eine höhere Wahlbeteiligung ebnen – gleichzeitig hat das Auswirkungen auf den Wahlkampf. Beide Seiten ringen jetzt schon intensiv um Zustimmung – dementsprechend ist in der Stadt bereits plakatiert.
Zu kuriosen Situationen führt die komplizierte Fragestellung des Bürgerentscheids. Sie lautet: „Muss die Strasser-Villa freistehend im Eigentum der Stadt bleiben und darf dieses Gebäude auch nicht abgerissen werden?“Das heißt, der Wähler muss genau lesen: Wer den Abriss des Gebäudes aus den 1920er-Jahren nicht will, muss mit Ja stimmen. Andererseits wirbt der Investor für seine Goldene Mitte: „Sie wollen ein Zentrum für morgen statt von gestern – am 12. Februar Nein sagen!“. Wer für die Goldene Mitte – inklusive Villen-Abriss stimmt, muss also Nein auf dem Stimmzettel ankreuzen. Kurzformel: Wer dafür ist, stimmt dagegen.
Unterdessen stoßen sich die Befürworter der Goldenen Mitte an einer Aussage der Bürgerinitiative auf einem Flyer: Mit Ja „stimmen Sie für: die rasche und zeitnahe Bebauung des ,Gersthofer Lochs’“. Manfred Lehnerl von der von Peter Pletschacher beauftragten concret Werbeagentur GmbH findet: „Da wird der Wähler aus meiner Sicht eindeutig auf den Arm genommen.“Der Grund: Das Gersthofer Loch und das westlich der Villa gelegene Kirner-Haus gehören bereits seit Jahren Peter Pletschacher. Dieser hat, wie berichtet, signalisiert, dass er das Grundstück auch bis 2020 oder gar 2026 brachliegen lassen werde, falls der Bürgerentscheid den Erhalt der Villa festlegt – eine rasche Bebauung wäre also nicht in Sicht.
Dem tritt Heinz Zettl, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, energisch entgegen: „Wir stehen dafür, dass dieses Grundstück möglichst rasch bebaut wird, aber wir stehen nicht für den Abriss der StrasserVilla.“Die Initiatoren des Bürgerentscheids seien nicht gegen die Absichten des Investors Peter Pletschacher. „Wenn dieser im Fall des Erhalts der Villa das Loch nicht bebaut, steht das nicht in unserer Verantwortung“, so Zettl. Hätte Pletschacher das Grundstück im Jahr 2011, als der Stadtrat infolge unseres ersten Bürgerbegehrens den Erhalt der Villa beschlossen hat, bebaut, wären wir froh gewesen“, betont Zettl.
2016 sprachen sich nun 22:6 Stadträte grundsätzlich für Peter Pletschachers Entwurf aus. Bürgermeister Michael Wörle (parteilos) unterstützt offen Pletschachers Konzept. Unterstützung erhält er dabei aus ungewohntem Lager: Die Fraktionen CSU und W.I.R. – sonst gerne in Oppositionshaltung zum Bürgermeister – befürworten die Pläne des Investors. Pro Gersthofen ist strikt dagegen und SPD und Freie Wähler, mit deren Unterstützung Wörle ins Amt gewählt wurde, sind gespalten. Ihre Ablehnung gegen Pletschachers Konzept betonten die Stadträte Julia RomankiewiczDöll, Albert Kaps (Pro Gersthofen) Barbara Lamprecht, Markus Brem (Freie Wähler) Klaus Greiner, Christian Miller, Günter Eikelmann und Özcan Celep (SPD/Grüne).
Wie berichtet, möchte der Dasinger Investor Peter Pletschacher eine Goldene Mitte errichten. Vorgesehen ist eine Mischung aus Einzelhandel, Wohnbebauung sowie Büros und Arztpraxen. Für einen Turm an der Ecke Bahnhof-/Donauwörther Straße müsste nach dem Konzept des Architekten Klaus Kehrbaum die Strasser-Villa weichen, wogegen sich die Bürgerinitiative wendet. Der Turm soll nach Angaben des Investors etwa die Höhe des Stadthotels erreichen – was für die Bürgerinitiative eine zu massive Bebauung darstellt.