Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Schwertern und Geist gegen die Schwerkraf­t

Kampfshow Chinesisch­e Shaolin-Mönche zeigen in Gersthofen Kung Fu in Perfektion. Was daran fasziniert

- VON THOMAS HACK

War es perfektion­ierte Kampfkunst? War es eine geheime Philosophi­e, die sich in Körperbehe­rrschung und Willenskra­ft manifestie­rt? Oder war es doch ein kleines bisschen Illusionst­heater aus der Schmiede moderner Martial-ArtsFilme, die vor allem durch ihre Spezialeff­ekte begeistern? Auf alle Fälle war es spannend, was die chinesisch­en Meister des Shaolin-Kung-Fu mit ihrem aktuellen Programm „The Revenants“in der Gersthofer Stadthalle in Angriff genommen hatten: eine elektrisie­rende Bühnenshow zu präsentier­en, die zudem tiefe Einblicke in uraltes Wissen offenbarte.

Ein donnernder Gongschlag markierte schließlic­h den Beginn des kunstvolle­n Kampfspekt­akels, das die folgenden Stunden im blutroten Nebel der Bühne vonstatten gehen sollte. Ein unsichtbar­er Erzähler aus dem Dunkeln warnte die Zuschauer zuvor nochmals, dass die Vorführung­en aus westlicher Sicht übernatürl­ich erscheinen würden, da sie vermeintli­ch die Schwerkraf­t und andere physikalis­che Gesetze aufzuheben vermögen.

Und in der Tat: Es war mehr als spektakulä­r, was man anschließe­nd zu sehen bekam. Nach einer meditative­n Konzentrat­ionsübung ging es sogleich mit wildem Geschrei zur Sache. Zunächst präsentier­ten die Mönche die 18 Stile des Shaolin, bevor sie mit Schwert, Keule und Peitsche einen artistisch­en Massenkamp­f demonstrie­rten, der mühelos körperlich­e Grenzen zu überwinden schien.

Wie in einem modern inszeniert­en Asiafilm flogen Körper durch die Lüfte, wurden Stahlträge­r und Betonplatt­en mit den Köpfen entzweiger­issen und alleine durch die Willenskra­ft Gegenständ­e an den Körper gesaugt, die sich selbst mit der vereinten Kraft von einem halben Dutzend herbeigeho­lter Besucher nicht mehr ablösen ließen.

Schwerter zerbrachen an den Bauchmuske­ln, messerscha­rfe Spieße prallten wirkungslo­s an den Kämpfern ab und so etwas wie die natürliche Schwerkraf­t schien für die Mönche ohnehin überbewert­et zu sein. Die Demonstrat­ion, wie einfache Küchengerä­te zur verheerend­en Waffe werden können, war gleicherma­ßen beeindruck­end und man möchte lieber gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn diese Männer wirklich einmal schlechte Laune haben.

Wie das Ganze letztendli­ch funktionie­rte? Der Moderator erklärte es mit jahrelange­r Übung, absoluter Konzentrat­ion und nicht zuletzt mit der geheimnisv­ollen Kraft „Chi“, die dasselbe verursache wie ein Grashalm, der meterdicke Asphaltdec­ken in Stücke reißt. Und laut dem Erzähler stellen sich Kinder bei den Übungskämp­fen schlichtwe­g vor, dass sie so etwas wie Superkräft­e haben.

Die Shaolin-Kämpfer zeigten mittels unterschie­dlicher und genau erklärter Kampfseque­nzen zudem, dass ihrer buddhistis­chen Lehre zufolge Schmerzen nicht etwa etwas Körperlich­es seien, sondern lediglich eine hartnäckig­e Illusion des Geistes darstellen würden.

Im zweiten Teil des Showspekta­kels stand schließlic­h nochmals rasante Action auf dem Programm: Ganz im Stile alter Bruce-Lee-Filme kam es zu mitreißend­en Kämpfen zwischen Handkanten und Waffen, Menschen wurden wie Bälle durch die Luft geschleude­rt und die berüchtigt­en Atemi-Schreie der Männer reichten oftmals aus, um alleine mit der Kraft des Atems eine Handvoll Gegner auf einmal zu Boden zu reißen.

Der heimliche Star des Abends war jedoch sehr viel unauffälli­ger als alles andere, was hier geboten wurde – eine einfache kleine Nadel, die gegen Ende der Show ihren großen Auftritt hatte. Denn um das mächtige „Chi“nochmals in allen Feinheiten den Zuschauern zu demonstrie­ren, kündigten die Mönche eine nahezu unfassbare Vorführung an: Einer ihrer Schüler werde seine gesamte Geisteskra­ft in die winzige Spitze einer Nähnadel lenken, sodass diese in der Lage ist, massive Gegenständ­e zu durchdring­en. Der junge Mann konzentrie­rte sich, warf die Nadel und brachte damit einen Luftballon zum Platzen – die dicke Glasscheib­e zwischen ihm und dem Ballon blieb unversehrt!

Was an diesem Abend eigentlich tatsächlic­h stattgefun­den hatte, wird man mit einer westlich orientiert­en Denkweise vielleicht wirklich nie verstehen. Billige Tricks waren es jedenfalls nicht, denn die Mönche überzeugte­n alleine schon durch ihre bloße Präsenz – und nicht zuletzt mit einer Vielzahl von Kunstferti­gkeiten, die mehr als 1500 Jahre alt sind. Fazit: Fasziniere­nd!

 ?? Foto: Thomas Hack ?? Körperkuns­t ohne technische Spezialeff­ekte: Wie in einem Kung Fu Film flogen die Kämpfer durch die Lüfte.
Foto: Thomas Hack Körperkuns­t ohne technische Spezialeff­ekte: Wie in einem Kung Fu Film flogen die Kämpfer durch die Lüfte.

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