Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit Schwertern und Geist gegen die Schwerkraft
Kampfshow Chinesische Shaolin-Mönche zeigen in Gersthofen Kung Fu in Perfektion. Was daran fasziniert
War es perfektionierte Kampfkunst? War es eine geheime Philosophie, die sich in Körperbeherrschung und Willenskraft manifestiert? Oder war es doch ein kleines bisschen Illusionstheater aus der Schmiede moderner Martial-ArtsFilme, die vor allem durch ihre Spezialeffekte begeistern? Auf alle Fälle war es spannend, was die chinesischen Meister des Shaolin-Kung-Fu mit ihrem aktuellen Programm „The Revenants“in der Gersthofer Stadthalle in Angriff genommen hatten: eine elektrisierende Bühnenshow zu präsentieren, die zudem tiefe Einblicke in uraltes Wissen offenbarte.
Ein donnernder Gongschlag markierte schließlich den Beginn des kunstvollen Kampfspektakels, das die folgenden Stunden im blutroten Nebel der Bühne vonstatten gehen sollte. Ein unsichtbarer Erzähler aus dem Dunkeln warnte die Zuschauer zuvor nochmals, dass die Vorführungen aus westlicher Sicht übernatürlich erscheinen würden, da sie vermeintlich die Schwerkraft und andere physikalische Gesetze aufzuheben vermögen.
Und in der Tat: Es war mehr als spektakulär, was man anschließend zu sehen bekam. Nach einer meditativen Konzentrationsübung ging es sogleich mit wildem Geschrei zur Sache. Zunächst präsentierten die Mönche die 18 Stile des Shaolin, bevor sie mit Schwert, Keule und Peitsche einen artistischen Massenkampf demonstrierten, der mühelos körperliche Grenzen zu überwinden schien.
Wie in einem modern inszenierten Asiafilm flogen Körper durch die Lüfte, wurden Stahlträger und Betonplatten mit den Köpfen entzweigerissen und alleine durch die Willenskraft Gegenstände an den Körper gesaugt, die sich selbst mit der vereinten Kraft von einem halben Dutzend herbeigeholter Besucher nicht mehr ablösen ließen.
Schwerter zerbrachen an den Bauchmuskeln, messerscharfe Spieße prallten wirkungslos an den Kämpfern ab und so etwas wie die natürliche Schwerkraft schien für die Mönche ohnehin überbewertet zu sein. Die Demonstration, wie einfache Küchengeräte zur verheerenden Waffe werden können, war gleichermaßen beeindruckend und man möchte lieber gar nicht wissen, was geschehen würde, wenn diese Männer wirklich einmal schlechte Laune haben.
Wie das Ganze letztendlich funktionierte? Der Moderator erklärte es mit jahrelanger Übung, absoluter Konzentration und nicht zuletzt mit der geheimnisvollen Kraft „Chi“, die dasselbe verursache wie ein Grashalm, der meterdicke Asphaltdecken in Stücke reißt. Und laut dem Erzähler stellen sich Kinder bei den Übungskämpfen schlichtweg vor, dass sie so etwas wie Superkräfte haben.
Die Shaolin-Kämpfer zeigten mittels unterschiedlicher und genau erklärter Kampfsequenzen zudem, dass ihrer buddhistischen Lehre zufolge Schmerzen nicht etwa etwas Körperliches seien, sondern lediglich eine hartnäckige Illusion des Geistes darstellen würden.
Im zweiten Teil des Showspektakels stand schließlich nochmals rasante Action auf dem Programm: Ganz im Stile alter Bruce-Lee-Filme kam es zu mitreißenden Kämpfen zwischen Handkanten und Waffen, Menschen wurden wie Bälle durch die Luft geschleudert und die berüchtigten Atemi-Schreie der Männer reichten oftmals aus, um alleine mit der Kraft des Atems eine Handvoll Gegner auf einmal zu Boden zu reißen.
Der heimliche Star des Abends war jedoch sehr viel unauffälliger als alles andere, was hier geboten wurde – eine einfache kleine Nadel, die gegen Ende der Show ihren großen Auftritt hatte. Denn um das mächtige „Chi“nochmals in allen Feinheiten den Zuschauern zu demonstrieren, kündigten die Mönche eine nahezu unfassbare Vorführung an: Einer ihrer Schüler werde seine gesamte Geisteskraft in die winzige Spitze einer Nähnadel lenken, sodass diese in der Lage ist, massive Gegenstände zu durchdringen. Der junge Mann konzentrierte sich, warf die Nadel und brachte damit einen Luftballon zum Platzen – die dicke Glasscheibe zwischen ihm und dem Ballon blieb unversehrt!
Was an diesem Abend eigentlich tatsächlich stattgefunden hatte, wird man mit einer westlich orientierten Denkweise vielleicht wirklich nie verstehen. Billige Tricks waren es jedenfalls nicht, denn die Mönche überzeugten alleine schon durch ihre bloße Präsenz – und nicht zuletzt mit einer Vielzahl von Kunstfertigkeiten, die mehr als 1500 Jahre alt sind. Fazit: Faszinierend!