Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Jeder Gast hat ein dunkles Geheimnis
Greenglass House Zwei junge Detektive in einer Schmuggler-Herberge
Der Winter ist die wohl schönste Jahreszeit, um in das spannende Buch „Greenglass House“von Kate Milford einzutauchen. In die Geschichte über eine wildromantische Schmuggler-Herberge, die tief eingeschneit irgendwo hoch auf einem Berg über einem abgelegenen Küstenstädtchen thront. Auf der Couch eingemummelt in eine Decke und mit einer Tasse heißen Kakao in der Hand kann sich der Leser selbst jene Stimmung schaffen, die kurz vor den Weihnachtstagen im Greenglass House herrscht. Dort freut sich der 12-jährige Milo auf gemütliche Ferien allein mit seinen Adoptiv-Eltern. Doch im Verlauf eines einzigen Abends kommen zur Überraschung der ganzen Familie immer mehr fremde und bisweilen skurrile Gestalten den Berg hinauf und mieten sich in der Herberge ein. Milo ahnt, dass es mit der vorweihnachtlichen Ruhe nun vorbei ist.
Doch was wollen die Fremden um diese Jahreszeit im Greenglass House, wo doch die Schmuggler-Saison längst vorbei ist? Warum verhalten sie sich so rätselhaft, belauern einander und durchsuchen heimlich ihre Zimmer? Milo will den seltsamen Vorgängen auf den Grund gehen und ist froh, dass ihm Meddy zur Seite steht. Das kleine aufgeweckte Mädchen kam in Begleitung der Haushälterin, die für die vielen Gäste zur Unterstützung ins Haus geholt wurde. Mit Begeisterung machen sich Milo und seine neue Freundin an die Detektivarbeit. Schnell stellen sie fest, dass jeder Gast sein Geheimnis hat und dass alle Vorgänge irgendwie mit der Vergangenheit von Greenglass House zu tun haben. Besonders schockiert ist Milo, dass auch er und seine Familie von den Enthüllungen betroffen sind. So kommt es in dem einsamen Gasthaus bald zum großen Showdown.
Geschichten hören und Geschichten erzählen – das liebt die New Yorker Autorin Kate Milford. Für ihr Werk „Greenglass House“wurde sie 2015 mit dem Egar Allan PoePreis in der Kategorie Kinderbuch ausgezeichnet. Allerdings könnte der 447 Seiten umfassende Schmöker die Durchhaltekraft ihrer Zielgruppe bisweilen an die Grenzen bringen. Denn Milford schildert ihre Geschichte selbst wie eine Detektivin. Sie lässt kein noch so unbedeutendes Detail aus und beschreibt akribisch jede Szene, was schon beinahe wie ein Kammerspiel anmutet. Dazu gehören liebevolle Schilderungen der Zimmereinrichtungen, der Kleidung und Frisuren der Gäste und der großen Buntglasfenster des Hauses, die der Geschichte ihren Namen gegeben haben: „Dieses hier bestand aus Gelb- und Goldtönen. Durchbrochen vom kräftigen Grün: Jade und Tanne, Smaragd und Flaschengrün. Jedes Fenster hatte sein eigenes Muster“. Jede Farbe und jeder Gegenstand in diesem Buch haben Symbolkraft. Alles wirkt wie die bunten Mosaik-Teile eines großen Rätsels, in dessen Verlauf auch die Figuren immer wieder ihre Persönlichkeiten wechseln. Eine anspruchsvolle, wenngleich fesselnde Lektüre für lange Winterabende am Kamin.
» Kate Milford: Greenglass House. Freies Geistesleben, 447 S., 19,90 Euro – ab 11 Jahren