Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jeder Gast hat ein dunkles Geheimnis

Greenglass House Zwei junge Detektive in einer Schmuggler-Herberge

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Der Winter ist die wohl schönste Jahreszeit, um in das spannende Buch „Greenglass House“von Kate Milford einzutauch­en. In die Geschichte über eine wildromant­ische Schmuggler-Herberge, die tief eingeschne­it irgendwo hoch auf einem Berg über einem abgelegene­n Küstenstäd­tchen thront. Auf der Couch eingemumme­lt in eine Decke und mit einer Tasse heißen Kakao in der Hand kann sich der Leser selbst jene Stimmung schaffen, die kurz vor den Weihnachts­tagen im Greenglass House herrscht. Dort freut sich der 12-jährige Milo auf gemütliche Ferien allein mit seinen Adoptiv-Eltern. Doch im Verlauf eines einzigen Abends kommen zur Überraschu­ng der ganzen Familie immer mehr fremde und bisweilen skurrile Gestalten den Berg hinauf und mieten sich in der Herberge ein. Milo ahnt, dass es mit der vorweihnac­htlichen Ruhe nun vorbei ist.

Doch was wollen die Fremden um diese Jahreszeit im Greenglass House, wo doch die Schmuggler-Saison längst vorbei ist? Warum verhalten sie sich so rätselhaft, belauern einander und durchsuche­n heimlich ihre Zimmer? Milo will den seltsamen Vorgängen auf den Grund gehen und ist froh, dass ihm Meddy zur Seite steht. Das kleine aufgeweckt­e Mädchen kam in Begleitung der Haushälter­in, die für die vielen Gäste zur Unterstütz­ung ins Haus geholt wurde. Mit Begeisteru­ng machen sich Milo und seine neue Freundin an die Detektivar­beit. Schnell stellen sie fest, dass jeder Gast sein Geheimnis hat und dass alle Vorgänge irgendwie mit der Vergangenh­eit von Greenglass House zu tun haben. Besonders schockiert ist Milo, dass auch er und seine Familie von den Enthüllung­en betroffen sind. So kommt es in dem einsamen Gasthaus bald zum großen Showdown.

Geschichte­n hören und Geschichte­n erzählen – das liebt die New Yorker Autorin Kate Milford. Für ihr Werk „Greenglass House“wurde sie 2015 mit dem Egar Allan PoePreis in der Kategorie Kinderbuch ausgezeich­net. Allerdings könnte der 447 Seiten umfassende Schmöker die Durchhalte­kraft ihrer Zielgruppe bisweilen an die Grenzen bringen. Denn Milford schildert ihre Geschichte selbst wie eine Detektivin. Sie lässt kein noch so unbedeuten­des Detail aus und beschreibt akribisch jede Szene, was schon beinahe wie ein Kammerspie­l anmutet. Dazu gehören liebevolle Schilderun­gen der Zimmereinr­ichtungen, der Kleidung und Frisuren der Gäste und der großen Buntglasfe­nster des Hauses, die der Geschichte ihren Namen gegeben haben: „Dieses hier bestand aus Gelb- und Goldtönen. Durchbroch­en vom kräftigen Grün: Jade und Tanne, Smaragd und Flaschengr­ün. Jedes Fenster hatte sein eigenes Muster“. Jede Farbe und jeder Gegenstand in diesem Buch haben Symbolkraf­t. Alles wirkt wie die bunten Mosaik-Teile eines großen Rätsels, in dessen Verlauf auch die Figuren immer wieder ihre Persönlich­keiten wechseln. Eine anspruchsv­olle, wenngleich fesselnde Lektüre für lange Winteraben­de am Kamin.

» Kate Milford: Greenglass House. Freies Geistesleb­en, 447 S., 19,90 Euro – ab 11 Jahren

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