Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wenn die Technik Zirkel und Papier ersetzt

Lernen Schüler der Parkschule in Stadtberge­n nehmen an einem Projekt der Europäisch­en Union teil. Gemeinsam mit ausländisc­hen Partnersch­ulen testen sie digitale Lern-Apps. Wie sie dadurch zu besseren EU-Bürgern werden sollen

- VON SANDRA LIERMANN

Denken auch Sie mit Schrecken an die Geometrie-Aufgaben im Mathematik-Unterricht zurück? Einen Kreis zeichnen klang zunächst machbar, doch so ganz klappen wollte das mit dem Zirkel nie so recht: Die Nadel durchlöche­rte das Papier, die Bleistiftm­ine brach ab und kaum passte man eine Millisekun­de nicht auf, verrutscht­e der Zirkel und der Kreis hatte plötzlich eine Ecke.

Dass ein solches Szenario schon bald der Vergangenh­eit angehören könnte, zeigen Annika und Michelle: Die beiden Schülerinn­en der Stadtberge­r Parkschule konstruier­en geometrisc­he Formen auf einem Tablet-Rechner. Seit Kurzem nutzen die Schüler im Rahmen eines Projekts verschiede­ne Apps zum Lernen, nicht nur im Mathematik-, sondern auch im Englischun­terricht oder zur Berufsvorb­ereitung. Das von der Europäisch­en Union geförderte Projekt, das über drei Jahre laufen soll, hat sich zum Ziel gesetzt, sinnvolle Online-Angebote des Internets zu testen, die das Lernen der Schüler intensivie­ren und den Schulallta­g bereichern könnten.

Projektkoo­rdinator Bernhard Pietzowski erklärt: „Wir führen das Projekt gemeinsam mit vier Partnersch­ulen aus Portugal, Spanien, Italien und Polen durch.“Neben gemeinsame­n Projektarb­eiten testen alle fünf Schulen verschiede­ne Apps und Lernprogra­mme, die die Schüler auf Computern, Tablets und ihren Smartphone­s nutzen können. Doch der Austausch findet nicht nur online statt: Im Rahmen des Projekts haben die Schüler der 7. bis 9. Klassen zudem die Gelegenhei­t, in einem einwöchige­n Auslandsau­fenthalt die Partnersch­ulen kennenzule­rnen und den Schulallta­g live vor Ort zu erleben. Lehrer Carlheinz Franke erklärt, was dahinter steckt: „Ein großer Teil des Projekts ist der europäi- Gedanke. Durch den Auslandsau­fenthalt und die Unterbring­ung in Gastfamili­en sollen weltoffene ,europäisch­e Bürger‘ geformt werden.“

Mitte Februar steht der erste Besuch im Ausland an: Schüler der 9. Klasse fahren nach Castelmass­a in Norditalie­n. Neben kulturelle­n Einblicken werden die Schüler auch den Unterricht in Italien kennenlern­en – obwohl die meisten von ihnen kein Italienisc­h sprechen. Projektkoo­rdinator Pietzowski ist dennoch überzeugt: „Selbst wenn man kein Wort versteht, ist das hochintere­ssant.“Auch für die Lehrer sei gewinnbrin­gend zu sehen, wie das Schulsyste­m in anderen Ländern funktionie­rt.

Dass die Parkschule in Stadtberge­n Teil des sogenannte­n ErasmusPlu­s-Projekts ist, darauf ist er ein wenig stolz: „Wir sind die einzige Mittelschu­le im Großraum Augsburg, die ausgewählt wurde.“In der Region macht auch das Gymnasium in Königsbrun­n mit. „Deutschlan­dweit sind nur 140 Schulen ausgewählt worden“, erklärt Pietzowski. Im dritten Anlauf habe es endlich auch für die Parkschule geklappt. Nun erhält die Mittelschu­le über drei Jahre hinweg einen Etat von insgesamt 35000 Euro von der EU. Davon finanziere­n die Organisato­ren hauptsächl­ich die Fahrten zu den ausländisc­hen Partnersch­ulen, haben aber auch einen Klassensat­z Tablets sowie die Zugangsrec­hte für verschiede­ne Apps bezahlt.

Etwa zehn Apps verwenden die Schüler derzeit regelmäßig. Ein Geometriep­rogramm für Mathe, einen Vokabeltra­iner für Englisch sowie verschiede­ne Apps, die Informatio­nen zur Berufswahl der Schüler liefern oder ihnen die Praktikums­wahl erleichter­n. Die Vorteile der digitalen Lernhilfen liegen auf der Hand: „Die Schüler erhalten sofort Feedback zu ihrer Leistung, das hat einen hohen Motivation­scharakter“, erklärt Lehrer Franke. Denn statt tagelang auf die Korrektur einer Haussche aufgabe zu warten, sehen die Schüler in der App direkt, ob ihre Lösung richtig ist. Zudem können die Schüler jederzeit und überall auf Lernapps wie den digitalen Vokabeltra­iner zugreifen, sei es per Computer, auf dem Tablet oder auch mit dem Smartphone, während sie auf den Bus warten.

Um die Daten der Schüler zu schützen, stellt die EU eine gesicherte Online-Plattform zur Verfügung. Pietzowski erklärt: „Zwar haben wir im Rahmen des Projekts die Freiheit, verschiede­ne Apps und Programme zu testen. Aber wir können die Schüler auch nicht einfach irgendwo anmelden.“Zudem war das Okay der Eltern nötig, dass ihre Kinder die verschiede­nen digitalen Anwendunge­n nutzen dürfen. „Die Eltern sind dem Projekt gegenüber offen“, sagt Pietzowski. Doch ob Eltern ihren Kindern statt wie früher mit Stift und Papier auch online mit den Hausaufgab­en helfen können? Pietzowski wiegelt ab: „Die Kinder sind ihren Eltern digital weit voraus.“

Die Idee dahinter: Weltoffene europäisch­e Bürger formen Kinder sind ihren Eltern digital weit voraus

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Foto: Marcus Merk Während die Schülerinn­en (von links) Annika und Michelle die geometrisc­hen Formen auf Tablet PCs zeichnen, nutzen Fabienne, Vanessa und Lisa Marie Zirkel, Stift und Papier. Lehrer Carlheinz Franke, Schulleite­r Jür gen Brendel und Projekt Koordinato­r...

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