Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie Eltern mit dem Smartphone richtig umgehen
Familie Wann ist Simsen und Surfen unangebracht? Das Jugendamt gibt Infos dazu
Die Friseurin ist verzweifelt. Das kleine Mädchen will sich partout die Haare nicht kürzer schneiden lassen. Das Kind ist den Tränen nahe. Es hat Angst. Die Mutter dagegen ist so intensiv mit ihrem Smartphone beschäftigt, dass sie von dem kleinen Drama überhaupt nichts mitbekommt.
Diese Geschichte erzählt Brigitte Maly-Motta. Sie ist Leiterin der Fachstelle Frühe Hilfen im Landratsamt Augsburg und erklärt: „Für mich war in dem Moment klar, wir müssen uns über das Simsen, Surfen und Telefonieren von Eltern Gedanken machen.“Denn das sei ja kein Einzelfall. Immer häufiger hingen Väter und Mütter auch beim Kinderwagenschieben oder auf dem Spielplatz am Smartphone.
Das Amt für Jugend und Familie will deshalb mit Plakaten, Postern und Postkarten Eltern im Landkreis Augsburg zum Nachdenken anregen. „Sprechen Sie lieber mit Ihrem Kind!“ist das Motto einer Kampagne, die nun zum Jahresanfang 2017 startete.
Die Initiatoren der Aktion erhoffen sich einen bewussteren Umgang mit dem Smartphone in Gegenwart von Kindern. Klar sei: Alle Eltern wollen gute Eltern sein. Aber die Dauerpräsenz von Medien im Alltag lässt Mütter und Väter leicht das Bedürfnis ihrer Kinder nach Aufmerksamkeit, Blickkontakt und Zuwendung aus den Augen verlieren. Der Jahresbeginn könnte ein guter Anlass sein, um das zu ändern. 5000 Postkarten und mehr als 1000 Plakate sollen den Impuls dazu liefern.
Doch wie wirkt es sich auf eine Gesellschaft aus, wenn die Menschen immer häufiger Smartphones benutzen? Mit diesen und vielen anderen Fragen rund um Medien und Kommunikation beschäftigt sich Professor Jeffrey Wimmer von der Universität Augsburg. Er erklärt, dass man bei der Nutzung von Smartphones – aber auch von anderen Medien – blind für die Umwelt werde, weil man sich so vertieft. Das habe man anhand von Studien nachweisen können. Dabei wurde beispielsweise ein Elefant über einen öffentlichen Platz geführt, oder ein jonglierender Clown lief vorbei. Diejenigen Leute, die mit ihrem Smartphone beschäftigt waren, bemerkten davon nichts. Und genau das sei der negative Aspekt bei Smartphone und Co. Dennoch dürfe man dabei nicht vergessen, dass diese Geräte auch enorme Vorteile bringen. „Wenn ich in der Kälte auf den Zug warten muss, ist es doch toll, wenn ich damit in andere Welten abtauchen kann“, sagt Professor Wimmer.
Der 44-Jährige betont aber, dass Erwachsene für die Kinder Vorbilder sind – auch bei der Mediennutzung. Wenn Eltern beim Essen ständig auf das Handy schauen, wird der Nachwuchs dies später vermutlich auch tun. Doch Kinder sollten von ihren Müttern und Vätern lernen, wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten sollen. „Das hat auch was mit Manieren zu tun“, sagt Wimmer. Einen allgemeingültigen Ratschlag an alle Mütter und Väter will er aber nicht aussprechen. Der Professor ist davon überzeugt, dass jede Familie einen eigenen Weg finden muss, damit die Kinder die Fähigkeit entwickeln, kritisch und kompetent mit dem Smartphone umzugehen. Wichtig sei aber auf jeden Fall eine reflektierte Nutzung des Gerätes. Studien hatten gezeigt, dass viele Personen mittlerweile bis zu 150-mal am Tag auf ihr Handy schauen.
Der Professor plädiert für eine bewusste Nutzung wie bei anderen Medien auch. Als Beispiel dafür nennt er das Kino. Da würde man sich vorher auch genau überlegen, welchen Film man sich ansehen will. Allerdings sollte man in der Diskussion rund um die Smartphones nicht vergessen, dass deren Stellenwert in Zukunft noch zunehmen wird. Für einen bewussten Umgang mit diesen Geräten und mehr Achtsamkeit den Kindern gegenüber spricht sich auch Landrat Martin Sailer aus. Die nun gestartete Kampagne unter dem Motto „Sprechen Sie lieber mit Ihrem Kind“rufe dazu auf, dem Nachwuchs mehr Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Für ihn ist diese Initiative ein weiteres Mosaiksteinchen, um den Landkreis Augsburg wieder ein Stückchen kinder- und familienfreundlicher zu machen.
Übrigens: Die anfangs geschilderte Geschichte im Frisiersalon ist am Ende gut ausgegangen. Die Mutter hat das Telefongespräch doch noch beendet und ihr Kind von einem pfiffigen Haarschnitt überzeugt.