Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Misstöne schon vor der großen Party

USA Der künftige Präsident will nicht auf seine Kritiker zugehen. Um 18 Uhr unserer Zeit legt er den Amtseid ab

- VON THOMAS SEIBERT

Die Zustimmung­sraten sind im Keller, die Gesellscha­ft im eigenen Land ist gespalten, die westlichen Verbündete­n sind geschockt: Wenn Donald Trump heute exakt um 12.00 Uhr mittags (18.00 Uhr MEZ) die Hand zum Amtseid als 45. Präsident der USA hebt, beginnt er seine Regierungs­zeit inmitten einer größtentei­ls selbst verschulde­ten Serie von Streit und Zwietracht.

Auch mehr als zwei Monate nach der Wahl im November zweifeln Millionen Amerikaner an Trumps demokratis­cher Legitimati­on. Trump erhielt deutlich weniger Wählerstim­men als seine geschlagen­e Rivalin Hillary Clinton, profitiert­e aber von den Besonderhe­iten des US-Wahlsystem­s. Viele der rund 200 000 Demonstran­ten, die am Tag nach Trumps Vereidigun­g bei einem Protestmar­sch in Washington erwartet werden, gehören der Bewegung „Nicht mein Präsident“an. Mehrere hunderttau­send andere Amerikaner werden dagegen ihre Unterstütz­ung für Trump bekunden.

So werden die Feierlichk­eiten in Washington zu einem Abbild der Zerrissenh­eit des Landes. Rund 900 000 Menschen werden zur Vereidigun­gszeremoni­e erwartet. Der neue Präsident wird vor dem Kapitol seinen Amtseid leisten und dann an der Spitze einer Parade mit tausenden Teilnehmer­n zum Weißen Haus, seinem künftigen Amtssitz, ziehen. Am Abend feiert Washington­s Gesellscha­ft die Amtsüberga­be bei mehreren Bällen.

Allerdings wollen rund 60 Politiker aus dem Kongress der Zeremonie demonstrat­iv fernbleibe­n. Dennoch gibt sich der neue Präsident keinerlei Mühe, auf seine innenpolit­ischen Kritiker zuzugehen. So griff er erneut den schwarzen Senator John Lewis an, der als Ikone der Bürgerrech­tsbewegung gilt. Lewis will Trumps Vereidigun­g boykottier­en und war deshalb bereits vor einigen Tagen zur Zielscheib­e von Trumps Twitter-Attacken geworden.

Nicht nur schwarze Bürgerrech­tler fühlen sich vor den Kopf gestoßen. Die amerikanis­chen Geheimdien­ste hat Trump gegen sich aufgebrach­t, indem er ihnen im Zusammenha­ng mit der Veröffentl­ichung eines angebliche­n russischen Geheimdoss­iers Nazi-Methoden vorwarf. Laut einer Umfrage der Washington Post ist Trumps Zustimmung­srate bei den Wählern auf 40 Prozent gesunken. Der Immobilien­milliardär ist damit bei seinem Amtsantrit­t unbeliebte­r als alle Vorgänger in den zurücklieg­enden Jahrzehnte­n.

Trumps Prioritäte­n lösen schon jetzt Streit und Befürchtun­gen aus. Nach Einschätzu­ng des überpartei­lichen Haushaltsb­üros im Kongress könnten 18 Millionen Amerikaner innerhalb eines Jahres ihren Krankenver­sicherungs­schutz verlieren, wenn Trump sein Ziel einer Streichung des Gesundheit­ssystems Obamacare durchsetzt. Hochrangig­e Politiker aus Trumps eigener republikan­ischer Partei kritisiere­n zudem den Kuschelkur­s des neuen Präsidente­n mit Russland. Der Historiker Allan Lichtman hält es sogar für möglich, dass gegen Trump ein Amtsentheb­ungsverfah­ren eingeleite­t wird. Vorerst müssen sich Amerikaner wie der Rest der Welt jedoch auf die neue Ära einstellen.

 ?? Foto: Mario Tama, afp ?? Vor dem Kapitol in Washington sind die Tribünen aufgebaut: Dort wird Donald Trump heute seinen Amtseid als 45. US Präsident ablegen. 900000 Menschen wollen dem Ereignis beiwohnen.
Foto: Mario Tama, afp Vor dem Kapitol in Washington sind die Tribünen aufgebaut: Dort wird Donald Trump heute seinen Amtseid als 45. US Präsident ablegen. 900000 Menschen wollen dem Ereignis beiwohnen.

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