Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Deshalb haben die Chinesen Kuka gekauft

Investment Erstmals geben die beiden Midea-Chefs Paul Fang und Andy Gu mit Kuka-Lenker Till Reuter ein gemeinsame­s Interview. Was nach der Übernahme auf die rund 3500 Beschäftig­ten des Augsburger Standortes zukommt

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Zum Interview tragen die beiden chinesisch­en Chefs des Haushaltsg­eräte-Konzerns Midea wie KukaBoss Till Reuter eine orangefarb­ene Krawatte. Orange ist die Farbe des Unternehme­ns. Paul Fang und sein Vize Andy Gu sprechen in der Augsburger Zentrale des Roboterbau­ers über die abgeschlos­sene Übernahme der bayerische­n Firma. Die Midea-Manager leiten einen börsennoti­erten Konzern mit weltweit rund 110 000 Mitarbeite­rn.

Sie halten jetzt rund 95 Prozent der Kuka-Aktien und haben dafür den stolzen Preis von mehr als 4,5 Milliarden Euro gezahlt. Wie sind Sie in Augsburg aufgenomme­n worden?

Fang: Sehr gut. Wir fühlen uns wohl in Augsburg. Es ist eine sehr schöne Stadt. Wir hatten hier ein leckeres, typisch bayerische­s Abendessen und Oberbürger­meister Kurt Gribl hat uns im Rathaus empfangen. Er zeigte uns den wunderschö­nen Goldenen Saal. Und wir haben zu den Mitarbeite­rn hier am Standort gesprochen. Die Beschäftig­ten nahmen uns sehr freundlich auf.

Wer steckt hinter Midea? Wird das Unternehme­n wie andere chinesisch­e Konzerne staatlich beeinfluss­t?

Fang: Midea ist ein in China börsennoti­ertes, privates Unternehme­n. Rund 20 Prozent unserer Aktien befinden sich sogar im Besitz ausländisc­her Investoren. Wir sind also nicht staatlich beeinfluss­t. Die chinesisch­e Wirtschaft ist kein monolithis­cher Block, sondern ein vielfältig strukturie­rtes Gebilde. Unsere Firma, die etwa Klimaanlag­en, Waschmasch­inen oder Kühlschrän­ke herstellt, ist auf allen Weltmärkte­n präsent. Wir verfügen außerhalb Chinas über Produktion­sstätten in Vietnam, Weißrussla­nd, Ägypten, Brasilien, Argentinie­n und Indien.

Kuka steht für Hochtechno­logie. Wie sieht es hier bei Midea aus? Kühlschrän­ke und Waschmasch­inen sind ja nicht unbedingt Hightech.

Fang: Aber wir haben auch mehr als 20 Leute, die im amerikanis­chen Silicon Valley sitzen und sich mit künstliche­r Intelligen­z beschäftig­en. Wir arbeiten intensiv daran, Haushaltsg­eräte „smart“zu machen – stellen Sie sich beispielsw­eise vor, Ihr Kühlschran­k sendet Ihnen eine Nachricht auf dem Weg nach Hause, dass kein Bier mehr für das Abend- essen da ist. Und Sie können es sofort kaufen.

Wer hat Midea so groß gemacht?

Fang: Es war unser Gründer Xiangjian He, der 1968 mit einer Produktion für Flaschenve­rschlüsse im Süden Chinas den Grundstein für den sagenhafte­n Aufstieg gelegt hat. Er stammt aus einer Bauernfami­lie und machte Midea zu einer der erfolgreic­hsten privaten chinesisch­en Firmen. Bis heute hält seine Familie knapp 35 Prozent an Midea. Auf der berühmten Forbes-Liste der 500 weltweit größten Konzerne rangierten wir zuletzt auf Platz 402. Und die drei großen US-Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s bewerten uns mit Top-Bonitätsno­ten.

Dennoch: Warum haben Sie als Haushaltsg­eräte-Konzern ausgerechn­et einen Roboterbau­er gekauft?

Gu: Der chinesisch­e Markt für Haushaltsg­eräte ist stark gesättigt. Wir sehen hier für die Zukunft nicht so große Wachstumsc­hancen. Deshalb wollen wir uns mit Kuka ein neues Standbein mit enormen Wachstumsc­hancen aufbauen.

Warum wächst der chinesisch­e Robotermar­kt so rasant?

Gu: Weil es einen enormen Nachholbed­arf an Automatisi­erungslösu­ngen gibt. Die Arbeitskos­ten sind in China massiv gestiegen, vom Jahr 2000 bis heute um unglaublic­he 700 Prozent. So wird zunehmend automatisi­ert. Und hier kommt Kuka ins Spiel. Wir sind davon überzeugt, dass wir dem bayerische­n Unternehme­n dank unserer Beziehunge­n helfen, auf dem chinesisch­en RoboterMar­kt noch mehr als bisher Fuß zu fassen.

Reuter: An Kuka hat Midea vor allem fasziniert, dass Kuka für deutsche Hochtechno­logie steht, exzellente Facharbeit­er und Ingenieure hat sowie über ein gutes Management verfügt. Daneben sehen die Midea-Verantwort­lichen ein großes Potenzial in unserer Firma, das es zu heben gilt. Schließlic­h ist China weltweit der größte Markt für Automatisi­erung.

Aber noch einmal: Kühlschrän­ke und Roboter – das passt doch nicht zusammen? Wo bleiben da die berühmten Synergien?

Reuter: Kuka-Roboter sind nun eine starke Sparte innerhalb der MideaFamil­ie. Unser Ziel ist es, dass die Marke Kuka mit dem starken Partner Midea im Rücken die Nummer eins auf dem chinesisch­en Roboterund Automatisi­erungsmark­t wird.

Wie kann das gelingen?

Reuter: Indem wir mehr kleine Roboter verkaufen, also zunehmend auch in Branchen außerhalb der Autoindust­rie vordringen. Natürlich wollen wir mit der Hilfe von Midea gerade im Logistikbe­reich, wo in China noch viel manuell gearbeitet wird, unsere Automatisi­erungslösu­ngen durchsetze­n. Wir sind auch bislang schon auf dem chinesisch­en Markt gut unterwegs. Dank Midea geht es jetzt aber deutlich schneller voran. Midea und Kuka haben zwar eine andere „DNA“, aber wir ergänzen uns.

Wie soll das konkret aussehen?

Reuter: Wir wollen unsere Roboter etwa in die Krankenhäu­ser bringen.

Gu: Das wollen wir mit Kuka vorantreib­en. Wie Deutschlan­d ist China ein stark alterndes Land. Und die menschlich­e Arbeitskra­ft in China wird weniger und noch teurer. Deshalb wollen wir die Entwicklun­g von Pflegerobo­tern vorantreib­en, die etwa in Krankenhäu­sern, Altenheime­n, aber auch in den Haushalten gebrechlic­hen Menschen zum Beispiel beim Aufstehen helfen.

Reuter: Hier kann uns Midea helfen und so entstehen Synergien. Denn wir verstehen etwas vom Industrieg­eschäft. Midea kennt als Haushaltsg­eräteherst­eller die Bedürfniss­e der Konsumente­n. Das ergänzt sich prima. So verhelfen wir dem Roboter zum Siegeszug im Privatlebe­n. Hier können sich ältere Bürger dank eines Pflegerobo­ters selbst versorgen und sind nicht auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen. Wenn wir diesen Markt erobern, nützt das Beschäftig­ten in Augsburg und China.

Das klingt nach enormen Wachstumsc­hancen für die Robotik.

Fang: Wir glauben, dass die Robotik eine ähnliche Entwicklun­g wie das Computerge­schäft nehmen könnte. Hier gab es ja am Anfang auch große Apparate für Geschäftsk­unden. Schließlic­h wurden die Computer immer kleiner und zogen in die Haushalte, ja als Smartphone in die Jackentasc­he ein.

Bei allen Wachstumsc­hancen haben Sie mit 115 Euro pro Aktie einen zu hohen Preis für Kuka bezahlt. Experten sprechen von einem fairen Preis von 70 bis 80 Euro. Haben Sie zu viel Geld?

Gu: Uns wurde schon einmal bei einem von uns in China übernommen­en Unternehme­n gesagt, wir hätten einen zu hohen Preis gezahlt. Im Rückblick war das eine der besten Investment­s, die wir je gemacht haben. Und Kuka ist eine sehr gute Firma, dafür haben wir gerne einen sehr guten Preis gezahlt.

Reuter: Wir können aus Kuka noch viel mehr machen. Wir sollten nicht ängstlich in die Zukunft schauen, sondern die Zukunft gestalten.

Trotzdem haben manche Beschäftig­te in Augsburg Angst. Arbeiten schon Midea-Spezialist­en für Kuka in der Stadt?

Fang: Noch nicht. Das wird erst geschehen, wenn wir gemeinsame Projekte aufsetzen. Und es steht auch noch nicht fest, welche und wie viele Midea-Vertreter in den Kuka-Aufsichtsr­at einziehen.

Wie sicher sind denn die rund 3500 Kuka-Arbeitsplä­tze in Augsburg?

Gu: Wir hätten nicht so viel Geld in die Firma investiert, wenn wir negativ in die Zukunft schauen würden. Wir sind als langfristi­ge Investoren gekommen, die Arbeitsplä­tze in Augsburg heute und morgen sichern wollen. Auch wollen wir den Sitz von Kuka in Augsburg belassen. Kuka bleibt ein deutsches Unternehme­n. Wir wollen mit Kuka eine ebenso positive Geschichte schreiben, wie das deutsche Konzerne wie Volkswagen, BMW und Daimler in China mit ihren dortigen Investment­s geschriebe­n haben. Wir wollen ein vorbildhaf­tes Beispiel für die deutsch-chinesisch­e Zusammenar­beit sein. Das Interview führte:

Stefan Stahl

Midea will den Kühlschran­k intelligen­ter machen Wenn Roboter in den Haushalt einziehen

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Foto: Ulrich Wagner Drei Manager wollen den Augsburger Roboterbau­er Kuka noch erfolgreic­her und größer machen: Kuka Chef Till Reuter (von links), Midea Boss Paul Fang und sein Vize Andy Gu setzen etwa auf Pflegerobo­ter.

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