Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Blick zurück
Tipp des Tages Schnörkellose Bilder zeigen das Leben schwer erziehbarer Jugendlicher
Der Film „Freistatt“erzählt vom Leben in einem Erziehungsheim für „schwer erziehbare“Jugendliche. Die Geschichte, benannt nach einer Einrichtung in Niedersachsen, weitet sich zum facettenreichen Historienbild. Mehrfach wurde der Film von Marc Brummund ausgezeichnet.
Wolfgang (Louis Hofmann) ist 14 Jahre alt. Es ist 1968, das Jahr der Studentenunruhen. Selbst in der Kleinstadt, in der er aufwächst, brodelt es. Die jungen Leute sehnen sich nach Gedankenfreiheit. Mutter und Stiefvater wittern unentwegt Ungehorsam und Missachtung, so kommt der Junge gegen seinen Willen ins Heim. Dort herrschen geradezu mittelalterliche Regeln der Unterordnung. Harte körperliche Arbeit und psychischer Terror sind Alltag. Wolfgang will sich nicht unterkriegen lassen, widersetzt sich. Doch ihm soll mit aller Macht das Rückgrat gebrochen werden.
Brummund erzählt die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht, in schnörkellosen Bildern. Die Gewalt ist allgegenwärtig. Das vom bravourös agierenden Hofmann angeführte Ensemble packt. Durch die Präsenz der Akteure ist man als Zuschauer mitten im Geschehen.
In der echten Diakonie „Freistatt“mussten Jugendliche jahrzehntelang ohne Entlohnung im Hochmoor Torf stechen. Vor einigen Jahren stellten tausende Opfer physischer und psychischer Gewalt Anträge auf Entschädigung.
Subtil regt Brummund zum Nachdenken darüber an, welche Wurzeln das Leben im heutigen Deutschland hat, was prägend war für die Generation der jetzt etwa 60-Jährigen.