Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Welcome, Mr. President!

Stars Heute wird Donald Trump in sein Amt eingeführt. Er könnte es verändern. Wie das Bild, das Kino und Fernsehen vom „mächtigste­n Mann der Welt“zeichnen. Warum Präsidente­n in den USA eine große Rolle in Filmen oder Serien spielen

- VON DANIEL WIRSCHING UND MARTIN WEBER

Es ist nicht lange her, da hätte man einem Drehbuchsc­hreiber einer Polit-Serie diese Geschichte um die Ohren gehauen: Glaubt doch keiner!

Also: Ein Immobilien­milliardär mit großer Klappe und noch größerem Ego, einer Schwäche für Models und alles was glänzt, will Präsident der Vereinigte­n Staaten werden. Er gilt als Witzfigur, alleine wegen seiner Frisur. Und auch seine Zweitkarri­ere im Fernsehen wird jäh beendet: Weil er Einwandere­r aus Mexiko beleidigt, schmeißt ihn sein Sender nach elf Jahren raus. Der Milliardär moderierte eine Reality-Show, in der die Kandidaten um einen Job bei ihm kämpften.

Die Geschichte aber ist wahr, Donald Trump legt heute seinen Amtseid als 45. US-Präsident ab. Stranger than fiction. Ja, die Wahrheit ist oft sonderbare­r als jede erfundene Geschichte. Und solche gibt es in den USA zuhauf. Auch weil seit den Anfängen der Filmindust­rie eine enge Beziehung zwischen Hollywood und der Politik bestand. Zum Nutzen beider. Hollywood bekommt von der Politik unter anderem Filmstoffe, die Politik von Hollywood eine Bühne. Die Inszenieru­ng von Macht haben sie ebenso gemeinsam wie das Bestreben, von der je anderen Seite zu profitiere­n.

„Showbiz Politics“, Showgeschä­ft Politik, nannte die US-Historiker­in Kathryn Cramer Brownell ihr Buch über die Verbindung­en und wechselsei­tigen Beeinfluss­un- gen, die allerspäte­stens mit der Wahl des Ex-Schauspiel­ers Ronald Reagan 1981 zum 40. Präsidente­n der USA augenfälli­g wurden.

Der amerikanis­che Präsident spielt eine große Rolle im US-Kino und -Fernsehen. Als Mächtiger, als (tragischer) Held, als Identifika­tionsfigur oder Projektion­sfläche. Dazu genügt ein Blick in die Internet-Filmdatenb­ank „IMDb“oder ins Internetle­xikon Wikipedia. In dem kann man sich durch eine lange und dennoch unvollstän­dige Liste mit Schauspiel­ern und Schauspiel­erinnen scrollen, die schon einmal den US-Präsidente­n darstellte­n. Oder eben die US-Präsidenti­n.

Der oder die kommt vielgestal­tig daher. In der Netflix-Serie „House of Cards“(seit 2013) ist er ein Widerling, im Action-Spektakel „Air Force One“(1997) ein bewunderns­werter Draufgänge­r und in der Sitcom „Hier kommt Bush!“(2001) ein Trottel. Mal ist er vielschich­tig wie in der Serie „The West Wing“(1999–2006), mal Hauptfigur eines Horrorfilm­s wie in „Abraham Lincoln Vampirjäge­r“(2012). Mit Außerirdis­chen oder Naturkatas­trophen nimmt er es natürlich auch auf wie in „Mars Attacks!“(1996) oder „Deep Impact“. In „Deep Impact“aus dem Jahr 1998 ist der Präsident sogar ein Schwarzer. Was erst mit Barack Obama 2009 Realität wurde.

Der Filmwissen­schaftler Gregory Frame schreibt in einer Studie, dass die Präsidente­n-Figur seit den 90er Jahren allgegenwä­rtig und zu einer Art visuellem Wegwerfart­ikel geworden sei – während man früher das Amt des US-Präsidente­n in Film und Fernsehen eher ehrfürchti­g behandelt habe. In den 90ern beginne sich das gezeigte Bild der US-Präsidents­chaft deutlich zu wandeln.

US-Präsidente­n würden, so Frame, personalis­ierter dargestell­t, aber auch unsicherer. Geprägt sei das Bild maßgeblich durch die realen Präsidente­n Bill Clinton (1993– 2001) und George W. Bush (2001– 2009), den Zusammenbr­uch der Sowjetunio­n, die Affäre Clintons mit einer Praktikant­in oder die Anschläge vom 11. September 2001.

Trump könnte das Bild abermals verändern. Wie genau? Abwarten. Schon während des Wahlkampfs arbeiteten Serienmach­er an Figuren, die ihn zum Vorbild hatten. Im Sommer berichtete Deutschlan­dradio Kultur, dass die fluchende Selina Meyer (Julia Louis-Dreyfus) aus der HBO-Serie „Veep“(seit 2012) für Kritiker als satirisch überzeichn­ete Prophezeiu­ng einer möglichen Trump-Präsidents­chaft gelte. „Als die Serie begann, war es eine Satire auf den Politikbet­rieb“, wird LouisDreyf­us zitiert. „Jetzt ist sie eher eine traurige Doku. Wenn wir Trumps Aussagen in unser Skript aufnehmen würden, dann würde uns HBO das sofort streichen.“

In „Veep“schafft Meyer den Aufstieg von der Vizepräsid­entin zur Präsidenti­n. Das gelingt auch Geena Davis als Mackenzie Allen in der Serie „Welcome, Mrs. President“(Originalti­tel „Commander in Chief“, 2005/2006). In der Fiktion haben die USA eine Präsidenti­n – in der Realität wurde daraus bekanntlic­h nichts nach dem Wahlsieg Donald Trumps über Hillary Clinton.

Dass die fiktiven Präsidente­n durchaus Einfluss haben, zeigen US-Studien. Polit-Serien zum Beispiel „beeinfluss­en empirische­n Forschunge­n zufolge die politische Agenda, den öffentlich­en Themenhaus­halt der Gesellscha­ft, aber auch Wahrnehmun­gen, Vorstellun­gen und Einstellun­gen“, hat Andreas Dörner festgestel­lt. Dem Medienwiss­enschaftle­r von der PhilippsUn­iversität Marburg zufolge kann das Image des realen Präsidente­n vom Idealismus einer fiktionale­n Figur profitiere­n. Oder umgekehrt.

Besonders angetan haben es Filmemache­rn in jüngerer Zeit Abraham Lincoln und Richard Nixon. Nachdem Starregiss­eur Oliver Stone und Hauptdarst­eller Anthony Hopkins den 1974 wegen der WatergateA­ffäre Zurückgetr­etenen 1995 in „Nixon“porträtier­t hatten, ging es etwa 2008 in „Frost/Nixon“um ein legendäres Interview. Das hatte der britische Journalist David Frost 1977 mit dem Präsidente­n geführt.

Im 2016 gedrehten Drama „Elvis & Nixon“wird ein Treffen zwischen dem von Kevin Spacey verkörpert­en Präsidente­n und Rockstar Elvis Presley 1970 im Weißen Haus zum Filmstoff. Mal wieder Kevin Spacey – in „House of Cards“spielt der ja einen US-Präsidente­n namens Frank Underwood. Lincoln wiederum kommt auf hunderte Einträge seit 1911 in der Filmdatenb­ank „IMDb“. Daniel Day-Lewis erhielt für seinen Lincoln 2013 den Oscar.

Unvergesse­n blieb Kritikern wie Zuschauern auch Michael Douglas, der in der Liebeskomö­die „Hallo, Mr. President“von 1995 ein verwitwete­s Staatsober­haupt war. Schnell vergessen wurden dagegen die im Vergleich zu den USA raren deutschen Film- und TV-Produktion­en, in denen Bundeskanz­ler oder Bundespräs­identen eine Rolle spielten.

Ambitionie­rte Polit-Serien wie „Kanzleramt“(2005) oder „Die Stadt und die Macht“(2016) floppten. Sie waren zu bieder, zu wenig hinter- oder abgründig, zu durchschau­bar. Hinzu kommt wohl, dass die Deutschen „mit den realen Verhältnis­sen vollauf bedient“zu sein scheinen, wie ein Kritiker meinte.

Ganz anders die USA, wo nicht nur die Polit-Serie boomt. Über Donald Trumps Vorgänger Barack Obama gibt es bereits zwei Spielfilme zu dessen frühen Jahren. Trump selbst war übrigens schon im Jahr 2000 US-Präsident: in einer Folge von „The Simpsons“. In der wird er in einem Traum als der Vorgänger von Lisa Simpson erwähnt, der die USA in die Pleite getrieben habe. O

TV Tipp ProSieben zeigt die „Simpsons“Folge aus dem Jahr 2000 am heutigen Freitag um 18.40 Uhr.

In „Deep Impact“regierte schon 1998 ein Schwarzer Deutsche Produktion­en wurden schnell vergessen

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Bereits im Jahr 2000 kommt Trump als US Präsident bei den „Simpsons“vor. Aller dings wird er nur erwähnt. Die Szene hier stammt aus einer jüngeren Folge.
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Fotos: obs/Sky Deutsch land (2); Universal Pictures/dpa; AZ Screenshot/Youtube; Warner Bros./dpa; dpa (3) Jack Nicholson als US Präsident James Dale in „Mars Attacks!“.
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Lange vor Obama gab es mit Morgan Freeman einen schwarzen Präsidente­n.
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Kevin Spacey als Widerling Frank Under wood in „House of Cards“.
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Legendär: Frost (Michael Sheen, rechts) interviewt Nixon (Frank Langella).
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Oscar prämiert: Daniel Day Lewis als Präsident Abraham Lincoln in „Lincoln“.
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Der Schauspiel­er, der Präsident wurde: Ronald Reagan.
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Julia Louis Dreyfus in „Veep – Die Vize präsidenti­n“.

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