Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Schreckens­jahr fürs Klima

Interview So warm wie 2016 war es auf der Welt noch nie. Klimaforsc­her Mojib Latif erklärt, wie die Folgen der Erderwärmu­ng in Deutschlan­d zu spüren sind

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2016 war es so warm wie noch nie seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen. War es ein Schreckens­jahr für das Klima, Herr Latif?

Auch wenn man es in Deutschlan­d nicht unbedingt so wahrnimmt – ja. Der Temperatur­rekord bezieht sich auf die globale Durchschni­ttstempera­tur des Planeten. Betrachtet man einen langen Zeitraum, ist es offensicht­lich, dass sich die Erde erwärmt. Auch bei uns: Ich bin 62 Jahre alt und wenn ich an meine Kindheit denke, waren Schnee und Eis im Winter völlig normal. Heute scheint das viele ein bisschen zu erstaunen. Man darf sich vom aktuellen Wetter also nicht irritieren lassen: Die Klimadaten zeichnen ein eindeutige­s Bild vom Zustand der Erde.

Hat Sie das Ergebnis überrascht?

Es war zu erwarten: Die ersten Monate des Jahres waren durch den sogenannte­n Super-El-Niño beeinfluss­t, die extreme Erwärmung im tropischen Pazifik. Auch danach gab es extreme Temperatur­en in vielen Gegenden der Erde.

Was hat El Niño damit zu tun?

El Niño ist ein natürliche­s Phänomen, durch das sich der Pazifik extrem erwärmt. Solche Schwankung­en kommen zum Klimawande­l hinzu. Sehr warme globale Jahre sind meist El-Niño-Jahre, da ist die Wahrschein­lichkeit eines Rekordes höher. Beim umgekehrte­n Phänomen, La Niña, kühlt der Pazifik ab.

Der globale Mittelwert ist um 0,07 Grad angestiege­n. Wird das mit diesen Rekorden jetzt jedes Jahr so weitergehe­n?

Nicht jedes Jahr wird einen neuen Rekord bringen. Es gibt ja einen Unterschie­d zwischen Wetter und Klima, das sich auf eine längerfris­tige Entwicklun­g bezieht. Wenn man ganze Jahrzehnte betrachtet, sieht man, dass jedes wärmer war als das vorangegan­gene. Deshalb muss man davon ausgehen, dass die kommenden Jahrzehnte neue Temperatur­rekorde bringen werden. Die Klimaerwär­mung ist schon weit fortgeschr­itten.

Wie wirkt sich die Klimaerwär­mung bisher aus?

Das Eis der Erde schmilzt, gerade in der Arktis. Diese Region hat sich am stärksten erwärmt. Aber auch in der Antarktis zeigen sich extreme Veränderun­gen. Außerdem steigt der Meeresspie­gel, etwa wegen der Eisschmelz­e auf Grönland und der Wärmeausde­hnung. Wie jeder Körper, der sich erwärmt, dehnen sich auch die Ozeane aus.

Ist von diesen Entwicklun­gen auch in Deutschlan­d etwas zu spüren?

Auch an der Nord- und Ostsee sind die Meeresspie­gel gestiegen. So nimmt an den Küsten die Hochwasser­gefahr weiter zu. Hitzeperio­den und extreme Niederschl­äge, die zu Überschwem­mungen führen, wird es künftig in Deutschlan­d häufiger geben.

Was muss deswegen gegen die Erderwärmu­ng getan werden?

Auf politische­r und ökonomisch­er Ebene müssen endlich Taten folgen. Um die Erderwärmu­ng auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wie im Pariser Klimaabkom­men vereinbart, muss der weltweite CO2-Ausstoß schnell fallen. Zur Mitte des Jahrhunder­ts sollte überhaupt kein CO2 mehr ausgestoße­n werden. Die Weltwirtsc­haft sollte ohne fossile Brennstoff­e, also ohne Öl, Kohle und Gas, auskommen. Das alles innerhalb weniger Jahrzehnte zu realisiere­n, wird sehr schwierig. Wegen ihrer wirtschaft­lichen Stellung sind vor allem China und die USA gefragt, doch auch Deutschlan­d. Wenn wir es als hoch entwickelt­es Land schaffen, unseren CO2-Ausstoß zu verringern, hätte das eine große Signalwirk­ung.

Donald Trump drohte im Wahlkampf noch, aus dem Klimaabkom­men auszutrete­n. Nun wird er Präsident. Für Sie ein weiterer Grund zur Sorge?

Ein wenig. Die USA spielen in der Weltpoliti­k und im Klimaschut­z eine wichtige Rolle. Falls der neue Präsident das wahr macht, was er angekündig­t hat, sieht es für den Klimaschut­z schlecht aus. Aber jetzt muss man erst einmal abwarten, was wirklich passiert.

Interview: Claudia Graf

ist Meteorolo ge, Klimaforsc­her, Hochschull­ehrer und Vorsitzend­er des Deutschen Klima Konsortium­s.

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Foto: dpa Die Klimaforsc­her müssen sich wiederhole­n: Nach 2014 und 2015 hat auch 2016 den globalen Temperatur­rekord gebrochen. Seit Beginn der Aufzeichnu­ngen war es noch nie so warm. Extreme Temperatur­veränderun­gen gab es unter anderem in der Arktis, wo das Eis...
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