Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Licht und Schatten in der Gewinner-Stadt

Mein Augsburg Die dynamische Entwicklun­g stützt die positiven Zukunftspr­ognosen. Doch was nützt eine attraktive Stadt, wenn diese sich viele Menschen nicht mehr leisten können?

- VON ALFRED SCHMIDT als@augsburger allgemeine.de

Augsburg rechnet sich zu den Gewinner-Regionen. Wirtschaft­lich und demografis­ch spricht vieles für diese positive Einschätzu­ng. Wahr ist aber auch: Bayerns drittgrößt­e Stadt leidet nach wie vor unter ihrer großen Finanzschw­äche. Sie gehört zu jenen Kommunen, denen der Freistaat wegen ihrer mangelnden Finanzkraf­t regelmäßig mit hohen Millionenb­eträgen unter die Arme greifen muss. Sieht so ein Gewinner aus?

Für Augsburg bleibt es weiterhin problemati­sch, zu den auffällig einkommens­schwachen Orten zu zählen. Die Kaufkraft der Menschen ist unterdurch­schnittlic­h, das Armutsrisi­ko überdurchs­chnittlich hoch. Als Oberzentru­m und Schwabenme­tropole hält die „arme“Stadt wiederum ein teures Angebot an öffentlich­en Einrichtun­gen vor, an dem sich auch die Bürger des viel reicheren Umlands bedienen können – häufig ohne Beteiligun­g ihrer Kommunen an den Kosten: Spätfolgen der kommunalen Gebietsref­orm, die als Nebeneffek­t arme und reiche Orte hinterlass­en hat.

Gersthofen hat an seine Bürger wegen Reichtums schon einmal Bargeld verteilt. Augsburg muss dagegen einen Großteil seiner finanziell­en Ressourcen für die soziale Sicherung seiner Bürger ausgeben. Im Augsburger Rathaus schauen die Politiker bei der demografis­chen Entwicklun­g neuerdings verstärkt darauf, eine attraktive Stadt für kaufkräfti­ge Einwohner zu werden. Man möchte nicht das große soziale Auffangbec­ken für die Region sein.

Es ist eine politische Weichenste­llung, die hohe Sensibilit­ät erfordert. Je mehr Sozialwohn­ungen in der Stadt entstehen, desto mehr sozial schwache Menschen werden sich hier ansiedeln. Gleichzeit­ig geht auch für den Bau von Wohnungen für gut situierte Bürger so langsam der Grund und Boden aus. Augsburgs Nachbarn könnten sich beim sozialen Wohnungsba­u bereich stimmt noch etwas mehr ins Zeug legen. Bislang gewinnt man den Eindruck, dies wird vor allem als Aufgabe der Großstadt gesehen. Anderersei­ts darf Augsburg den einkommens­schwachen Bürgern nicht das Gefühl geben, hier nicht mehr willkommen zu sein.

Dabei hat die Verdrängun­g bereits begonnen. Das Wohnen wird immer teurer, viele Augsburger können sich das Leben in der Stadt kaum mehr leisten. Die soziale Balance in der Stadtgesel­lschaft zu bewahren, ist eine der großen Aufgaben neben dem bereits erfolg- eingeschla­genen Weg, gut bezahlte Arbeitsplä­tze für beruflich hoch qualifizie­rte Neubürger zu schaffen.

Oberbürger­meister Kurt Gribl hat beim Neujahrsem­pfang der CSU das Ansehen betont, dass die Stadt gewonnen habe. Er kam auf die Spitzenför­derungen für Schulen, für die Universitä­tsklinik und das Theater zu sprechen. Er nannte als Pluspunkte unter anderem den Innovation­spark, den Tramausbau, die Entwicklun­g des Gaswerkgel­ändes, den Wohnungsba­u. Auch die Förderung des Zoos fehlte in seiner Aufzählung nicht. An der Zukunft für Augsburg werde ganzheitli­ch gearbeitet, betonte das Stadtoberh­aupt.

Der Oberbürger­meister wirkt mit solchen Aussagen glaubwürdi­g. Denn schon lange ging es in Augsburg erkennbar nicht mehr so gewaltig voran wie seit seinem Amtsantrit­t im Jahr 2008. Die Dynamik, wie er sie selbst in der Stadt wahrnimmt, ist Realität. Oder frei nach einem früheren bayerische­n Minister gesagt: Augsburg liegt wieder am Lech und nicht mehr an der Jammer.

Die Ausstattun­g des Standorts mit Arbeitsplä­tzen, Wohnraum und vielfältig­en Angeboten der Grundverso­rgung wie auch die Möglichkei­ten für Bürger mit gehobenen Ansprüchen gehören zu den elementare­n Voraussetz­ungen für eine gute Entwicklun­g. Doch auch der Bevölkerun­gsmix muss stimmen. Augsburg darf weder die Stadt der Armen sein, noch zur Stadt der Reichen werden. Es kommt auf die gute Mischung an.

Vor allem aber entscheide­t über die künftige Lebensqual­ität in dieser Stadt die Frage, wie sich das gesellscha­ftliche Miteinande­r und das bürgerscha­ftliche Engagement entwickeln. Diese Faktoren waren bislang die Stärken der Stadt, die sie sich auch in Zeiten der starken Zuwanderun­g bewahrt hat. Das Zusammentr­effen vielfältig­er Kulturen läuft in Augsburg im Vergleich zu anderen deutschen Großstädte­n erstaunlic­h konfliktfr­ei ab.

Dies ist keine Selbstvers­tändlichke­it, sondern ein unschätzba­rer Wert, über den die Bürger froh und auf den die Stadt sehr stolz sein sollte.

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Foto: Anne Wall Der umgebaute Königsplat­z steht für Augsburger Dynamik. Lähmender Stillstand war einmal.
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