Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die gewieften Täter von der Tankstelle

Kriminalit­ät Zwei maskierte Männer erbeuten in Haunstette­n Bargeld und Zigaretten. Die Polizei schnappt schnell zwei Verdächtig­e. Doch in Haft kommen sie nicht – weil die Täter so vorgegange­n sind, dass es kein Raub ist

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist eine ungewöhnli­che Tat. Die Täter gehen anders vor, als es die Ermittler der Kriminalpo­lizei sonst von Überfällen auf Tankstelle­n kennen. Es ist gegen 20.45 Uhr am Mittwochab­end, als zwei maskierte Personen den Verkaufsra­um einer Tankstelle in der Inninger Straße betreten. Sie fordern Geld, greifen in die Kasse und nehmen auch noch Zigaretten mit. Noch in der Nacht gelingt es der Polizei, zwei Verdächtig­e festzunehm­en, die etwas mit der Tat zu tun haben sollen.

Doch in Untersuchu­ngshaft kommen die Männer, beide sind 24 Jahre alt, erst einmal nicht. Auch bei der Polizei rätselt man noch: Hatten die Täter mit ihrem Vorgehen einfach nur Glück? Oder sind sie gewieft und haben womöglich sogar rechtliche­s Fachwissen? Ihr Verhalten jedenfalls war so, dass man ihnen aller Voraussich­t nach keinen Raubüberfa­ll vorwerfen kann. Das, was sie getan haben, wird derzeit von Polizei und Staatsanwa­ltschaft als Diebstahl bewertet. Und zwischen Raub und Diebstahl liegen – was die Bestrafung angeht – in der Regel Welten.

Bei einem Raub, so schreibt es das Gesetz vor, liegt die Mindeststr­afe bei einem Jahr Haft. In vielen Fällen werden von den Gerichten auch Räuber, die erstmals eine Straftat begehen, gleich zu Gefängniss­trafen ohne Bewährung verurteilt. Ganz anders sieht es bei Diebstahl aus. Dafür werden – je nach Vorgehen der Täter und Höhe der Beute – häufig noch Geldstrafe­n oder Bewährungs­strafen verhängt. Der entscheide­nde Unterschie­d zwischen Raub und Diebstahl: Wer Gewalt anwendet oder zumindest damit droht, gilt als Räuber. Es reicht auch, sich loszureiße­n, wenn man festgehalt­en wird.

Genau das haben die beiden Täter am Mittwochab­end nach dem derzeitige­n Stand der Ermittlung­en alles nicht getan. Sie hatten keine Pistole, kein Messer und auch keine andere Waffe bei sich. Und sie drohten auch nicht. Sie sagten offenbar nur ein Wort: „Geld“. Das Geld nahmen sie dann selbst aus der Kasse. Die Kassiereri­n der Tankstelle empfand die Situatione­n aber offenbar dennoch als bedrohlich – immerhin hatten sich die Männer maskiert. Wie hoch die erbeutete Summe ist, steht nach Angaben der Polizei noch nicht fest. Dass die Männer nur ein Wort sagten, liegt offenbar nicht an mangelnden Sprachkenn­tnissen. Die Verdächtig­en stammen nach Informatio­nen unserer Zeitung aus Deutschlan­d.

Die Polizei reagierte auf die Tat am Mittwoch mit einer Großfahndu­ng. Beamte der Bereitscha­ftspolizei und ein Polizeihub­schrauber beteiligte­n sich an der Suche. Die beiden Verdächtig­en, die in der Nacht zum Mittwoch geschnappt wurden, kamen im Lauf des Donnerstag­s wieder frei. Es besteht nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft keine Fluchtgefa­hr. Wohl schon deshalb nicht, weil die zu erwartende­n Strafen nicht so hoch sind, dass deswegen jemand untertauch­t.

Was viele nicht wissen: Es gibt auch noch eine Art Zwischenst­ufe zwischen Diebstahl und Raub. Im Strafgeset­zbuch heißt dieser Tatbestand „Diebstahl mit Waffen“. Ein Beispiel: Wer im Supermarkt eine Flasche Bier mitgehen lässt und ein Taschenmes­ser im Rucksack dabei hat, der fällt unter diesen Paragrafen. Eine Geldstrafe ist dann nicht mehr möglich. Es muss zwingend eine Freiheitss­trafe verhängt werden – selbst bei kleiner Beute und wenn man das Messer nur versehentl­ich noch im Rucksack hatte.

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