Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die gewieften Täter von der Tankstelle
Kriminalität Zwei maskierte Männer erbeuten in Haunstetten Bargeld und Zigaretten. Die Polizei schnappt schnell zwei Verdächtige. Doch in Haft kommen sie nicht – weil die Täter so vorgegangen sind, dass es kein Raub ist
Es ist eine ungewöhnliche Tat. Die Täter gehen anders vor, als es die Ermittler der Kriminalpolizei sonst von Überfällen auf Tankstellen kennen. Es ist gegen 20.45 Uhr am Mittwochabend, als zwei maskierte Personen den Verkaufsraum einer Tankstelle in der Inninger Straße betreten. Sie fordern Geld, greifen in die Kasse und nehmen auch noch Zigaretten mit. Noch in der Nacht gelingt es der Polizei, zwei Verdächtige festzunehmen, die etwas mit der Tat zu tun haben sollen.
Doch in Untersuchungshaft kommen die Männer, beide sind 24 Jahre alt, erst einmal nicht. Auch bei der Polizei rätselt man noch: Hatten die Täter mit ihrem Vorgehen einfach nur Glück? Oder sind sie gewieft und haben womöglich sogar rechtliches Fachwissen? Ihr Verhalten jedenfalls war so, dass man ihnen aller Voraussicht nach keinen Raubüberfall vorwerfen kann. Das, was sie getan haben, wird derzeit von Polizei und Staatsanwaltschaft als Diebstahl bewertet. Und zwischen Raub und Diebstahl liegen – was die Bestrafung angeht – in der Regel Welten.
Bei einem Raub, so schreibt es das Gesetz vor, liegt die Mindeststrafe bei einem Jahr Haft. In vielen Fällen werden von den Gerichten auch Räuber, die erstmals eine Straftat begehen, gleich zu Gefängnisstrafen ohne Bewährung verurteilt. Ganz anders sieht es bei Diebstahl aus. Dafür werden – je nach Vorgehen der Täter und Höhe der Beute – häufig noch Geldstrafen oder Bewährungsstrafen verhängt. Der entscheidende Unterschied zwischen Raub und Diebstahl: Wer Gewalt anwendet oder zumindest damit droht, gilt als Räuber. Es reicht auch, sich loszureißen, wenn man festgehalten wird.
Genau das haben die beiden Täter am Mittwochabend nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen alles nicht getan. Sie hatten keine Pistole, kein Messer und auch keine andere Waffe bei sich. Und sie drohten auch nicht. Sie sagten offenbar nur ein Wort: „Geld“. Das Geld nahmen sie dann selbst aus der Kasse. Die Kassiererin der Tankstelle empfand die Situationen aber offenbar dennoch als bedrohlich – immerhin hatten sich die Männer maskiert. Wie hoch die erbeutete Summe ist, steht nach Angaben der Polizei noch nicht fest. Dass die Männer nur ein Wort sagten, liegt offenbar nicht an mangelnden Sprachkenntnissen. Die Verdächtigen stammen nach Informationen unserer Zeitung aus Deutschland.
Die Polizei reagierte auf die Tat am Mittwoch mit einer Großfahndung. Beamte der Bereitschaftspolizei und ein Polizeihubschrauber beteiligten sich an der Suche. Die beiden Verdächtigen, die in der Nacht zum Mittwoch geschnappt wurden, kamen im Lauf des Donnerstags wieder frei. Es besteht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft keine Fluchtgefahr. Wohl schon deshalb nicht, weil die zu erwartenden Strafen nicht so hoch sind, dass deswegen jemand untertaucht.
Was viele nicht wissen: Es gibt auch noch eine Art Zwischenstufe zwischen Diebstahl und Raub. Im Strafgesetzbuch heißt dieser Tatbestand „Diebstahl mit Waffen“. Ein Beispiel: Wer im Supermarkt eine Flasche Bier mitgehen lässt und ein Taschenmesser im Rucksack dabei hat, der fällt unter diesen Paragrafen. Eine Geldstrafe ist dann nicht mehr möglich. Es muss zwingend eine Freiheitsstrafe verhängt werden – selbst bei kleiner Beute und wenn man das Messer nur versehentlich noch im Rucksack hatte.