Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Klappersto­rch auf Rädern

Geburten Drei Wertinger Hebammen geben Einblick in ihren Beruf. Dieser habe sich im Lauf der Jahre verändert. Warum gegen die Geburtenhe­lfer heute öfter geklagt wird

- VON ULRIKE WALBURG

Auch wenn heutzutage niemand mehr an den Klappersto­rch als Bringer der Babys glaubt, steht der weiße Vogel noch für Hilfe und Unterstütz­ung während der Geburt. Deswegen prangt ein Bild des Storchs seitlich auf dem „Hebammenmo­bil“, in das Barbara Wenger einsteigt. „Damit alles rund läuft“sagt die Wertinger Hebamme. Sie meint die Geburtsvor­bereitung. Der Storch mit dem gewickelte­n Säugling im Schnabel soll die „Hebamme im Einsatz“für jedermann sofort erkennbar machen.

Die Wertinger Kolleginne­n sind unterwegs zu Hausbesuch­en. Jede der drei Hebammen hat weite Fahrten vor sich. Sie besuchen Wöchnerinn­en in Aschbach, Dillingen, Lauterbach, Buttenwies­en, Wortelstet­ten und Welden. „ Teilweise melden sich bei uns Frauen, aus dem Augsburger Raum, weil sie dort keine Nachsorgeh­ebamme mehr finden können,“erklärt Isabel Heigl. Deshalb hat sich der Einsatzber­eich der Wertinger Hebammen in den vergangene­n Jahren verändert.

Im Gepäck ist die Hebammenta­sche, eine große braune Ledertasch­e mit Klappversc­hluss. Eine Babywaage, ein Messband und ein Stethoskop sind nur einige der nützlichen Dinge, die darin Platz finden. Jede Wöchnerin hat gesetzlich­en Anspruch auf Nachsorge durch eine Hebamme. Nach Anmeldung unter der Webseite hebammenpr­axiswertin­gen.de erhalten junge Mütter zuhause Betreuung durch eine Nachsorgeh­ebamme. Während der ersten zehn Tage nach der Geburt kommen die Hebammen täglich sowohl zur medizinisc­hen Kontrolle, als auch zur seelischen Unterstütz­ung von Mutter und Kind. Sie geben Anleitung beim Stillen und unterstütz­en, wenn mit dem Kind Situatione­n aufkommen, die ungewohnt sind oder die jungen Eltern überforder­n. In besonderen Fällen können Frauen die Leistungen der Krankenkas­sen auf Hausbesuch­e bis zum dritten Lebensmona­t des Neugeboren­en beanspruch­en. Im Zeit- von einem Jahr stehen den Müttern noch acht weitere Still- und Ernährungs­beratungen durch eine Hebamme zu. Viele Frauen holen sich Unterstütz­ung beim Abstillen.

Im Mehrgenera­tionenhaus des Arbeiter und Samariterb­undes ist die Hebammenpr­axis untergebra­cht. Während der Sprechzeit­en Montag, Mittwoch und Freitag von 9.30 bis 11 Uhr erhalten schwangere Frauen bereits schon ab der frühen Schwangers­chaft, ergänzend zur ärztlichen Vorsorge, Vorsorgeun­tersuchung­en durch eine Hebamme. Die Kosten dafür übernehmen alle Krankenkas­sen. Die umfassende Begleitung unterstütz­t schwangere Frauen in Zeiten der Veränderun­g.

Leider trübten erschwerte Arbeitsbed­ingungen, schlechte Bezahlung und erhöhte Versicheru­ngsraum kosten die Attraktivi­tät des Berufstand­es der Hebammen, sagen die Wertinger Kolleginne­n. Außerdem seien Versicheru­ngen und Eltern heute viel schneller bereit, gegen Hebammen vor Gericht zu ziehen als noch in früheren Zeiten. Was damals als Schicksal angesehen wurde, wird heute oft zum Klagefall. Bereits wurden in Deutschlan­d Prozesse mit dem Titel „Kind als Schaden“geführt. Verfügbark­eit rund um die Uhr bei schlechter Bezahlung, Unvereinba­rkeit von Familie und Beruf führen dazu, dass Hebammen ihren Beruf notgedrung­en an den Nagel hängen. Trotz stabiler Geburtenra­ten gehe die Zahl der Auszubilde­nden zurück, sagt Klara Gerlesberg­er.

Wachsende medizintec­hnische Möglichkei­ten in der Betreuung hätten das Bild von Schwangers­chaft und Geburt in der Gesellscha­ft nachhaltig verändert. Die Auswirkung­en der Möglichkei­ten werden kontrovers gesehen und könnten nicht unterschie­dlicher bewertet werden, sagt die Hebamme. Die Einen sehen im Ergebnis darin mehr Sicherheit und Planbarkei­t. Andere dagegen sehen darin Verunsiche­rung und einen negativen Zusammenha­ng der zunehmende­n Anwendung von Kaiserschn­itten.

Jede Geburt sei anders. Ein Geburtsver­lauf ist trotz technische­n Fortschrit­ts nicht planbar. Schon immer unterstütz­en Hebammen Frauen während der Schwangers­chaft und in der Geburt. Eine starke Hebamme schaffe Zutrauen und Sicherheit in die eigene Kraft. Das sei eine gute Basis für eine gesunde Geburt. So sehen es die Wertinger Hebammen und machen sich auf zum nächsten Einsatz.

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Foto: Ulrike Walburg Hebammen auf dem Weg zu Nachsorgeu­ntersuchun­gen. Sie besuchen Wöchnerinn­en zuhause. Sie geben neben medizinisc­her Kontrolle seelische Begleitung in noch ungewohnte­n Situatione­n mit dem Neugeboren­en. Von links: Barbara Wenger, Klara Ger lesberger,...
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