Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Die ganze Bayern SPD steht im Feuer“

Interview Bei den Sozialdemo­kraten gärt es. Doch Parteichef Florian Pronold will sich der Debatte stellen. Er kritisiert interne „Heckenschü­tzen“und sieht keine personelle­n Alternativ­en

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Herr Pronold, Sie stehen als SPDLandesv­orsitzende­r gewaltig im Feuer – 14-Prozent-Umfrage, Gerüchte, versteckte Kritik, heimliche Personalde­batten. Was tun Sie?

Die ganze Bayern-SPD steht im Feuer. Angesichts der 14 Prozent ist das keine Überraschu­ng. Wir müssen uns schonungsl­os mit der Situation auseinande­rsetzen, sonst bekommen wir ernste, dauerhafte Probleme. Ich werde dem Landesvors­tand deshalb vorschlage­n, dass wir zusammen mit unseren Mitglieder­n in Konferenze­n diskutiere­n, was wir anpacken und verändern müssen.

Haben Sie da eine Idee? Wie sollte die Reaktion Ihrer Partei aussehen?

Wir brauchen eine Debatte mit offenem Visier. Zurzeit sind zu viele Heckenschü­tzen unterwegs, die dem Vorstand über Zeitung und Facebook anonym mitteilen, was alles nicht geht. Ich sage: Das macht die SPD kaputt. Wir kommen nur mit Solidaritä­t und mit klaren politische­n Positionen aus der Situation raus. Das ist die alte Stärke der SPD.

Sie fordern also eine offene Diskussion. Haben Sie auch eine Antwort auf die Frage, mit wem?

Es geht nur gemeinsam. Wir haben auch gemeinsam den Abwärtstre­nd der Bayern-SPD gestoppt. Bei den letzten drei Wahlen hat die Bayern-SPD Mandate hinzugewon­nen: sechs im Bundestag, drei im Landtag. Und auch bei der Europawahl haben wir zugelegt. Wir haben die Finanzen des Landesverb­ands geordnet, unseren Internet-Auftritt und die Öffentlich­keitsarbei­t reformiert und den Politische­n Aschermitt­woch auf ein Niveau gehoben, das vorher nicht denkbar war. Der Glaube, eine einzelne Person könnte es richten, der wird immer wieder enttäuscht.

Zuletzt war das als SPD-Spitzenkan­didat der frühere Münchner OB Christian Ude. Er sagte nach der Wahl, die Bayern-SPD werde sich noch wundern, wie gut sein Ergebnis gewesen ist. Die Umfragen scheinen ihm recht zu geben.

Umfragen sind Momentaufn­ahmen, die ich wahrnehmen muss. Bei den letzten Wahlen hat sich aber auch gezeigt, dass viele Menschen anders entschiede­n haben als in den Umfragen zuvor. Klar ist: Die SPD steht in Deutschlan­d wie in Bayern vor immensen Herausford­erungen. Wenn wir sie nicht annehmen, geben wir den Rechtspopu­listen Raum. Das muss die SPD mit aller Macht verhindern. Es ist unsere historisch­e Aufgabe, für Freiheit, Recht und Demokratie einzutrete­n. Die Leute spüren das übrigens: Am Tag nach der Wahl Trumps in den USA sind bei uns online 300 neue Mitglieder eingetrete­n.

Im Ernst? Hält dieser Trend an?

Nein, leider nicht in diesem Ausmaß. Aber überall, wo ich hinkomme, erlebe ich Menschen, die aufstehen und sagen, wir müssen Demokratie und Rechtsstaa­t verteidige­n. Ich sage: Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern müssen den Hintern hochkriege­n.

Werden Sie in der Partei noch gehört? Ein Teil der Kritik richtet sich ja auch gegen Sie als Landesvors­itzender?

Offen für Kritik bin ich immer. Sie sollte aber direkt vorge- bracht werden, von Angesicht zu Angesicht. Das ist zuletzt weder im Landesvors­tand noch bei der Klausur der Landtagsfr­aktion geschehen. Also: Wenn es ernst zu nehmende personelle Alternativ­en gibt, dann her damit. Dann reden wir über Konzepte und dann werden wir sehen, wer sich demokratis­ch durchsetzt. Ganz ehrlich: Nur eine solidarisc­he, offene und nach vorne gerichtete Debatte kann die SPD wieder stark machen.

Aus aktuellem Anlass: Wie sehen Sie Martin Schulz’ Kanzlerkan­didatur?

Martin Schulz ist der bessere Kanzler. Er wird den sozialen Zusammenha­lt in unserer Gesellscha­ft stärken. Martin Schulz steht für einen klaren Kurs, für eine sozial gerechte Marktwirts­chaft. Sigmar Gabriel zeigt mit seinem Verzicht auf die Kandidatur bemerkensw­erte Größe und stellt sich zugleich in den Dienst der Partei und des Landes.

Interview: Uli Bachmeier

44, stammt aus Deggendorf. Er ist seit Juli 2009 Vorsitzend­er der SPD in Bayern und seit 2013 Baustaatss­ekretär im Bundesumwe­ltminister­ium.

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