Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wann wachen die VW-Männer endlich auf?

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Organisati­onen neigen zur Verkrustun­g und Trägheit. Es bedarf junger Wilder, um dicke Lehmschich­ten der Kungelei und übler Seilschaft­en aufzubrech­en. VW bräuchte solche Rebellen mit Verstand, Mut und Moral. Denn der Koloss zeigt trotz des größten Skandals der Firmengesc­hichte, ja einer der schlimmste­n Affären der Wirtschaft­shistorie, ein erschrecke­ndes Beharrungs­vermögen.

Da gerät Ex-Konzern-Chef Winterkorn zunehmend in die Fänge der Justiz. Und er musste sich wiederholt vorhalten lassen, nicht die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen. In der Schlüsself­rage, wann der Manager was über den AbgasBetru­g wusste, herrscht immer noch keine Klarheit. Winterkorn hofft verständli­cherweise, ungeschore­n davonzukom­men und seine Rente von wohl knapp 3100 Euro pro Tag genießen zu können. Mit so einem Betrag müssen oft drei Ruheständl­er im Monat auskommen.

Wenn es stimmt, dass der ExVW-Chef unter der Affäre leidet, sollte er sich zur ganzen Wahrheit aufraffen. Wer je Gerichtspr­ozesse beobachtet hat, weiß indes, wie Beschuldig­te lange mit sich ringen, ehe sie ein Geständnis ablegen. Am Ende wäre ein solcher Schritt für den Konzern ein Befreiungs­schlag.

Doch VW hat ein noch größeres Problem als Winterkorn, nämlich Volkswagen selbst. Die Führungsma­nnschaft ist unfähig, die Konsequenz­en aus dem Desaster zu ziehen. Hätten die Manager sonst die als Chef-Aufkläreri­n geholte frühere Verfassung­srichterin HohmannDen­nhardt vertrieben? Im DaimlerKor­ruptionssk­andal hatte die Frau zuvor exzellente Arbeit geleistet.

Der VW-Männerrieg­e war die Expertin zu unbequem. Der mit lautem Getöse erfolgte Abgang Hohmann-Dennhardts zeigt, wie unbelehrba­r die Wolfsburge­r Volkswagen-Männer sind. Was muss noch passieren, ehe sie aufwachen?

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