Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Es flimmert, gleißt und tost
Konzert „Zukunft(s)Musik“im MAN–Museum führt ins pulsierende Großstadtleben
„Kommentare“war das Konzert der Augsburger Philharmoniker in der Reihe „Zukunft(s)Musik“überschrieben. Im MAN-Museum schienen sich solche Kommentare als eine Art Rückblick auf traditionelle Genres der klingenden Kunst zu beziehen: Reflexe auf Tänze, auf die klassische Liedkunst, sogar direkt auf ein Meisterwerk, nämlich auf das wunderbare Panorama „Bilder einer Ausstellung“von Mussorgsky/Ravel, in dem die Hörer mit den Musikern von einem Schauplatz zum andern wandern.
Um mit dieser Komposition zu beginnen, „Légendes urbaines“, also etwa „Stadtgeschichten“, dem Hauptwerk des Abends: Die deutsche Erstaufführung von Tristan Murail (*1947) spiegelte im Grund in erweiterter Form die Tonsprache der vorangegangenen Zukunft(s)Musiken wieder. Ein Orchester in größerer Kammerbesetzung war angetreten, mit einem Streichquartett, einem weiteren Cello mit Kontrabass vereint, ausbalancierte Gruppen mit Holz- und Blechbläsern, Klavier, Harfe, exotisches Schlagwerk mit fantasievollen Geräusch-Instrumenten, dazu im Rückraum auf der Galerie als FernEnsemble eine Sonder-Phalanx mit Blechbläsern – dies alles wurde zu einem eindrucksvollen Klangerlebnis.
Gleißende, flimmernde, tosende „Promenaden“, wie bei Mussorgsky, führten von einem Schauplatz zum andern, in einem fiktiven New York. Doch die Titel von „Staten Island Ferry / Central Park at Twilight / Sunday Joggers“bis zu „George Washington Bridge“ließen auch andere Assoziationen aufkommen. Der wundersame Ton-Collagen-Trip mit fast unhörbaren Pianissimo-Lauten, anschwellenden, hart metallischen Crescendi, mit sanft verwehenden Streicher-Reminiszenzen, glitzernden Klavier- und Harfentupfern oder Bläser-Klagen wusste der Schweizer Gastdirigent und Neue-Musik-Spezialist Thomas Herzog mit Umsicht zu steuern. Und die Augsburger Philharmoniker gingen mit begeisterndem Können und Konzentration diese abenteuerliche Klangreise mit – ein Abenteuer, das seine Wirkung vor allem daraus bezieht, dass das scheinbar eruptive Gemenge auf präziser Einhaltung der Metrik beruht.
Vorangegangen war die Komposition „AZ für Ensemble“von Mark André (*1964): ineinanderfließende Miniaturen, die als Zwischenspiel für die szenische Aufführung von Schuberts „Winterreise“komponiert wurden, aber auch selbstständig funktionieren. Sie verbreitete tatsächlich, zwischen den kalten Maschinen-Denkmalen des MANMuseums, eine eisig-glitzernde Stimmung.
Eingeleitet wurde der ungewöhnliche Abend mit „Fiktive Tänze“von Arnulf Herrmann (*1968). Es ist im Grund ein – für den Hörer! – amüsanter musikalischer Spaß, mit seiner Verzerrung, der Karikatur, den virtuosen Taktwechseln, den teuflisch angedeuteten Synkopen. Den Musikern wird dabei ein Höchstmaß an metrischer Feinarbeit abverlangt – es war bravourös.