Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vom Ruhm des Erstlings
Hut ab vor Brecht! 24 Jahre jung war der Augsburger Dichter, als er 1922 den Kleist-Preis erhielt. Kein anderer Literat in der langen Liste dieses Preises für „einen aufstrebenden Dichter“hat einen so frühen Start hingelegt. Preisträger Carl Zuckmayer (1925) war 29, Anna Seghers (1928) 28 und Ödön von Horváth (1931) 30 Jahre alt. Sie standen auch noch am Anfang einer Karriere, könnte man hier einwerfen. Tatsächlich hatten sich alle vier in den folgenden Jahrzehnten künstlerisch prächtig entwickelt.
Es gehört ein sicheres Urteil dazu, um high potentials – wie man in der Managersprache junge Talente heute nennt –, zu identifizieren. Die Anlagen mögen vorhanden sein, doch gelangen sie zur Blüte und verstetigt sich die kreative Fruchtbarkeit? Ein gewisses Risiko bleibt bestehen, vereinzelt eine Enttäuschung zu erleben. Dessen muss sich bewusst sein, wer junge Preisträger fordert. Dafür kann der Auslober mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ehre einfahren, als erster erkannt zu haben, was im werdenden Künstler steckt.
Im Falle einer Stadt ist dieser Vorzug nicht gering zu veranschlagen. Denn Preise für allerlei künstlerisches Tun, vergeben zumeist mit der unlauteren Absicht des Stadtmarketings, gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Und die Düne wird immer höher aufgeschüttet. Ein paar Tausender aus der Stadtkasse für die Dotation des Preises und den obligaten Festakt sind bestens angelegt für eine Imagekampagne, die idealerweise durch den gesamten deutschen Blätterwald rauscht.
Allenfalls muss die Preisjury einer ahnungslosen Öffentlichkeit eben glaubhaft versichern, sie habe einen dicken Fisch an der Angel, der ganz bestimmt das Zeug zum Weiterwachsen hat. In Erwägung dieser Umstände (wie ich mit von B.B. gemerkt habe) liegt Kulturreferent Thomas Weitzel nicht falsch mit seiner Forderung, den Augsburger Brecht-Preis nicht mehr an graue Häupter, sondern an frisch sprießende Laureaten zu verleihen.