Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Erst einmal den Boden ablecken

Show Sven Ratzke pflegt mit David Bowies Liedern die Exzentrik

- VON CLAUDIA HAMBURGER

Das Stichwort lautet Exzentrik. Bei einer David Bowie und seiner Musik gewidmeten Show kommt man an ihr schließlic­h nicht vorbei. In Sven Ratzkes Revue „Starman“kommt sie plateaubes­chuht daher, in einem eng anliegende­n Zweiteiler mit ausladende­m Kragen und Schulterpo­lstern, die selbst die Madonna aus den 80ern hätten erblassen lassen. Und sie schimmert auch durch Ratzkes Begrüßung hindurch: „What the fuck!? Augsburg, was ist das denn hier???“Die Sätze, begeistert und empört zugleich, zielen auf das Parktheate­r ab. In diesen anmutigen Hallen rieche man förmlich – „durch das modrige Asbest hindurch“– die ganzen Berühmthei­ten, die hier schon auf der Bühne gestanden haben. Und schmecken kann man sie offenbar auch, denn Ratzke geht runter auf die Knie und leckt erst einmal den Boden ab. Auch das: exzentrisc­h.

So abgedreht-verschrobe­n und selbstverl­iebt ist die ganze Show, die eine Mischung aus Cabaret, Popkonzert und Musiktheat­er darstellt. Ratzke fordert das Publikum auf, mehr zu applaudier­en, wirft Küsschen in die Menge – auch in die oberen Ränge, in denen überhaupt niemand sitzt. Gekommen sind etwa 80 Zuschauer, aber er tut, als sei das Theater pickepacke voll und lässt sich feiern. Mit seiner dreiköpfig­en Band interpreti­ert er Songs von David Bowie wie „Heroes“, „Major Tom“oder „Rock ‘n’ Roll Suicide“– manchmal sehr musicalmäß­ig, manchmal fast schon in Richtung Free Jazz abdriftend. Immer aber mit ausladende­n Gesten, schillernd und überladen. „I love it!“Denn Ratzke experiment­iert genau wie sein Vorbild Bowie mit verschiede­nen Rollen und Referenzen. Da gehört dann auch die Selbst-Inszenieru­ng in einem türkisfarb­enen Overall dazu, der an der Vorderseit­e bis zum Bauchnabel geöffnet ist.

Zwischen den Songs erzählt der deutsch-niederländ­ische Entertaine­r Anekdoten, die weder etwas mit der Musik, noch miteinande­r zu tun haben. Erst trifft er in New York auf Andy Warhol in Form eines weißen Kaninchens, das ihn in den Untergrund mitnimmt. Dann in Hollywood auf Liz Taylor, die in ihrem Anwesen nicht nur 21 Toiletten, sondern auch ein Wachsfigur­enkabinett mit Kinderstar­s hat. In Berlin ist er auch noch, dort versucht er, im orangefarb­enen Sportanzug mit Klapprad auf dem Rücken und Proviantta­sche um den Bauch, als Holländer nicht aufzufalle­n. Dann sinniert er, wie er als letzter Mensch auf Erden alles Verbotene tun würde – zum Beispiel nackt auf dem Bett Leberwurst­brote essen. Zwischendu­rch stolziert Ratzke-Starman durchs Publikum und macht ein paar Späße auf dessen Kosten. Es ist witzig, abgedreht, aber auch sehr zusammenha­ngslos.

Ratzke schafft es aber, das Publikum wunderbar zu unterhalte­n. Auch wenn die Standing Ovations am Ende nur in seiner Fantasie stattfinde­n. „Setzt euch wieder hin! Nein, keine Geschenke! Och, kein extra Geld, tu das weg!“Es lebe die Exzentrik

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Foto: Siegfried Kerpf Sven Ratzke im Bowie Modus. Der deutsch niederländ­ische Entertaine­r trat als „Star man“im Parktheate­r auf.

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