Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mit dem Sarg ins Paradies
Hoffmannkeller Wie Regisseur Richard Wagner einer düsteren Erzählung Dostojewskis Humor abgewinnt
Die Welt ist ihm „einerlei“. Und doch spürt man: Dem jungen Mann (Sebastian Baumgart), der da im Hofmannkeller steif mit seinem geschmeidigem Alter Ego (Katrin Schafitel) im Rücken deklamiert, ist nichts egal. Er ist vielmehr verzweifelt, zutiefst verletzt. Denn seit seiner Geburt ist er lächerlich und weiß das. Andererseits: Jetzt nennen ihn die Menschen nicht mehr lächerlich, sondern verrückt. Darüber muss er sich nicht mehr so ärgern.
Die Inszenierung von „Der Traum eines lächerlichen Menschen“(nach einer Erzählung von Fjodor Dostojewski) zieht die Zuschauer in das düstere Psychogramm des Ich-Erzählers. Das musikalische Intro, eine Collage aus Mozarts Requiem und deutschem Hip-Hop, bereitet schon auf die folgenden Stimmungsschwankungen vor. Richard Wagner hat einige Brechungen gewagt in seinem Regiedebüt: Das karge Bühnenbild zieren ein schwarzer Sarg auf Schaukelkufen, eine Handlaterne, ein Metronom und rote Glitzerschuhe. Dem einsamen Long-Distance-Erzähler Dostojewskis gesellt er eine Tänzerin bei, die nicht nur seine Seelenzustände spiegelt, sondern auch die Nebenfiguren mimt. Auf ein Mädchen trifft er in den Straßen von St. Petersburg. Es trägt ein weißes Kleid und bittet ihn um Hilfe. Doch er weigert sich, konzentriert sich auf den Revolver, den er für seinen Suizid gekauft hat. Schließlich die Eruption: Er stampft auf, schreit das Mädchen an. Es flieht.
Auch sein Zuhause ist trist. Er wohnt in einer schäbigen Dachwohnung. Nur für den grünen Lehnsessel, der als Miniaturformat in einem Viereck auf dem kargen Boden steht, kann er sich begeistern. Dort schläft er schließlich ein, obwohl er schon seit einem Jahr nicht mehr geschlafen hat. Im Traum schafft er es, sich zu erschießen. Elegant hievt er sich mit einer Rolle vorwärts in den schaukelnden Sarg. Am anderen Ende schauen die schwarzen Lackschuhe raus. Seinem Redefluss tut das keinen Abbruch. „Träume kommen nicht vom Kopf, sondern vom Herzen“, fährt er unter dem Deckel fort. Schließlich geht es auf dem Sarg durch den rot flatternden Kosmos zu einer anderen, paradiesischen Erde. Die Menschen hier sind glücklich, ein Mädchen bläst Seifenblasen. Doch er bringt Lügen und Neid auf diese Welt. Selbst dem Vogelgezwitscher, zu dem er schließlich erwacht, dreht er den Hahn ab.
Zu kurzer Sarg, Glockenspiel mit übergroßer Schlaflampe, Seifenblasen, Pfeifen fürs Vogelgezwitscher – diese Details, vor allem aber auch die körperlichen und mimischen Leistungen der beiden Darsteller prägen diese fantasievoll assoziierende, humorvolle Inszenierung. Ein gelungenes, intimes und unglaublich emotionales Stück. O
Termine Die Vorstellungen im Februar sind ausverkauft, weitere Termine im März sind geplant.