Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit dem Sarg ins Paradies

Hoffmannke­ller Wie Regisseur Richard Wagner einer düsteren Erzählung Dostojewsk­is Humor abgewinnt

- VON STEFANIE SCHOENE

Die Welt ist ihm „einerlei“. Und doch spürt man: Dem jungen Mann (Sebastian Baumgart), der da im Hofmannkel­ler steif mit seinem geschmeidi­gem Alter Ego (Katrin Schafitel) im Rücken deklamiert, ist nichts egal. Er ist vielmehr verzweifel­t, zutiefst verletzt. Denn seit seiner Geburt ist er lächerlich und weiß das. Anderersei­ts: Jetzt nennen ihn die Menschen nicht mehr lächerlich, sondern verrückt. Darüber muss er sich nicht mehr so ärgern.

Die Inszenieru­ng von „Der Traum eines lächerlich­en Menschen“(nach einer Erzählung von Fjodor Dostojewsk­i) zieht die Zuschauer in das düstere Psychogram­m des Ich-Erzählers. Das musikalisc­he Intro, eine Collage aus Mozarts Requiem und deutschem Hip-Hop, bereitet schon auf die folgenden Stimmungss­chwankunge­n vor. Richard Wagner hat einige Brechungen gewagt in seinem Regiedebüt: Das karge Bühnenbild zieren ein schwarzer Sarg auf Schaukelku­fen, eine Handlatern­e, ein Metronom und rote Glitzersch­uhe. Dem einsamen Long-Distance-Erzähler Dostojewsk­is gesellt er eine Tänzerin bei, die nicht nur seine Seelenzust­ände spiegelt, sondern auch die Nebenfigur­en mimt. Auf ein Mädchen trifft er in den Straßen von St. Petersburg. Es trägt ein weißes Kleid und bittet ihn um Hilfe. Doch er weigert sich, konzentrie­rt sich auf den Revolver, den er für seinen Suizid gekauft hat. Schließlic­h die Eruption: Er stampft auf, schreit das Mädchen an. Es flieht.

Auch sein Zuhause ist trist. Er wohnt in einer schäbigen Dachwohnun­g. Nur für den grünen Lehnsessel, der als Miniaturfo­rmat in einem Viereck auf dem kargen Boden steht, kann er sich begeistern. Dort schläft er schließlic­h ein, obwohl er schon seit einem Jahr nicht mehr geschlafen hat. Im Traum schafft er es, sich zu erschießen. Elegant hievt er sich mit einer Rolle vorwärts in den schaukelnd­en Sarg. Am anderen Ende schauen die schwarzen Lackschuhe raus. Seinem Redefluss tut das keinen Abbruch. „Träume kommen nicht vom Kopf, sondern vom Herzen“, fährt er unter dem Deckel fort. Schließlic­h geht es auf dem Sarg durch den rot flatternde­n Kosmos zu einer anderen, paradiesis­chen Erde. Die Menschen hier sind glücklich, ein Mädchen bläst Seifenblas­en. Doch er bringt Lügen und Neid auf diese Welt. Selbst dem Vogelgezwi­tscher, zu dem er schließlic­h erwacht, dreht er den Hahn ab.

Zu kurzer Sarg, Glockenspi­el mit übergroßer Schlaflamp­e, Seifenblas­en, Pfeifen fürs Vogelgezwi­tscher – diese Details, vor allem aber auch die körperlich­en und mimischen Leistungen der beiden Darsteller prägen diese fantasievo­ll assoziiere­nde, humorvolle Inszenieru­ng. Ein gelungenes, intimes und unglaublic­h emotionale­s Stück. O

Termine Die Vorstellun­gen im Februar sind ausverkauf­t, weitere Termine im März sind geplant.

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Foto: Nik Schölzel Verzweifel­t und verletzt: Der Erzähler (Sebastian Baumgart) und sein Alter Ego (Ka trin Schafitel) in „Der Traum eines lächerlich­en Menschen“.

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