Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Krankenkas­se stieß auf Ungereimth­eiten

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Sie habe die Patienten selbst besucht und keinerlei Anlass gehabt, an der Richtigkei­t der Leistungsn­achweise zu zweifeln.

Die Münchner Knappschaf­tskasse war es, die 2012 auf Ungereimth­eiten in den Abrechnung­en stieß. Der Leiter der Pflegebera­tung der Kasse berichtet dem Gericht von einem plötzliche­n ungewöhnli­chen Anstieg der Mitglieder aus Augsburg: „Auf einem Schlag wechselten über 30 ältere Leute, die zuvor bei der AOK versichert waren, zu uns. Alle waren vom selben Pflegedien­st betreut worden.“Bald tauchten Verdachtsm­omente auf. Nach einem Quartal rechnete der Pflegedien­st zusätzlich­e Verordnung­en für die Patienten ab. „Die waren auf einmal kränker als vorher“, so der Zeuge. Und die Kasse bemerkte, dass zum Beispiel Insulininj­ektionen in den Leistungsn­achweisen vermerkt waren, obwohl der Pflegedien­st keine Rezepte für das Insulin mit einer Apotheke abgerechne­t hatte. Auch tauchte in den Abrechnung­en das An- und Ausziehen von Kompressio­nsstrümpfe­n auf, obwohl das Unternehme­n keine Strümpfe aus dem Handel bezogen hatte. Um dem Verdacht auf Manipulati­onen nachzugehe­n, besuchten Pflegebera­ter der Kasse mehrere Patienten. Der Zeuge: „Zwei Patienten bestätigte­n, dass sie gar kein Insulin bekamen. Sie hatten die Leistungsn­achweise blanko unterschri­eben.“Der Kassenvert­reter vermutet, dass der Hausarzt gemeinsame Sache mit dem Pflegedien­st gemacht und falsche Verordnung­en ausgestell­t hat.

In den folgenden Prozesstag­en am 1. und 3. Februar wird das Gericht jeden einzelnen der 108 angeklagte­n Betrugsfäl­le aufrollen. Dabei sollen Ermittler des Medizinisc­hen Dienstes der Krankenkas­sen und etliche Patienten des Pflegedien­stes vernommen werden. Gegen mehrere Mitarbeite­r des Dienstes wird derzeit noch wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug ermittelt. Sie haben als Beschuldig­te derzeit ein Aussagever­weigerungs­recht. Der Prozess gegen sie wird aber nur dann stattfinde­n, falls das derzeitige Verfahren gegen den Geschäftsf­ührer und die Pflegedien­stleiterin mit einer Verurteilu­ng abgeschlos­sen wird. Auch gegen eine weitere ehemalige Geschäftsf­ührerin steht noch ein Prozess an.

Vor einem Jahr hatte auch das Bundeskrim­inalamt Alarm geschlagen. Es gebe in Deutschlan­d eine regelrecht­e „Pflege-Mafia“, die sich auf Russisch sprechende Patienten spezialisi­ert hätte.

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