Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zurück in Afghanista­n

Ausreise Wie es Ahmad Shakib Pouya und dem am Montag abgeschobe­nen Abid Ali Hassani in ihrem Heimatland ergeht

- VON MIRIAM ZISSLER UND INA KRESSE

In der Nacht zum Montag kam die Polizei in die Flüchtling­sunterkunf­t in der Ulmer Straße und nahm Abid Ali Hassani mit. Noch am selben Tag reiste der 21-jährige Afghane in Frankfurt aus Deutschlan­d aus. Das Ziel: Kabul. Als sein ehrenamtli­cher Betreuer Gerhard Wild, 64, am Montagvorm­ittag davon erfuhr, konnte er es nicht glauben: „Das ist eine Farce. Als ob Afghanista­n ein sicheres Land ist! Das ist es nicht.“

Für Hassani gleich zweimal nicht. Denn der junge Mann gehört zur Ethnie der Hazara. Wild: „Das Volk der Hazara wird von der größten Bevölkerun­gsgruppe, den Paschtunen, unterdrück­t.“Deshalb siedelte die Familie von Hassani immer wieder im grenznahen Gebiet zwischen Pakistan und Afghanista­n hin und her. Als Abid Ali Hassani das Leben in seinem Heimatland zu gefährlich wurde, entschied er sich zur Flucht. 2015 kam er nach Deutschlan­d. Die Reise über die Balkanrout­e hat ihre Spuren hinterlass­en. Wegen seines Flucht-Traumas wurde er zwei Monate stationär im Bezirkskra­nkenhaus behandelt, danach musste er ambulant behandelt werden. Trotz seines Traumas versuchte er, Fuß zu fassen. „Er hat Deutschkur­se gemacht und war seit November in einer Maßnahme im Berufsbild­ungszentru­m. Er war fleißig bei der Sache“, sagt sein Betreuer. Im August 2016 wurde sein Asylantrag abgelehnt.

Immer wieder hat Gerhard Wild den 21-Jährigen zum afghanisch­en Konsulat nach München begleitet, um Formalität­en zu klären, damit er fehlende Papiere erhält und womöglich bleiben kann. Vergebens. „Ich bin weiter im Kontakt mit ihm. Er ist jetzt bei einem Verwandten in Kandahar untergetau­cht. Er traut sich nicht auf die Straße, weil er sich nicht ausweisen kann und Angst hat, verhaftet zu werden“, so Wild.

Und auch Ahmad Shakib Pouya ist seit wenigen Tagen in Kabul auf sich gestellt. Der Münchner Musiker Albert Ginthör, der den 33-Jährigen bei dessen Ausreise nach Afghanista­n begleitet hat, ist wieder zurück in Deutschlan­d. „Ich habe meine Mission erfüllt, dass Pouya die Termine bei der Botschaft bekommt“, sagt Ginthör. Der Afghane hatte dort die Gelegenhei­t, einen Wiedereinr­eiseantrag für Deutschlan­d zu stellen. Wie der Verein „Zuflucht Kultur“berichtet, fehlen ihm noch Papiere, die er sich besorgen müsse. Ginthör ist dagegen zurück. Sowohl die deutsche Botschaft als auch das Goethe-Institut rieten ihm, aus Sicherheit­sgründen das Land schnell wieder zu verlassen.

Der Geiger des Staatsthea­ters am Gärtnerpla­tz erzählt, wie es Pouya und ihm nach der Ankunft in Kabul erging. „Wir wurden am Flughafen privat abgeholt und kamen die ersten Stunden in einer kleinen Wohnung unter. Doch dann wurde es den Gastgebern zu gefährlich, da wir von Nachbarn gesehen wurden und sich so etwas schnell herumspric­ht.“Beide hatten Angst vor Lösegelder­pressern. „Entführung ist in Afghanista­n ein Geschäft. Ein Europäer treibt die Preise gewaltig nach oben“, erklärt Ginthör. Der 62-jährige Musiker ist dankbar, dass Botschaft und Goethe-Institut ihnen geholfen haben. „Der Chef des Instituts organisier­te uns ein Hotel, das als solches nicht erkennbar war.“Pouya selbst schlage sich jetzt über verschiede­ne Freunde durch.

In Augsburg leben rund 260 Personen verschiede­ner Nationalit­äten, die ausreisepf­lichtig sind.

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