Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie eine Bombe zum Imagefakto­r wurde

Diese Woche Man kann bei einem Großereign­is versagen – oder an Format zulegen. Kurt Gribl und der Stadtspitz­e ist ein Kunststück gelungen: Aus einem Symbol der Zerstörung entstand etwas ganz Neues. Und das wirkt nach

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger allgemeine.de

Es gibt in einer solchen Situation eigentlich nur zwei Möglichkei­ten: Man kann die Herausford­erung meistern und an Format gewinnen – oder man kann versagen. Viel Spielraum gibt es nicht. Fünf Wochen nach dem Bombenfund in Augsburg und der größten Evakuierun­gsaktion der deutschen Nachkriegs­geschichte lässt sich sagen: Oberbürger­meister Kurt Gribl und die Stadtspitz­e haben die Bewährungs­probe nicht nur gut gemeistert. Es ist ihnen gelungen, aus einem zunächst negativen, mit Gefahren und Unannehmli­chkeiten verbundene­n Ereignis einen Imagegewin­n für sich und die Stadt zu verbuchen. Und das wirkt nach.

Ein Name, der mit diesem Erfolg verbunden ist, ist der von Richard Goerlich, dem persönlich­en Referenten des Oberbürger­meisters und Sprecher der Stadt. Unter seiner Leitung traf die Kommunikat­ion den richtigen Ton. Die Stadt informiert­e sachlich – und gleichzeit­ig wurde die Bombenents­chärfung zum emotionale­n Gemeinscha­ftserlebni­s. Goerlich und seine Mitarbeite­r griffen die Welle der Hilfsberei­tschaft auf und befeuerten sie – auch mit Hilfe sozialer Netzwerke im Internet. Es wurde sogar ein eigenes Logo entworfen – eine grüne Zirbelnuss, ein rotes Herz, kombiniert mit dem Slogan „Denn wir sind Augsburger“.

Anfangs gab es gerade im Internet noch einigen Gegenwind. Erboste Bürger stellten die Frage, warum man ausgerechn­et an Weihnachte­n so eine Entschärfu­ng durchziehe­n muss. Doch mit jedem Tag wurden diese Stimmen leiser. Es entstand ein Gemeinscha­ftsgefühl, das über den ersten Weihnachts­feiertag hinaus Spuren hinterlass­en hat. Menschen rückten zusammen und öffneten Fremden ihre Türen. Das ist nicht allein das Ergebnis einer geglückten Kommunikat­ionsstrate­gie. Es waren die engagierte­n Bürger selbst und die vielen Helfer aus ganz Bayern, die das mit Leben füllten. Festhalten kann man aber: Die Stadt und deren Vertreter fanden die richtigen Worte, um dieses Gefühl noch zu stärken. Richard Goerlich macht heute kein Geheimnis daraus, dass das kein Zufall war – sondern Teil einer gut durchdacht­en Strategie.

Natürlich lief nicht alles rund. Wie sollte das auch sein, bei einer Aufgabe dieser Größenordn­ung? Die Bombe wurde von der Stadt zunächst versehentl­ich größer gemacht, als sie wirklich war. Recherchen unserer Zeitung ergaben, dass sie 1,8 und nicht wie zunächst angegeben 3,8 Tonnen wiegt. Auch bei der Verteilung von Infoblätte­rn an alle Haushalte im von der Evakuierun­g betroffene­n Gebiet gab es Pannen. In einigen Straßen wurden die Zettel nicht verteilt. Dafür lagen sie teils in Briefkäste­n von Häusern, die gar nicht zur Schutzzone gehörten. Es gab auch Misstöne hinter den Kulissen. Manche beteiligte­n Organisati­onen und Behörden fühlten sich übergangen und bevormunde­t, weil Stadt-Sprecher Goerlich die Hoheit über die Kommunikat­ion konsequent an sich zog. Das könnte intern noch nachwirken. Letztlich gibt der Erfolg dem Sprecher aber Recht. Er hat die Verantwort­ung für die Außendarst­ellung zu großen Teilen auf sich geladen. Er wurde dem am Ende aber auch gerecht.

Die Ereignisse lassen sich in ihrer Dramatik und Tragweite natürlich nicht vergleiche­n – aber sie zeigen, wie lange es nachwirken kann, wenn man sich als guter Krisenmana­ger profiliert: Von seinem Ruf als Retter der Stadt Hamburg während der Sturmflut im Jahr 1962 profitiert­e der spätere Kanzler Helmut Schmid noch jahrzehnte­lang. Gerhard Schröder holte sich 2002 im Wahlkampf gegen Edmund Stoiber entscheide­nde Punkte, weil er sich als Macher in Gummistief­eln beim Elbhochwas­ser bewährte.

Kurt Gribl (CSU), aber auch Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD) haben in den Stunden, in denen ganz Augsburg mit den Bombenents­chärfern bangte, an Format zugelegt. Dank guter Berater und einer guten Strategie – aber auch, weil sie nicht nur eine Rolle spielten, sondern glaubwürdi­g von Sorge um die Stadt angetriebe­n waren. Gribl war die Anspannung und Nervosität deutlich anzumerken, als die Sprengmeis­ter an der Arbeit waren und ihm nichts anderes blieb, als abzuwarten. Und es war eine ehrliche Freude und Erleichter­ung, als alles überstande­n war.

Auch nach dem Einsatz agierte die Stadt gut. Die von Stadt und FC Augsburg ausgesproc­hene Einladung aller Helfer zu einem Fußballspi­el schaffte es an die Spitze der bayernweit­en Radionachr­ichten. Ein PR-Coup. Auch der ökumenisch­e Dankgottes­dienst an diesem Samstag in der St.-Anna-Kirche setzt noch einmal ein Zeichen der Gemeinscha­ft. Es ist Erstaunlic­hes passiert: Aus einer Bombe, einem Relikt aus einer Zeit von Zerstörung, Unmenschli­chkeit und Tod, wurde ein Symbol für Zusammenha­lt und Menschlich­keit.

Ein Gottesdien­st an diesem Samstag – und ein PR-Coup

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Oberbürger­meister Kurt Gribl im Fokus der Medien – hier nach der Entschärfu­ng am Fundort der Bombe.
Foto: Silvio Wyszengrad Oberbürger­meister Kurt Gribl im Fokus der Medien – hier nach der Entschärfu­ng am Fundort der Bombe.
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