Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie eine Bombe zum Imagefaktor wurde
Diese Woche Man kann bei einem Großereignis versagen – oder an Format zulegen. Kurt Gribl und der Stadtspitze ist ein Kunststück gelungen: Aus einem Symbol der Zerstörung entstand etwas ganz Neues. Und das wirkt nach
Es gibt in einer solchen Situation eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Man kann die Herausforderung meistern und an Format gewinnen – oder man kann versagen. Viel Spielraum gibt es nicht. Fünf Wochen nach dem Bombenfund in Augsburg und der größten Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegsgeschichte lässt sich sagen: Oberbürgermeister Kurt Gribl und die Stadtspitze haben die Bewährungsprobe nicht nur gut gemeistert. Es ist ihnen gelungen, aus einem zunächst negativen, mit Gefahren und Unannehmlichkeiten verbundenen Ereignis einen Imagegewinn für sich und die Stadt zu verbuchen. Und das wirkt nach.
Ein Name, der mit diesem Erfolg verbunden ist, ist der von Richard Goerlich, dem persönlichen Referenten des Oberbürgermeisters und Sprecher der Stadt. Unter seiner Leitung traf die Kommunikation den richtigen Ton. Die Stadt informierte sachlich – und gleichzeitig wurde die Bombenentschärfung zum emotionalen Gemeinschaftserlebnis. Goerlich und seine Mitarbeiter griffen die Welle der Hilfsbereitschaft auf und befeuerten sie – auch mit Hilfe sozialer Netzwerke im Internet. Es wurde sogar ein eigenes Logo entworfen – eine grüne Zirbelnuss, ein rotes Herz, kombiniert mit dem Slogan „Denn wir sind Augsburger“.
Anfangs gab es gerade im Internet noch einigen Gegenwind. Erboste Bürger stellten die Frage, warum man ausgerechnet an Weihnachten so eine Entschärfung durchziehen muss. Doch mit jedem Tag wurden diese Stimmen leiser. Es entstand ein Gemeinschaftsgefühl, das über den ersten Weihnachtsfeiertag hinaus Spuren hinterlassen hat. Menschen rückten zusammen und öffneten Fremden ihre Türen. Das ist nicht allein das Ergebnis einer geglückten Kommunikationsstrategie. Es waren die engagierten Bürger selbst und die vielen Helfer aus ganz Bayern, die das mit Leben füllten. Festhalten kann man aber: Die Stadt und deren Vertreter fanden die richtigen Worte, um dieses Gefühl noch zu stärken. Richard Goerlich macht heute kein Geheimnis daraus, dass das kein Zufall war – sondern Teil einer gut durchdachten Strategie.
Natürlich lief nicht alles rund. Wie sollte das auch sein, bei einer Aufgabe dieser Größenordnung? Die Bombe wurde von der Stadt zunächst versehentlich größer gemacht, als sie wirklich war. Recherchen unserer Zeitung ergaben, dass sie 1,8 und nicht wie zunächst angegeben 3,8 Tonnen wiegt. Auch bei der Verteilung von Infoblättern an alle Haushalte im von der Evakuierung betroffenen Gebiet gab es Pannen. In einigen Straßen wurden die Zettel nicht verteilt. Dafür lagen sie teils in Briefkästen von Häusern, die gar nicht zur Schutzzone gehörten. Es gab auch Misstöne hinter den Kulissen. Manche beteiligten Organisationen und Behörden fühlten sich übergangen und bevormundet, weil Stadt-Sprecher Goerlich die Hoheit über die Kommunikation konsequent an sich zog. Das könnte intern noch nachwirken. Letztlich gibt der Erfolg dem Sprecher aber Recht. Er hat die Verantwortung für die Außendarstellung zu großen Teilen auf sich geladen. Er wurde dem am Ende aber auch gerecht.
Die Ereignisse lassen sich in ihrer Dramatik und Tragweite natürlich nicht vergleichen – aber sie zeigen, wie lange es nachwirken kann, wenn man sich als guter Krisenmanager profiliert: Von seinem Ruf als Retter der Stadt Hamburg während der Sturmflut im Jahr 1962 profitierte der spätere Kanzler Helmut Schmid noch jahrzehntelang. Gerhard Schröder holte sich 2002 im Wahlkampf gegen Edmund Stoiber entscheidende Punkte, weil er sich als Macher in Gummistiefeln beim Elbhochwasser bewährte.
Kurt Gribl (CSU), aber auch Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) haben in den Stunden, in denen ganz Augsburg mit den Bombenentschärfern bangte, an Format zugelegt. Dank guter Berater und einer guten Strategie – aber auch, weil sie nicht nur eine Rolle spielten, sondern glaubwürdig von Sorge um die Stadt angetrieben waren. Gribl war die Anspannung und Nervosität deutlich anzumerken, als die Sprengmeister an der Arbeit waren und ihm nichts anderes blieb, als abzuwarten. Und es war eine ehrliche Freude und Erleichterung, als alles überstanden war.
Auch nach dem Einsatz agierte die Stadt gut. Die von Stadt und FC Augsburg ausgesprochene Einladung aller Helfer zu einem Fußballspiel schaffte es an die Spitze der bayernweiten Radionachrichten. Ein PR-Coup. Auch der ökumenische Dankgottesdienst an diesem Samstag in der St.-Anna-Kirche setzt noch einmal ein Zeichen der Gemeinschaft. Es ist Erstaunliches passiert: Aus einer Bombe, einem Relikt aus einer Zeit von Zerstörung, Unmenschlichkeit und Tod, wurde ein Symbol für Zusammenhalt und Menschlichkeit.
Ein Gottesdienst an diesem Samstag – und ein PR-Coup