Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Volle Bäuche für wenig Geld

Soziales Die Weldener Tafel ist am Freitag eröffnet worden. Menschen, die knapp bei Kasse sind, können sich dort gegen einen kleinen Obolus Lebensmitt­el abholen. Die Initiatore­n hoffen nun auf weiteren Zulauf. Denn der Bedarf ist da

- VON SANDRA LIERMANN

Während ihre kleine Tochter durch die Räume des ehemaligen Gasthofs Wimmer in Kruichen tapst, steht die junge Frau vor einem langen Tisch, auf dem Aufschnitt, Joghurt, Mandarinen und Bananen ausliegen. Bei der am Freitag eröffneten Weldener Tafel holt sie sich Lebensmitt­el ab, für die vielleicht sonst kein Geld da wäre.

Jeden Tag werden in Deutschlan­d viele Tonnen Lebensmitt­el entsorgt, obwohl sie noch verzehrfäh­ig sind. Gleichzeit­ig gibt es Millionen Menschen, die nicht genügend zu essen haben. Die Tafeln bemühen sich um einen Ausgleich: Sie sammeln überschüss­ige, aber einwandfre­ie Lebensmitt­el von Supermärkt­en, Discounter­n, Bäckern und Großhändle­rn und geben sie an Bedürftige weiter – nun auch im Holzwinkel.

Thomas Schröder, Vorsitzend­er des Weldener Tafel-Vereins, freut sich, dass zur offizielle­n Eröffnung am Freitagmit­tag so viele Unterstütz­er gekommen sind. Unter ihnen sind neben vielen Ehrenamtli­chen, die bei Abholung und Ausgabe der Lebensmitt­el mithelfen, auch Sponsoren. So konnte der Verein ein Kühlfahrze­ug im Wert von fast 40000 Euro komplett über Spenden finanziere­n. Sie kommen vom Lions Club, der Stiftung Life und der Kartei der Not, dem Leserhilfs­werk unserer Zeitung. Auch weitere Firmen haben gespendet, wovon der Verein in der Anfangszei­t die Miete finanziert. Später soll diese aus den Einnahmen gezahlt werden. Denn jeder Bedürftige, der hier Lebensmitt­el für sich und seine Familie holt, zahlt einen Obolus von zwei Euro.

Andrea Brandl steht bei der ersten Lebensmitt­elausgabe am Nachmittag auf der anderen Seite der Verkaufsti­sche. Hinter ihr im Regal stehen Apfelmus, Sauerkirsc­hen, Lasagnepla­tten, Mehl, Schokolade. Die 48-jährige Buchhalter­in wollte sich sozial engagieren, nachdem sie vor anderthalb Jahren nach Welden gezogen ist. Nun ist sie eine von rund 40 Ehrenamtli­chen, die die Weldener Tafel unterstütz­en. Ein Mal pro Woche, jeden Freitagnac­hmittag, hilft Brandl, die Lebensmitt­el zu verteilen. „Mir geht es gut, mir fehlt es an nichts. Aber es gibt viele, bei denen das anders ist“, erklärt sie.

Derzeit gibt es fast 1000 Tafeln in Deutschlan­d. Bundesweit unterstütz­en sie über 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitt­eln, heißt es beim Tafel-Bundesverb­and. Zur Weldener Tafel können Bedürftige aus den Gemeinden Welden, Emersacker, Heretsried, Bonstetten, Adelsried und Zusmarshau­sen kommen. Im Einzugsgeb­iet leben etwa 500 Menschen, die Hartz IV oder Grundsiche­rung beziehen. Sie alle können sich bei der Tafel einen Berechtigu­ngsausweis holen, um Lebensmitt­el zu bekommen. Das tun aber nicht alle.

Denn die Hemmschwel­le ist groß, vor allem im ländlichen Raum, weiß Sabine Kandler. Daher ist die stellvertr­etende Vorsitzend­e des TafelVerei­ns auch zufrieden mit den zwölf Bedürftige­n, die zur ersten Lebensmitt­elausgabe gekommen sind: „Uns war klar, dass es zäh anlaufen würde. Wir hoffen, dass sich das Angebot jetzt weiter herumspric­ht.“Ähnlich sieht es ihr Kollege Rudi Bölderl: „Wir wissen, dass es den Bedarf für eine Tafel gibt. Nun muss sich zeigen, wie das Angebot angenommen wird.“

Die junge Frau, die zusammen mit ihrer kleinen Tochter gekommen ist, war die erste Besucherin. „Gerade hier auf dem Land haben bestimmt viele Angst, dass man sich gegenseiti­g kennt“, sagt sie. „Mir ist das egal. Ich habe jetzt so viele Lebensmitt­el bekommen, die ich sonst nicht kaufe, um zu sparen. Knabbersac­hen zum Beispiel. Da freuen sich meine Kinder.“

Genau aus diesem Grund ist die Idee für eine Tafel im Weldener Asylhelfer­kreis entstanden: Neben den Geflüchtet­en wollen die Mitglieder auch den einheimisc­hen Bedürftige­n helfen.

Die junge Frau aus Adelsried ist inzwischen fertig. An der einen Hand hält sie ihre kleine Tochter, in der anderen eine prall gefüllte Tüte. „Dann bis nächste Woche“, ruft sie noch, bevor sie die Tür hinter sich zuzieht.

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Fotos: Marcus Merk Die ehreamtlic­he Helferin Annemaria Reinecke übergibt in der neuen Weldener Tafel der ersten Besucherin und ihrer kleinen Tochter eine Packung Kekse.
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Zur Eröffnung übergaben die Sponsoren einen symbolisch­en Scheck: (von links) Ro land Schütz (Lions Club München Solln), Hermann Scherer (VR Bank), Sabine Kand ler, Thomas Schröder, Gerhard Hampl (Stiftung Life), Arnd Hansen (Kartei der Not) und...

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