Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vier gute Geister und viele Geschichten
Ortstermin Schloss Elmischwang ist ein ungewöhnliches Altenheim. Warum? Davon zeugen unter anderem ein Kleintierzoo und eine Kapelle, die scherzhaft nach einem Online-Auktionshaus benannt wurde
Vier gute Geister sind dafür verantwortlich, dass Schloss Elmischwang heute alten und pflegebedürftigen Menschen eine Heimat bietet, eine Forstwirtschaft betreibt und darüber hinaus noch als Veranstaltungsort genutzt werden kann. Doch diese vier Geister spuken nicht etwa zur Geisterstunde durch das Schloss, sondern sind quicklebendig und haben mit viel Engagement und Liebe das erhalten und geschaffen, wofür das zwischen Fischach und Wollmetshofen etwas abseits gelegene Gebäude heute steht.
Baronesse Irmgard von und zu Aufseß lebt heute mit Blick auf Schloss Elmischwang, das ihr Großvater im Jahr 1902 erbaut hat. Sie residiert im Forsthaus, kann sich aber noch gut an ihr Zimmer im Schloss erinnern und an die Zeit mit ihrer Schwester, Baronesse Gertrud von und zu Aufseß, die am Heiligen Abend 2008 verstorben ist. Umgezogen sind die Geschwister erst im Krieg, damals beherbergte das Schloss Flüchtlinge. Gemeinsam mit ihren Eltern legten die Schwestern und deren 1977 verstorbener Bruder Otto einst den Grundstein für das, wofür das Schloss heute bekannt ist: als Alten- und Pflegeheim mit familiärem Charakter.
Hubertus Freiherr von und zu Aufseß, der zweite gute Geist, verbrachte schon Teile seiner Kindheit und Jugend auf Schloss Elmischwang, allerdings hatten die Besuche bei seinen Tanten Gertrud und Irmgard auch einmal einen ernsten Hintergrund. Er nutzte Schloss Elmischwang, um sich von seiner Leukämie-Erkrankung zu erholen. Auch profitierte er als Student von der Ruhe und der Abgeschiedenheit. 1997 erreichte ihn dann ein Brief, der vieles verändern sollte: Seine Tanten fragten bei ihm – und seiner Frau, Dr. Michaela Freifrau von und zu Aufseß (und damit Geist Nummer drei) - an, ob sie ihr „geliebtes Elmischwang weiterführen würden“.
Um dies zu ermöglichen, entschieden die Baronessen Gertrud und Irmgard, „sich im Alter von über 70 Jahren einen Sohn anzuschaffen“, wie Hubertus Freiherr von und zu Aufseß mit einem Lachen erklärt. Sie adoptierten ihren Neffen im Jahr 1999, kurz bevor der Mann selbst zum zweiten Mal Vater wurde.
Geschäftsführer Volker Bertram, der ein Team von 55 Mitarbeitern leitet, die sich mit viel Engagement und Liebe um 44 teils hochbetagte Heimbewohner kümmern, komplettiert das Trio mit beruflicher Professionalität - und das gleich in zweierlei Hinsicht. Nach dem klassischen Werdegang vom Zivi, zum Altenpfleger und einem Studium zum Sozialwirt agiert er auf Schloss Elmischwang als Geschäftsführer und Heimleiter.
Dass er so gut in ein Schloss passt, liegt allerdings auch in seiner ersten beruflichen Laufbahn begründet: Ursprünglich hat er eine Lehre als Stuckateur und Kirchenrestaurator abgeschlossen, was ihm heute die Möglichkeit bietet, das denkmalgeschützte Haus historisch und ästhetisch zu erhalten und zugleich funktional nutzbar zu machen.
„Die Kapelle trägt seine Handschrift“, schwärmt Hubertus Freiherr von und zu Aufseß. Diese befindet sich im Untergeschoss und trägt den Spitznamen „Sankt Ebay“, denn die Bänke, die aus dem Entstehungsjahr des Schlosses stammen und dort einigen wenigen Heimbe- wohnern Platz bieten, stammen aus dem Online-Auktionshaus. Das, was übrig blieb, wurde zu einem Teil des Altars verarbeitet. Die Rose darüber greift die Familiengeschichte auf, präsentiert das Familienwappen der Familie von Aufseß und ist nur ein Detail, das auf die kreative Ader von Heimleiter Bertram schließen lässt. Beim Fliesenspiegel arbeiteten die Bewohner des Altenheims selbst tatkräftig mit, und auch die angesprochene Funktionalität fehlt in der Kapelle nicht: Per Videoübertragung können alle Heimbewohner an den Gottesdiensten und Messen teilnehmen.
Seit dem 70. Geburtstag des Altenheims hat das Schloss auch wieder ein Stück Historie zurückbekommen. Zum Jubiläum gab es von den Inhabern einen neuen alten Boden als Präsent. Lediglich eine Platte des ursprünglichen Bodens gab es noch, die via Laboruntersuchung erschlossen und in Handarbeit Stück für Stück reproduziert wurde. Und auch bei diesem Umbau kam die Funktionalität im Schloss Elmischwang nicht zu kurz: Der Boden wurde bis in den Speisesaal verlegt. Darunter wurde eine Fußbodenheizung installiert. Durch den Platzgewinn an den Wänden war Platz für eine weitere Idee von Heimleiter Bertram. Holzvertäfelungen sollten den Speisesaal, in dem regelmäßig die Wunschessen der Bewohner serviert werden, edler, aber auch praktischer machen, denn: Die Rollatoren können auf dem Holz weniger schwarze Streifen zurücklassen als an gestrichenen Wänden.
Der Neubau, der in den Jahren 1999/2000 umgesetzt wurde, erweiterte die Heimkapazität, brachte aber auch die eine oder andere Herausforderung mit sich. Wäre ein isolierter Neubau entstanden, hätten Pflegekräfte und Bewohner immer ins Freie gemusst, um von einem Gebäude ins nächste zu kommen. Beim Lindenhof, der ebenfalls zum Altenheim und zum Häuserensemble gehört, ist eben dies der Fall. Ein Neubau sollte hingegen dieses Manko möglichst gleich umschiffen. Ein unterirdischer Gang wurde geplant.
Auch hier hatte Heimleiter Bertram die Idee, den rein funktionalen Gang als Kleintierzoo zu nutzen. Agamen, Zwergopposums, Degus, Schlangen, Schildkröten und Geckos reihten sich hier neben Zwergkaninchen, Meerschweinchen und einen afrikanischen Riesentausendfüßler.
Nach dem Auszug der Tiere nach etwa fünf Jahren gestaltete der Heimleiter einen Erinnerungsgang. Ein Kinderzimmer, ein Esszimmer, eine Küche, ein Arbeitszimmer, ein Nähzimmer und sogar ein Badezimmer sind dort in detailreichen Ansätzen nachempfunden und garantieren einen Ausflug in die Vergangenheit. Genutzt wird der Gang auch, um sich mit den Bewohnern dort zur „Erinnerungsstunde“zu treffen. Gestiftet wurden die alten Erinnerungsstücke von Bewohnern, der Eigentümerfamilie und von der Großmutter von Volker Bertram.
Während im Erinnerungsgang für viele eine kleine Zeitreise beginnt, ist dies beim Flanieren durch Altund Neubau kaum der Fall. Bei aller Funktionalität ist von der Sterilität eines Altenheims hier allerdings wenig zu spüren. Boden, Fenster, Türen und Treppen sind aus Douglasien aus dem heimischen Wald gemacht und ein Teil wird auch als Veranstaltungsraum für Konzerte genutzt. Die Schlossparkbühne ermöglicht sogar Open-Air-Veranstaltungen.
Die vier lebendigen Geister, die auf Elmischwang für Charme, Wohlfühlatmosphäre und Wirtschaftlichkeit sorgen, sind im Übrigen die einzigen. Andere Schauergeschichten gibt es nicht. Allerdings birgt das Schloss ungeahntes Verwechslungspotenzial. In Dinkelscherben gibt es nämlich eine Mühle, die ebenfalls Elmischwang heißt, aber nicht das Geringste mit dem Schloss bei Fischach zu tun hat.