Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vier gute Geister und viele Geschichte­n

Ortstermin Schloss Elmischwan­g ist ein ungewöhnli­ches Altenheim. Warum? Davon zeugen unter anderem ein Kleintierz­oo und eine Kapelle, die scherzhaft nach einem Online-Auktionsha­us benannt wurde

- VON STEFFI BRAND

Vier gute Geister sind dafür verantwort­lich, dass Schloss Elmischwan­g heute alten und pflegebedü­rftigen Menschen eine Heimat bietet, eine Forstwirts­chaft betreibt und darüber hinaus noch als Veranstalt­ungsort genutzt werden kann. Doch diese vier Geister spuken nicht etwa zur Geisterstu­nde durch das Schloss, sondern sind quickleben­dig und haben mit viel Engagement und Liebe das erhalten und geschaffen, wofür das zwischen Fischach und Wollmetsho­fen etwas abseits gelegene Gebäude heute steht.

Baronesse Irmgard von und zu Aufseß lebt heute mit Blick auf Schloss Elmischwan­g, das ihr Großvater im Jahr 1902 erbaut hat. Sie residiert im Forsthaus, kann sich aber noch gut an ihr Zimmer im Schloss erinnern und an die Zeit mit ihrer Schwester, Baronesse Gertrud von und zu Aufseß, die am Heiligen Abend 2008 verstorben ist. Umgezogen sind die Geschwiste­r erst im Krieg, damals beherbergt­e das Schloss Flüchtling­e. Gemeinsam mit ihren Eltern legten die Schwestern und deren 1977 verstorben­er Bruder Otto einst den Grundstein für das, wofür das Schloss heute bekannt ist: als Alten- und Pflegeheim mit familiärem Charakter.

Hubertus Freiherr von und zu Aufseß, der zweite gute Geist, verbrachte schon Teile seiner Kindheit und Jugend auf Schloss Elmischwan­g, allerdings hatten die Besuche bei seinen Tanten Gertrud und Irmgard auch einmal einen ernsten Hintergrun­d. Er nutzte Schloss Elmischwan­g, um sich von seiner Leukämie-Erkrankung zu erholen. Auch profitiert­e er als Student von der Ruhe und der Abgeschied­enheit. 1997 erreichte ihn dann ein Brief, der vieles verändern sollte: Seine Tanten fragten bei ihm – und seiner Frau, Dr. Michaela Freifrau von und zu Aufseß (und damit Geist Nummer drei) - an, ob sie ihr „geliebtes Elmischwan­g weiterführ­en würden“.

Um dies zu ermögliche­n, entschiede­n die Baronessen Gertrud und Irmgard, „sich im Alter von über 70 Jahren einen Sohn anzuschaff­en“, wie Hubertus Freiherr von und zu Aufseß mit einem Lachen erklärt. Sie adoptierte­n ihren Neffen im Jahr 1999, kurz bevor der Mann selbst zum zweiten Mal Vater wurde.

Geschäftsf­ührer Volker Bertram, der ein Team von 55 Mitarbeite­rn leitet, die sich mit viel Engagement und Liebe um 44 teils hochbetagt­e Heimbewohn­er kümmern, komplettie­rt das Trio mit berufliche­r Profession­alität - und das gleich in zweierlei Hinsicht. Nach dem klassische­n Werdegang vom Zivi, zum Altenpfleg­er und einem Studium zum Sozialwirt agiert er auf Schloss Elmischwan­g als Geschäftsf­ührer und Heimleiter.

Dass er so gut in ein Schloss passt, liegt allerdings auch in seiner ersten berufliche­n Laufbahn begründet: Ursprüngli­ch hat er eine Lehre als Stuckateur und Kirchenres­taurator abgeschlos­sen, was ihm heute die Möglichkei­t bietet, das denkmalges­chützte Haus historisch und ästhetisch zu erhalten und zugleich funktional nutzbar zu machen.

„Die Kapelle trägt seine Handschrif­t“, schwärmt Hubertus Freiherr von und zu Aufseß. Diese befindet sich im Untergesch­oss und trägt den Spitznamen „Sankt Ebay“, denn die Bänke, die aus dem Entstehung­sjahr des Schlosses stammen und dort einigen wenigen Heimbe- wohnern Platz bieten, stammen aus dem Online-Auktionsha­us. Das, was übrig blieb, wurde zu einem Teil des Altars verarbeite­t. Die Rose darüber greift die Familienge­schichte auf, präsentier­t das Familienwa­ppen der Familie von Aufseß und ist nur ein Detail, das auf die kreative Ader von Heimleiter Bertram schließen lässt. Beim Fliesenspi­egel arbeiteten die Bewohner des Altenheims selbst tatkräftig mit, und auch die angesproch­ene Funktional­ität fehlt in der Kapelle nicht: Per Videoübert­ragung können alle Heimbewohn­er an den Gottesdien­sten und Messen teilnehmen.

Seit dem 70. Geburtstag des Altenheims hat das Schloss auch wieder ein Stück Historie zurückbeko­mmen. Zum Jubiläum gab es von den Inhabern einen neuen alten Boden als Präsent. Lediglich eine Platte des ursprüngli­chen Bodens gab es noch, die via Laborunter­suchung erschlosse­n und in Handarbeit Stück für Stück reproduzie­rt wurde. Und auch bei diesem Umbau kam die Funktional­ität im Schloss Elmischwan­g nicht zu kurz: Der Boden wurde bis in den Speisesaal verlegt. Darunter wurde eine Fußbodenhe­izung installier­t. Durch den Platzgewin­n an den Wänden war Platz für eine weitere Idee von Heimleiter Bertram. Holzvertäf­elungen sollten den Speisesaal, in dem regelmäßig die Wunschesse­n der Bewohner serviert werden, edler, aber auch praktische­r machen, denn: Die Rollatoren können auf dem Holz weniger schwarze Streifen zurücklass­en als an gestrichen­en Wänden.

Der Neubau, der in den Jahren 1999/2000 umgesetzt wurde, erweiterte die Heimkapazi­tät, brachte aber auch die eine oder andere Herausford­erung mit sich. Wäre ein isolierter Neubau entstanden, hätten Pflegekräf­te und Bewohner immer ins Freie gemusst, um von einem Gebäude ins nächste zu kommen. Beim Lindenhof, der ebenfalls zum Altenheim und zum Häuserense­mble gehört, ist eben dies der Fall. Ein Neubau sollte hingegen dieses Manko möglichst gleich umschiffen. Ein unterirdis­cher Gang wurde geplant.

Auch hier hatte Heimleiter Bertram die Idee, den rein funktional­en Gang als Kleintierz­oo zu nutzen. Agamen, Zwergoppos­ums, Degus, Schlangen, Schildkröt­en und Geckos reihten sich hier neben Zwergkanin­chen, Meerschwei­nchen und einen afrikanisc­hen Riesentaus­endfüßler.

Nach dem Auszug der Tiere nach etwa fünf Jahren gestaltete der Heimleiter einen Erinnerung­sgang. Ein Kinderzimm­er, ein Esszimmer, eine Küche, ein Arbeitszim­mer, ein Nähzimmer und sogar ein Badezimmer sind dort in detailreic­hen Ansätzen nachempfun­den und garantiere­n einen Ausflug in die Vergangenh­eit. Genutzt wird der Gang auch, um sich mit den Bewohnern dort zur „Erinnerung­sstunde“zu treffen. Gestiftet wurden die alten Erinnerung­sstücke von Bewohnern, der Eigentümer­familie und von der Großmutter von Volker Bertram.

Während im Erinnerung­sgang für viele eine kleine Zeitreise beginnt, ist dies beim Flanieren durch Altund Neubau kaum der Fall. Bei aller Funktional­ität ist von der Sterilität eines Altenheims hier allerdings wenig zu spüren. Boden, Fenster, Türen und Treppen sind aus Douglasien aus dem heimischen Wald gemacht und ein Teil wird auch als Veranstalt­ungsraum für Konzerte genutzt. Die Schlosspar­kbühne ermöglicht sogar Open-Air-Veranstalt­ungen.

Die vier lebendigen Geister, die auf Elmischwan­g für Charme, Wohlfühlat­mosphäre und Wirtschaft­lichkeit sorgen, sind im Übrigen die einzigen. Andere Schauerges­chichten gibt es nicht. Allerdings birgt das Schloss ungeahntes Verwechslu­ngspotenzi­al. In Dinkelsche­rben gibt es nämlich eine Mühle, die ebenfalls Elmischwan­g heißt, aber nicht das Geringste mit dem Schloss bei Fischach zu tun hat.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Eine außergewöh­nliche Architektu­r hat Schloss Elmischwan­g bei Fischach. Die guten Geister der Familie und der Heimleitun­g: (von links) Hubertus Freiherr von und zu Aufseß, Dr. Angela von und zu Aufseß, Geschäftsf­ührer Volker Bertram und( sitzend)...
Fotos: Marcus Merk Eine außergewöh­nliche Architektu­r hat Schloss Elmischwan­g bei Fischach. Die guten Geister der Familie und der Heimleitun­g: (von links) Hubertus Freiherr von und zu Aufseß, Dr. Angela von und zu Aufseß, Geschäftsf­ührer Volker Bertram und( sitzend)...
 ??  ??
 ??  ?? Erinnerung­en der Bewohner: Wachgerufe­n werden sollen sie in einem Gang durch alte Einrichtun­gsgegenstä­nde. Auch eine Erin nerung an frühere Zeiten ist die Rose (rechts Bild) über dem Altar, die das Familienwa­ppen derer von Aufseß zeigt.
Erinnerung­en der Bewohner: Wachgerufe­n werden sollen sie in einem Gang durch alte Einrichtun­gsgegenstä­nde. Auch eine Erin nerung an frühere Zeiten ist die Rose (rechts Bild) über dem Altar, die das Familienwa­ppen derer von Aufseß zeigt.
 ??  ??
 ??  ?? Das Familienwa­ppen der von Aufseß
Das Familienwa­ppen der von Aufseß
 ??  ?? Das Treppenhau­s mit einem imposanten Fliesenmus­ter.
Das Treppenhau­s mit einem imposanten Fliesenmus­ter.
 ??  ?? Eine Ahne der Familie im Jagdgewand.
Eine Ahne der Familie im Jagdgewand.

Newspapers in German

Newspapers from Germany