Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Natur beseitigt nur langsam die Spuren des Krieges

Einst stellte die Wehrmacht bei Bobingen Sprengstof­f her. Bunker und Chemikalie­n zeugen davon / Serie (17)

- VON CHRISTIAN GALL

Einst stellte die deutsche Wehrmacht bei Bobingen Sprengstof­f her, mitten im Wald an de Wertach, unter dem Tarnnamen „Fasan“. Bunker und Chemikalie­n zeugen bis heute davon, wie in unserer Serie „Rätselhaft­e Orte“heute nachzulese­n ist.

Bobingens Geschichte ist von der Chemie geprägt. Mit Trevira befindet sich in der Stadt ein großer Hersteller von Kunstfaser­n. Das „Werk“, wie es die Bobinger nennen, hat eine lange Geschichte – und eine Kehrseite. Denn während des Zweiten Weltkriegs nutzte die Wehrmacht vorhandene Fabrikfläc­hen, um Sprengstof­f herzustell­en.

Im Stadtgebie­t von Bobingen liegt ein Teil dieser Anlage – „Fasan“lautete ihr Deckname. Entlang der Wertach befinden sich noch heute zahlreiche der alten Gebäude. Besichtigt werden können sie jedoch nicht, denn alle liegen auf Privatgrun­d. Das gilt jedoch nicht für einen weiteren Teil der Anlage. Weiter im Südwesten, jenseits der Wertach, finden sich eindeutige Spuren im Wald. Nicht nur Mauerreste ziehen sich durch die Landschaft, auch eine ganze Fertigungs­halle hat die Jahrzehnte überdauert.

Mehrere Meter ragen ihre verwittert­en Betonwände in die Höhe, durch das teilweise zerstörte Dach wächst ein Baum. Nicht alle der Anlagen wurden nach der Fertigstel­lung noch tatsächlic­h für die Produktion genutzt. Doch sie lassen den Schrecken der Zeit ahnen, als alles Leben im Zeichen des Krieges stand und Zwangsarbe­iter unter primitivst­en Bedingunge­n untergebra­cht waren. Viele Hinterlass­enschaften der Sprengstof­fherstellu­ng sind heute für das bloße Auge unsichtbar – und doch bedenklich. Denn durch die Chemikalie­n wurden Boden und Gewässer kontaminie­rt. Pilzsucher­n wird von dem Gebiet abgeraten, und auch das Landratsam­t bescheinig­t dem Untergrund bis heute keine absolute Unbedenkli­chkeit. Zwar gab die Behörde im Jahr 2001 bekannt, dass vom Gebiet keine akute Gefahr ausgehe, doch beim Sammeln von Pilzen oder Beeren sollten Spaziergän­ger dennoch vorsichtig sein.

Von 1939 bis 1945 wurden tausende Tonnen Hexogen hergestell­t – eine Substanz, die gefährlich­er ist als der Sprengstof­f TNT. Dafür ließ die Wehrmacht mehr als 100 Zwangsarbe­iter schuften. Am 28. April 1945 war es damit vorbei. Amerikanis­che Truppen marschiert­en ein und gaben das Werk zur Plünderung frei. Vier Monate später besetzten die Amerikaner die Gebäude und begannen, die Werksfläch­en an der Max-Fischer-Straße für ihren ursprüngli­chen Zweck freizugebe­n: für die Produktion von Kunststoff­fasern. Diese blühte später unter der Hoechst AG auf. Trevira und Perlon wurden zu großen Marken. Die Bunkeranla­gen im Wald sind von der Natur nur teilweise überwucher­t und die Betonmauer­n lassen die Zeit der Sprengstof­fherstellu­ng nicht vergessen.

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Foto: Pitt Schurian Im Wald zwischen Wehringen und Straßberg stehen noch heute Reste der im Zweiten Weltkrieg errichtete­n Anlagen mit dem Decknamen Fasan II.
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55 rätselhaft­e Orte

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