Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Polizei hebt islamistis­che Terrorzell­e aus

Großrazzia Tunesier plante offenbar einen Anschlag. Es gibt Parallelen zum Fall Amri

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Frankfurt/Berlin Mit einer generalsta­bsmäßig geplanten Razzia hat die hessische Polizei möglicherw­eise einen zweiten Fall Amri verhindert. Ein 36-jähriger Tunesier, den sie in Frankfurt festgenomm­en hat, soll für die Terrormili­z IS nicht nur einen Anschlag in Deutschlan­d geplant haben. Wie der Attentäter von Berlin saß auch er bereits in Abschiebeh­aft, wurde von den Behörden aber wieder freigelass­en. Außerdem soll er an zwei Anschlägen in Tunesien beteiligt gewesen sein, darunter dem auf das Bardo-Museum in Tunis, bei dem vor knapp zwei Jahren 21 Touristen starben.

Bei der seit Monaten geplanten Aktion hatten etwa 1100 Beamte mehr als 50 Wohnungen, Geschäftsr­äume und Museen in ganz Hessen durchsucht. Der festgenomm­ene Tunesier soll in Deutschlan­d als Kopf einer Salafisten-Gruppe ein Netzwerk an Unterstütz­ern aufgebaut haben, um einen Anschlag zu verüben, außerdem hat er nach Erkenntnis­sen der Ermittler auch als Anwerber und Schleuser für den Islamische­n Staat gearbeitet. Ein konkretes Anschlagsz­iel soll er allerdings noch nicht ausgespäht haben.

Nachdem der Mann bereits von 2003 bis 2013 in der Bundesrepu­blik gelebt hatte, reiste er im August 2015 als Asylbewerb­er erneut ein, wenige Monate nach dem Anschlag auf das Museum. Außerdem verdächtig­en ihn die tunesische­n Behörden, bei einem Angriff auf einen Militärstü­tzpunkt an der Grenze zu Libyen mit dutzenden von Toten beteiligt gewesen zu sein. Im Sommer vergangene­n Jahres wurde er nach dem Verbüßen einer Reststrafe von 43 Tagen wegen Körperverl­etzung 40 Tage in Abschiebeh­aft genommen, anschließe­nd aber wieder freigelass­en, da die tunesische­n Behörden die erforderli­chen Papiere für die Auslieferu­ng nicht vorgelegt hatten – auch dies eine Parallele zum Fall seines Landsmanne­s Anis Amri, der jedoch schon nach zwei Tagen wieder freigekomm­en war. Er hatte am 19. Dezember auf dem Weihnachts­markt vor der Berliner Gedächtnis­kirche zwölf Menschen getötet und 50 teils schwer verletzt.

Nach Angaben des hessischen Innenminis­ters Peter Beuth (CDU) wurde mit der Razzia „ein weitverzwe­igtes salafistis­ches Netzwerk“zerschlage­n. Insgesamt ermittelt die hessische Justiz gegen 16 Beschuldig­te im Alter von 16 bis 46 Jahren, in 13 Fällen geht es dabei um den Vorwurf, eine schwere staatsgefä­hrdende Gewalttat vorbereite­t zu haben – also einen Anschlag.

Der Hauptverdä­chtige ist nach Angaben der Behörden am 4. November wieder aus der Abschiebeh­aft entlassen, anders als Amri anschließe­nd aber rund um die Uhr observiert worden. „Das zeigt, dass die deutschen Sicherheit­sbehörden wachsam sind und entschloss­en zugreifen, wenn es geboten und notwendig ist“, betonte Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU). Der festgenomm­ene Tunesier sei unter einem anderen Namen als Asylbewerb­er eingereist, seine falsche Identität sei aber während des Verfahrens aufgefalle­n.

Bei drei am Dienstag in Berlin festgenomm­enen Terrorverd­ächtigen gibt es offenbar eine direkte Verbindung zu Amri. Zwei der Männer sollen nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur Kontakt zum Attentäter gehabt haben. Wie der auf der Flucht von italienisc­hen Polizisten erschossen­e Amri sind sie in der Fussilet-Moschee in Berlin-Moabit ein- und ausgegange­n. Der als Islamisten-Treffpunkt bekannte Moschee-Verein war am Dienstag erneut durchsucht worden. Ursprüngli­ch hatte der neue Berliner Senat versproche­n, den Verein bis Ende Januar zu verbieten. Eine entspreche­nde Verfügung steht allerdings noch aus.

Wie die Politik gefährlich­e Islamisten besser überwachen und abgelehnte Asylbewerb­er zur freiwillig­en Ausreise ermuntern will, lesen Sie auf der

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