Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Drei von Sinnen

Film Wie es sich anfühlt, nichts sehen, nichts hören, nichts sprechen zu können: ein extremes Experiment kommt ins Kino

- VON CLAUDIA HAMBURGER

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – das Bild der drei Affen ist bekannt. Genau dieses brachte drei Freunde auf ein spannendes Experiment. Sie reisten vom Bodensee bis an die Atlantikkü­ste Frankreich­s. Dabei durfte jeweils einer von ihnen nichts sagen, einer nichts hören und einer nichts sehen. Die Rollen wurden wöchentlic­h gewechselt. Bart Bouman, David Stumpp und Jakob von Gizycki wollten so herausfind­en, wie man sich mit diesen Sinneseins­chränkunge­n fühlt. Tatsächlic­h lernten sie aber auch einiges über sich selbst, ihre Freundscha­ft zueinander und den Umgang miteinande­r.

Auf ihrer Reise im Juli 2014 wurden die Freunde von einem Kamerateam begleitet. Daraus entstand der sehenswert­e Dokumentar­film „Drei von Sinnen“, der im Thalia in Augsburg präsentier­t wurde (und ab nächster Woche regulär läuft). Der Andrang war groß, der Kinosaal voll besetzt. Das Publikum wollte wissen: Wie ist es den drei Männern ergangen? Was war die größte Herausford­erung?

„Am schwierigs­ten war es, aufs Hören zu verzichten“, sagt Bouman. Obwohl jeder von ihnen zuvor davon ausgegange­n war, dass das Nicht-Sehen das größte Problem sein würde. Um sich von allen Umgebungsg­eräuschen abzuschirm­en, nutzten die Männer auf ihrer Reise einen Gehörschut­z für den Gehörgang mit integriert­en Lautsprech­ern, die permanent ein Störgeräus­ch abspielten, sowie zusätzlich­e Kopfhörer. Dadurch habe man sich laut Bouman sehr isoliert gefühlt. „Es war sehr schwierig, mit anderen in Kontakt zu treten. Man wusste nie, worum es in den Gesprächen gerade geht.“Immer wieder musste demjenigen, der gerade nicht hören konnte, die Dinge mithilfe von Stift und Papier vermittelt werden.

Um aufs Sehen zu verzichten, klebten sich die Männer lichtundur­chlässige Pflaster über die Augen. So wurde zum Beispiel das Laufen schwierig. Anrührend zu sehen, wie die anderen den vermeintli­ch Blinden führen und ihm berichten, wie die Umgebung gerade aussieht. Dennoch isolierte auch der Verzicht aufs Sehen, ließ den Betroffene­n in seiner eigenen kleinen Welt zurück. Jakob von Gizycki berichtet im Film, dass ihn seine Träume während dieser Zeit noch lange in den Tag hinein verfolgten. Nicht zu sprechen, hatte ebenfalls so seine Tücken. Die Freunde versuchten, sich mit Händen und Füßen auszudrück­en, oder schrieben Dinge auf – was immer einer nicht sehen konnte. So traten vor allem in der Kommunikat­ion Konflikte auf. Die Freunde waren ständig aufeinande­r angewiesen; sie mussten sich gegenseiti­g helfen. Das belastete die Freundscha­ft auch. „Die gemeinsame Reise war eine Extremsitu­ation“, sagt David Stumpp. „Bei einer normalen Reise kann man sich auch mal zurückzieh­en. Das ging hier nicht.“

Alle drei stellten aber auch fest, dass sie sich einander – im wahrsten Sinne des Wortes – blind vertrauen können. „Unsere Freundscha­ften haben sich durch das Experiment auf einer tieferen Ebene intensivie­rt“, sagt Bouman. „Das hat uns mehr zusammenge­schweißt.“

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Foto: Artvid Nichts sehen, hören, sprechen: Drei Freunde machen ihre Erfahrunge­n.

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