Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Endlich nicht mehr am Abgrund“
Kulturpolitik Die freie Theaterszene Augsburg atmet auf. Die Stadt will die Zuschüsse in diesem Jahr deutlich anheben. Die Ensembles wollen bessere Gagen bezahlen, renovieren und fest anstellen
Die städtischen Zuschüsse für Augsburgs freie Theaterszene sollen künftig deutlich angehoben werden. Sie sollen von 252 000 Euro auf 472000 Euro steigen. Das gemeinsame Vorgehen, das die freien Theater vergangenes Jahr abgesprochen haben, zahlt sich nun für sie aus. Dass fast alle Theater einen Vertreter zur Sitzung des Kulturausschusses am Dienstag geschickt haben, macht deutlich, dass die freien Theatermacher noch immer gemeinsam agieren. Gleichzeitig lässt das persönliche Erscheinen erahnen, wie wichtig diese Anhebung für alle Ensembles ist.
Eines ihrer Argumente, mit dem die freie Augsburger Szene sowohl bei Augsburgs Kulturreferenten Thomas Weitzel als auch bei den Stadtratsfraktionen punkten konnten, lautete: „Art, but fair“(Kunst, aber fair“). Die Ensembles wiesen darauf hin, dass viele professionelle Schauspieler und Regisseure aus der freien Szene Gagen bekämen, die unter dem Mindestlohn liegen.
Nun sei es für das SensembleTheater zum Beispiel möglich, auch die Regisseure angemessener für ihre Arbeit zu bezahlen, sagt Sebastian Seidel, der Leiter des Sensembles. Auch künstlerisch könne der erhöhte Zuschuss neue Kräfte freisetzen: „Wir denken darüber nach, auch einmal Stücke zu spielen, in denen vier oder fünf Schauspieler beteiligt sind“, sagt Seidel. Bislang waren bis auf die größeren, zusätzlich geförderten Inszenierungen für das Brechtfestival in der Regel zwei bis drei Schauspieler für eine Inszenierung involviert. Der höhere Zuschuss sei aber auch für den Erhalt der eigenen Spielstätte wichtig. Auch dafür fallen ständig Kosten an.
Auch für Susanne Reng, Leiterin des Jungen Theaters Augsburg, eröffnet die Anhebung des Zuschusses nun Möglichkeiten. „Vielleicht gelingt es uns jetzt, zwei Schauspieler fest zu engagieren.“Das Junge Theater Augsburg gibt in Augsburg rund 120 Vorstellungen pro Jahr. Wenn die Schauspieler nur für einzelne Produktionen auf Honorarbasis engagiert werden, stellt sich die Terminsuche für die Vorstellungen wegen anderer Verpflichtungen der Schauspieler oft schwierig dar. Mit festen Ensemblemitgliedern sei das künftig leichter.
Für die kleineren Kinder- und Jugendtheaterbühnen, die im Abraxas ihre Heimat haben, haben die angehobenen Zuschüsse auch spürbare Auswirkungen. „Endlich können wir unser Betriebskostendefizit auffangen“, sagt Sven Moussong vom Moussong-Theater mit Figuren. „Im Kindertheaterbereich können wir die Eintrittspreise nicht einfach anheben, bis wir kostendeckend arbeiten“, sagt Moussong.
Für Gabriele Beier vom Klextheater hat die Erhöhung des Zuschusses etwas Befreiendes. „Jetzt stehen wir nicht immer am finanziellen Abgrund“, sagt sie. „Das ist eine absolute Würdigung unserer Arbeit.“Karla Andrä vom Fakstheater erzählt, dass sie Jahre für eine Erhöhung der Zuschüsse gekämpft habe – allein. Das gemeinsame Vorgehen, das auch viel Zeit in Anspruch genommen habe, zahle sich nun aus. „Endlich können wir uns für neue Produktionen auch einmal einen bezahlten Regisseur leisten“, sagt sie. Das sei zuvor nicht möglich gewesen. Die Zuschüsse für das Moussong-Theater mit Figuren, das Klextheater, das Fakstheater, das Theater Fritz und Freunde und das Märchenzelt werden von 5000 Euro auf 20 000 Euro angehoben.
Bluespots Productions soll künftig statt 15 000 Euro Förderung 30 000 Euro bekommen. Leonie Pichler, die künstlerische Leiterin des Ensembles, sieht eine Chance gekommen, neue Menschen ins Boot zu holen. „Das bedeutet für uns Zukunft. Wir wissen jetzt, dass es uns auch noch im nächsten Jahr gibt.“
Relativ neu ist der Zusammenschluss des Theater-Ensembles, das vor zwei Jahren aus der Gruppe „Bring your own Elephant“hervorging. Gefördert wird das Ensemble von der Stadt dafür, dass es in den Räumen über dem City Club in Augsburg gerade einen Proberaum einrichtet, der auch anderen Gruppen für geringe Raummieten als Probenraum zur Verfügung gestellt werden soll, wie Leif Eric Young, einer der Macher des Ensembles, sagt. Und Ferdi Degirmencioglu, der Leiter des Theater Interkulturs, sieht durch die künftige städtische Unterstützung die Nachhaltigkeit seines Projekts gewährt.