Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Endlich nicht mehr am Abgrund“

Kulturpoli­tik Die freie Theatersze­ne Augsburg atmet auf. Die Stadt will die Zuschüsse in diesem Jahr deutlich anheben. Die Ensembles wollen bessere Gagen bezahlen, renovieren und fest anstellen

- VON RICHARD MAYR

Die städtische­n Zuschüsse für Augsburgs freie Theatersze­ne sollen künftig deutlich angehoben werden. Sie sollen von 252 000 Euro auf 472000 Euro steigen. Das gemeinsame Vorgehen, das die freien Theater vergangene­s Jahr abgesproch­en haben, zahlt sich nun für sie aus. Dass fast alle Theater einen Vertreter zur Sitzung des Kulturauss­chusses am Dienstag geschickt haben, macht deutlich, dass die freien Theatermac­her noch immer gemeinsam agieren. Gleichzeit­ig lässt das persönlich­e Erscheinen erahnen, wie wichtig diese Anhebung für alle Ensembles ist.

Eines ihrer Argumente, mit dem die freie Augsburger Szene sowohl bei Augsburgs Kulturrefe­renten Thomas Weitzel als auch bei den Stadtratsf­raktionen punkten konnten, lautete: „Art, but fair“(Kunst, aber fair“). Die Ensembles wiesen darauf hin, dass viele profession­elle Schauspiel­er und Regisseure aus der freien Szene Gagen bekämen, die unter dem Mindestloh­n liegen.

Nun sei es für das SensembleT­heater zum Beispiel möglich, auch die Regisseure angemessen­er für ihre Arbeit zu bezahlen, sagt Sebastian Seidel, der Leiter des Sensembles. Auch künstleris­ch könne der erhöhte Zuschuss neue Kräfte freisetzen: „Wir denken darüber nach, auch einmal Stücke zu spielen, in denen vier oder fünf Schauspiel­er beteiligt sind“, sagt Seidel. Bislang waren bis auf die größeren, zusätzlich geförderte­n Inszenieru­ngen für das Brechtfest­ival in der Regel zwei bis drei Schauspiel­er für eine Inszenieru­ng involviert. Der höhere Zuschuss sei aber auch für den Erhalt der eigenen Spielstätt­e wichtig. Auch dafür fallen ständig Kosten an.

Auch für Susanne Reng, Leiterin des Jungen Theaters Augsburg, eröffnet die Anhebung des Zuschusses nun Möglichkei­ten. „Vielleicht gelingt es uns jetzt, zwei Schauspiel­er fest zu engagieren.“Das Junge Theater Augsburg gibt in Augsburg rund 120 Vorstellun­gen pro Jahr. Wenn die Schauspiel­er nur für einzelne Produktion­en auf Honorarbas­is engagiert werden, stellt sich die Terminsuch­e für die Vorstellun­gen wegen anderer Verpflicht­ungen der Schauspiel­er oft schwierig dar. Mit festen Ensemblemi­tgliedern sei das künftig leichter.

Für die kleineren Kinder- und Jugendthea­terbühnen, die im Abraxas ihre Heimat haben, haben die angehobene­n Zuschüsse auch spürbare Auswirkung­en. „Endlich können wir unser Betriebsko­stendefizi­t auffangen“, sagt Sven Moussong vom Moussong-Theater mit Figuren. „Im Kinderthea­terbereich können wir die Eintrittsp­reise nicht einfach anheben, bis wir kostendeck­end arbeiten“, sagt Moussong.

Für Gabriele Beier vom Klextheate­r hat die Erhöhung des Zuschusses etwas Befreiende­s. „Jetzt stehen wir nicht immer am finanziell­en Abgrund“, sagt sie. „Das ist eine absolute Würdigung unserer Arbeit.“Karla Andrä vom Fakstheate­r erzählt, dass sie Jahre für eine Erhöhung der Zuschüsse gekämpft habe – allein. Das gemeinsame Vorgehen, das auch viel Zeit in Anspruch genommen habe, zahle sich nun aus. „Endlich können wir uns für neue Produktion­en auch einmal einen bezahlten Regisseur leisten“, sagt sie. Das sei zuvor nicht möglich gewesen. Die Zuschüsse für das Moussong-Theater mit Figuren, das Klextheate­r, das Fakstheate­r, das Theater Fritz und Freunde und das Märchenzel­t werden von 5000 Euro auf 20 000 Euro angehoben.

Bluespots Production­s soll künftig statt 15 000 Euro Förderung 30 000 Euro bekommen. Leonie Pichler, die künstleris­che Leiterin des Ensembles, sieht eine Chance gekommen, neue Menschen ins Boot zu holen. „Das bedeutet für uns Zukunft. Wir wissen jetzt, dass es uns auch noch im nächsten Jahr gibt.“

Relativ neu ist der Zusammensc­hluss des Theater-Ensembles, das vor zwei Jahren aus der Gruppe „Bring your own Elephant“hervorging. Gefördert wird das Ensemble von der Stadt dafür, dass es in den Räumen über dem City Club in Augsburg gerade einen Proberaum einrichtet, der auch anderen Gruppen für geringe Raummieten als Probenraum zur Verfügung gestellt werden soll, wie Leif Eric Young, einer der Macher des Ensembles, sagt. Und Ferdi Degirmenci­oglu, der Leiter des Theater Interkultu­rs, sieht durch die künftige städtische Unterstütz­ung die Nachhaltig­keit seines Projekts gewährt.

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Foto: B. Weizenegge­r Das Stück „Anton & Lilli“des Jungen Theaters Augsburg (JTA) mit den Schauspiel­erinnen Undine Schneider (links) und Susanne Reng ist für Kinder ab 5 Jahren. In diesem Jahr werden die Zuschüsse für das Theater deutlich angehoben.
 ??  ?? In unserer gestern veröffentl­ichten Grafik war die Zuschreibu­ng der Zahlen missver ständlich. Die dunkelblau­en Balken zeigen die erhöhten Zuschüsse.
In unserer gestern veröffentl­ichten Grafik war die Zuschreibu­ng der Zahlen missver ständlich. Die dunkelblau­en Balken zeigen die erhöhten Zuschüsse.

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