Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nikolai war am Ende nicht allein

Schicksal Krebskrank­er russischer Junge ist in Augsburg gestorben. Etwa 600 Menschen aus der Region hatten für seine Behandlung gespendet. Ein Herzenswun­sch ging noch in Erfüllung

- VON MARTIN GOLLING, EVELIN GRAUER UND ANDREA WENZEL

Der krebskrank­e russischer Junge, dessen Schicksal viele Menschen bewegt hat, ist in Augsburg gestorben. Etwa 600 Menschen aus der Region hatten für seine Behandlung gespendet. Kurz vor seinem Tod ging noch ein Herzenswun­sch in Erfüllung. »Augsburg Teil

Aindling/Augsburg Diese Nachricht dürfte viele Menschen aus Augsburg und dem Umland traurig machen. Nikolai Gerasimov ist am 4. Januar, zwei Tage vor seinem 13. Geburtstag, gestorben. Der russische Junge erkrankte vor zwei Jahren an Knochenkre­bs und wurde ab Herbst 2015 über Monate am Augsburger Klinikum behandelt. Auf einen Artikel in unserer Zeitung hin, hatten etwa 600 hilfsberei­te Menschen aus der Region rund 70 000 Euro für Nikolais Therapie gespendet.

Mit dieser Hilfe konnte der kranke Junge aus Omsk in Sibirien seine Chemo-Therapie fortsetzen. Da es bei der Behandlung zuvor Komplikati­onen gegeben hatte, war der Familie das Geld ausgegange­n. Etwa 70000 Euro hatte sie bis dahin bereits selbst aufgebrach­t, größtentei­ls durch Spenden. Dann wurden noch mal über 60 000 Euro gebraucht. Da Nikolais Mutter Alena Gerasimova keinen Rat mehr wusste, wandte sie sich an unsere Leser – mit riesigem Erfolg. „Ich hätte nie gedacht, dass fremde Menschen bereit sind, in dieser kurzen Zeit so viel Geld zu geben. Für uns ist diese Hilfsberei­tschaft ein Wunder. Vielen, vielen Dank!“, sagte sie im Mai.

Wie Heidi Bentele aus Aindling von der Tschernoby­l-Hilfe Nordschwab­en jetzt mitteilte, ist Nikolai im Kreis seiner Eltern und seiner geliebten Großmutter gestorben. Die Familie wohnte zuletzt bei der ehemaligen Aindlinger­in Marina Schmidberg­er in Augsburg. Die 39-jährige gebürtige Russin hatte sich über Monate aufopferun­gsvoll um die Familie gekümmert und auch die gesamten Dolmetsche­rarbeiten im Krankenhau­s und darüber hinaus übernommen. Auch die Tschernoby­l-Hilfe unterstütz­te die Familie in vielfältig­er Weise.

Nach einer ersten, weniger erfolgreic­hen Behandlung in Russland, war der Junge 2015 in Münster operiert worden. Zur anschließe­nden Chemothera­pie kam er nach Augsburg. Noch Ende Mai 2016 hatte unsere Zeitung berichtet, dass Nikolai das Klinikum verlassen und zurück nach Omsk zu seiner geliebten Oma reisen konnte. Dort sollte langsam die Rückkehr in den Alltag folgen; zunächst waren eine Reha und Unterricht zu Hause geplant. Der Zwölfjähri­ge wollte unbedingt schnell zurück in seine Klasse und in die Musikschul­e, wo er vor seiner Erkrankung Klavier- und Gesangsunt­erricht hatte.

Doch noch bevor im August der erste Kontrollte­rmin in Augsburg anstand, ging es Nikolai wieder schlechter. In Augsburg wurden dann neue Tumore im Knie und im Hals festgestel­lt. Letzterer war laut Marina Schmidberg­er bereits so groß, dass Speiseröhr­e und Luftröhre verengt wurden. Die traurige Diagnose der Ärzte: Es gibt keine Aussichten auf Heilung.

Damit Nikolai in seinen letzten Monaten medizinisc­h bestens versorgt werden kann, entscheide­t sich seine Mutter, dass die Familie in Augsburg bleibt. Sie wohnt bei Marina Schmidberg­er und zeitweise auch immer wieder bei Wladimir Unruh. Der 40-jährige deutsche Spätaussie­dler hatte die Familie bereits während der Chemothera­pie aufgenomme­n. Die neuerliche Diagnose ist auch für die Helfer niederschm­etternd. Mit letzter Kraft versuchen sie, den todkranken Jungen immer wieder aufzumunte­rn. Trotz aller Trauer ist Unruh jetzt auch „froh, dass Nikolai sich nicht mehr quälen muss“.

Wie Heidi Bentele berichtet, seien die Helfer oft an ihre Grenzen gegangen, auch Schmidberg­er: „Sie erweiterte ihren Einsatz zu einer großartige­n menschlich­en Geste. Sie ersparte Nikolai einen langen, ohnehin kaum bezahlbare­n Aufenthalt in einer palliative­n Einrichtun­g.“

Nikolais Mutter Alena und seiner Großmutter ist es ein großes Bedürfnis, sich ganz besonders bei Marina Schmidberg­er, den Ärzten und all jenen Spendern und Freunden zu bedanken, die eine Behandlung in der Augsburger Kinderklin­ik ermöglicht hatten. Der Bunte Kreis, der sein Konto für die Spenden zur Verfügung gestellt hatte, verwaltete das übrige Geld, das eigentlich für die Nachsorge gedacht war. Mit diesem Geld wurde jetzt die Überführun­g nach Sibirien bezahlt.

Der Dank von Heidi Bentele gilt auch Landrat Martin Sailer und Andrea Amador vom Bayerische­n Roten Kreuz, die Nikolai einen Besuch auf dem Christkind­lmarkt ermöglicht­en und die ihm damit in seinen letzten Wochen einen Herzenswun­sch erfüllt hätten, so Bentele.

Für die Erfahrung, in einer außerorden­tlich schweren Zeit nicht allein gewesen zu sein und Hilfe von fremden Menschen erhalten zu haben, möchten sich Nikolais Mutter und Großmutter von ganzem Herzen bedanken.

Statt Nachsorge jetzt die Überführun­g nach Sibirien

 ?? Foto: Aleg Maksimovic­h ?? Bereits todkrank erfüllte sich einer der größten Wünsche von Nikolai, den Augsburger Weihnachts­markt besuchen zu dürfen und einen der Engel zu treffen.
Foto: Aleg Maksimovic­h Bereits todkrank erfüllte sich einer der größten Wünsche von Nikolai, den Augsburger Weihnachts­markt besuchen zu dürfen und einen der Engel zu treffen.

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