Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nikolai war am Ende nicht allein
Schicksal Krebskranker russischer Junge ist in Augsburg gestorben. Etwa 600 Menschen aus der Region hatten für seine Behandlung gespendet. Ein Herzenswunsch ging noch in Erfüllung
Der krebskranke russischer Junge, dessen Schicksal viele Menschen bewegt hat, ist in Augsburg gestorben. Etwa 600 Menschen aus der Region hatten für seine Behandlung gespendet. Kurz vor seinem Tod ging noch ein Herzenswunsch in Erfüllung. »Augsburg Teil
Aindling/Augsburg Diese Nachricht dürfte viele Menschen aus Augsburg und dem Umland traurig machen. Nikolai Gerasimov ist am 4. Januar, zwei Tage vor seinem 13. Geburtstag, gestorben. Der russische Junge erkrankte vor zwei Jahren an Knochenkrebs und wurde ab Herbst 2015 über Monate am Augsburger Klinikum behandelt. Auf einen Artikel in unserer Zeitung hin, hatten etwa 600 hilfsbereite Menschen aus der Region rund 70 000 Euro für Nikolais Therapie gespendet.
Mit dieser Hilfe konnte der kranke Junge aus Omsk in Sibirien seine Chemo-Therapie fortsetzen. Da es bei der Behandlung zuvor Komplikationen gegeben hatte, war der Familie das Geld ausgegangen. Etwa 70000 Euro hatte sie bis dahin bereits selbst aufgebracht, größtenteils durch Spenden. Dann wurden noch mal über 60 000 Euro gebraucht. Da Nikolais Mutter Alena Gerasimova keinen Rat mehr wusste, wandte sie sich an unsere Leser – mit riesigem Erfolg. „Ich hätte nie gedacht, dass fremde Menschen bereit sind, in dieser kurzen Zeit so viel Geld zu geben. Für uns ist diese Hilfsbereitschaft ein Wunder. Vielen, vielen Dank!“, sagte sie im Mai.
Wie Heidi Bentele aus Aindling von der Tschernobyl-Hilfe Nordschwaben jetzt mitteilte, ist Nikolai im Kreis seiner Eltern und seiner geliebten Großmutter gestorben. Die Familie wohnte zuletzt bei der ehemaligen Aindlingerin Marina Schmidberger in Augsburg. Die 39-jährige gebürtige Russin hatte sich über Monate aufopferungsvoll um die Familie gekümmert und auch die gesamten Dolmetscherarbeiten im Krankenhaus und darüber hinaus übernommen. Auch die Tschernobyl-Hilfe unterstützte die Familie in vielfältiger Weise.
Nach einer ersten, weniger erfolgreichen Behandlung in Russland, war der Junge 2015 in Münster operiert worden. Zur anschließenden Chemotherapie kam er nach Augsburg. Noch Ende Mai 2016 hatte unsere Zeitung berichtet, dass Nikolai das Klinikum verlassen und zurück nach Omsk zu seiner geliebten Oma reisen konnte. Dort sollte langsam die Rückkehr in den Alltag folgen; zunächst waren eine Reha und Unterricht zu Hause geplant. Der Zwölfjährige wollte unbedingt schnell zurück in seine Klasse und in die Musikschule, wo er vor seiner Erkrankung Klavier- und Gesangsunterricht hatte.
Doch noch bevor im August der erste Kontrolltermin in Augsburg anstand, ging es Nikolai wieder schlechter. In Augsburg wurden dann neue Tumore im Knie und im Hals festgestellt. Letzterer war laut Marina Schmidberger bereits so groß, dass Speiseröhre und Luftröhre verengt wurden. Die traurige Diagnose der Ärzte: Es gibt keine Aussichten auf Heilung.
Damit Nikolai in seinen letzten Monaten medizinisch bestens versorgt werden kann, entscheidet sich seine Mutter, dass die Familie in Augsburg bleibt. Sie wohnt bei Marina Schmidberger und zeitweise auch immer wieder bei Wladimir Unruh. Der 40-jährige deutsche Spätaussiedler hatte die Familie bereits während der Chemotherapie aufgenommen. Die neuerliche Diagnose ist auch für die Helfer niederschmetternd. Mit letzter Kraft versuchen sie, den todkranken Jungen immer wieder aufzumuntern. Trotz aller Trauer ist Unruh jetzt auch „froh, dass Nikolai sich nicht mehr quälen muss“.
Wie Heidi Bentele berichtet, seien die Helfer oft an ihre Grenzen gegangen, auch Schmidberger: „Sie erweiterte ihren Einsatz zu einer großartigen menschlichen Geste. Sie ersparte Nikolai einen langen, ohnehin kaum bezahlbaren Aufenthalt in einer palliativen Einrichtung.“
Nikolais Mutter Alena und seiner Großmutter ist es ein großes Bedürfnis, sich ganz besonders bei Marina Schmidberger, den Ärzten und all jenen Spendern und Freunden zu bedanken, die eine Behandlung in der Augsburger Kinderklinik ermöglicht hatten. Der Bunte Kreis, der sein Konto für die Spenden zur Verfügung gestellt hatte, verwaltete das übrige Geld, das eigentlich für die Nachsorge gedacht war. Mit diesem Geld wurde jetzt die Überführung nach Sibirien bezahlt.
Der Dank von Heidi Bentele gilt auch Landrat Martin Sailer und Andrea Amador vom Bayerischen Roten Kreuz, die Nikolai einen Besuch auf dem Christkindlmarkt ermöglichten und die ihm damit in seinen letzten Wochen einen Herzenswunsch erfüllt hätten, so Bentele.
Für die Erfahrung, in einer außerordentlich schweren Zeit nicht allein gewesen zu sein und Hilfe von fremden Menschen erhalten zu haben, möchten sich Nikolais Mutter und Großmutter von ganzem Herzen bedanken.
Statt Nachsorge jetzt die Überführung nach Sibirien