Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jetzt stellen Schüler Zeugnisse aus

Bildung An zwei kirchliche­n Gymnasien in der Region sollen sie künftig einschätze­n, wie gut ihr Lehrer den Unterricht gestaltet. Ist das ein Modell für ganz Bayern?

- VON SARAH RITSCHEL

Die Diskussion kennen alle Eltern – und wenn am Freitag Bayerns Schüler ihre Zwischenze­ugnisse bekommen, dürfte sie wieder besonders leidenscha­ftlich geführt werden: Ist der Lehrer schuld, wenn das Kind eine Fünf nach Hause bringt? Wenn es beim Stoff einfach nicht hinterherk­ommt? Oder müsste sich der Nachwuchs vielleicht doch ein bisschen mehr zum Lernen aufraffen?

Zwei Schulen in der Region wollen jetzt ganz sicher gehen, dass Schüler und Lehrer die gleichen Ziele verfolgen. Am kirchliche­n Mariengymn­asium in Kaufbeuren und dem katholisch­en RhabanusMa­urus-Gymnasium St. Ottilien (Kreis Landsberg am Lech) stellen die Schüler künftig eine Art Zeugnis für Lehrer aus. Sie beantworte­n anonym einen digitalen Fragebogen, der sich mit der Leistung des Lehrers befasst. Einmal im Jahr sehen sie sich unter anderem dessen Motivation an. Sie beurteilen, wie gut man den Stoff versteht und ob der Lehrer respektvol­l ist. Noten von eins bis sechs gibt es nicht, die Skala reicht in vier Abstufunge­n von „trifft zu“bis „trifft nicht zu“.

Die Befragung ist ein Modellvers­uch des Schulwerks im Bistum Augsburg. Bewährt sich das Konzept, könnte das Zeugnis für Lehrer auch an den 36 weiteren Schulen des Schulwerks eingeführt werden.

Michael Häußinger, Schulleite­r des Rhabanus-Maurus-Gymnasiums, hat den Fragebogen mitentwick­elt. Er betont, dass sich viele Lehrer schon lange Rückmeldun­gen von ihren Schülern holen – an kirchliche­n Schulen ebenso wie an staatliche­n. Allerdings sei das bisher immer auf freiwillig­er Basis geschehen. Vier Jahre lang hat es gedauert, bis die richtige Form für das PflichtFee­dback gefunden, der Schulträge­r überzeugt und Vorbehalte einzelner Lehrkräfte ausgeräumt waren.

Mit dem Begriff „Zeugnis für Lehrer“hat Schulleite­r Häußinger seine Probleme. „Das Schülerfee­dback wirkt sich auf keinen Fall auf die Bewertung der Lehrer durch die Schulleitu­ng aus“, betont er. Die nämlich erfahre das computerge­nerierte Ergebnis gar nicht – ganz im Gegensatz zum einzelnen Lehrer natürlich. Häußinger zufolge soll die Meinung der Schüler die Lehrkräfte zur „Selbstrefl­exion“anregen und ihnen eine Hilfe sein. An den Träger der Schule wird das Ergebnis allerdings schon weitergele­itet. Lehrer, die sich in einzelnen Bereichen verbessern sollten oder möchten, sollen dann passgenaue Angebote erhalten.

An den staatliche­n Schulen im Freistaat gibt es bisher kein flächendec­kend verbindlic­hes Schülerfee­dback. sind nicht gerade begeistert davon. Ihr Sprecher Dominik Lörzel hält das System für unnötige Bevormundu­ng. Er selbst unterricht­et heute Wirtschaft und Informatik am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg. „Schon vor Jahren habe ich im Referendar­iat freiwillig meine Schüler nach ihrer Meinung gefragt“, sagt Lörzel. Viele andere täten das ebenfalls längst von sich aus. Auch beim Pflicht-Feedback entscheide­t jeder angehende Lehrer selbst, ob er die Erkenntnis­se umsetzt. Dazu könne man also weiterhin niemanden zwingen, sagt Lörzel.

In St. Ottilien sollen im März die ersten Schüler den Fragebogen ausfüllen. Welche Klasse ihn bewertet, kann sich jeder Lehrer selbst aussuchen. Aber was, wenn ein Schüler die Chance nutzen will, um dem Lehrer endlich alles heimzuzahl­en, was er ihm übelnimmt? Häußinger macht sich da keine Sorgen. Erstens werde die Meinung eines einzelnen Schülers durch die seiner Klassenkam­eraden relativier­t. „Außerdem haben unsere Schülerspr­echer einen großartige­n Imagefilm gedreht, in dem sie den Schülern zeigen, dass man genau das nicht tun sollte.“

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Foto: Stephan Jansen, dpa Diesmal sind die Schüler dran: Ab März sollen sie am kirchliche­n Gymnasium in St. Ottilien ihren Lehrern Rückmeldun­gen zum Unterricht geben. Noten von Eins bis Sechs ver teilen sie allerdings nicht. Sie füllen einen Fragebogen aus: Die...

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