Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein „hochglanzkatholisches“Publikum
Landfrauentag Pfarrer Rainer Maria Schießler spricht darüber, warum seine „Firma“ein Marketingkonzept braucht – wie die Landwirtschaft
Richtiggehend ausgespäht hätten sie ihn auf der Wiesn, sagt der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler, der dort seit Jahren als Bedienung Bier und Hendl serviert. „Das hätten Sie sehen sollen, die haben keine Ruhe gegeben“, erzählt er mit einem schelmischen Lächeln. Und so habe er dem Drängen der Dillinger Landfrauen, allen voran die bisherige Kreisbäuerin Hannelore Schmid, nachgegeben und für den Landfrauentag zugesagt.
Als Schießler nach einem mehr als einstündigen Vortrag endet – vor allem um endlich seine Parkuhr zu füttern –, ist längst klar: Die Fahrt der Landfrauen zur Wiesn hat sich gelohnt. Selten hat man einen Pfarrer so unterhaltsam erzählen hören. Und dabei gleichzeitig noch so viel für sich selbst mitgenommen. Authentizität, sagt der Pfarrer aus dem Münchner Glockenbachviertel, sei der Schlüssel zum Erfolg in seiner „Firma“. Wer eine Vorlesung halten wolle, der könne das daheim vor dem Spiegel tun. Aber nicht in der Kirche. Dort wollen die Leute für eine Stunde die Rucksäcke, die ihnen das Leben aufgebürdet hat, zwischenlagern. Und genau das tun an diesem Vormittag beim Landfrauentag auch seine Zuhörerinnen. „Hochglanzkatholisch“sei das Publikum, das mit einem Gottesdienst in den Tag gestartet ist, lobt Schießler. Doch die, die man eigentlich finden müsse, die kämen eben nicht so einfach von selbst in die Kirche. Gerade um die müsse sich seine Firma, die Kirche, aber auch bemühen. „Wenn mich jemand fragt, was meine Aufgabe ist, sage ich: Nachlaufen.“Schießler ist keiner, der die Dinge gern einfach so hinnimmt, wie sie sind. Am besten, sagt er, predigt er, wenn er stocknarrisch ist. Und wenn er das außerhalb der Kirche wird, dann hält er eben eine Gardinenpredigt. So wie der jungen Frau, die bei ihm im Wiesnzelt für viel Geld eine halbe Ente bestellte und dann nur daran herumfieselte, weil sie eigentlich gar keinen Hunger hatte. „Da willst du die Leute am liebsten aufrütteln. Das hat mich zutiefst erschüttert, was wir da wegschmeißen, wie wir mit der Schöpfung umgehen“, sagt der Geistliche, der gleich zu Anfang klargestellt hat, dass er sich gerne an der Unterschriftenaktion beteiligt, die die Landwirte gegen die verunglückte Imagekampagne von Umweltministerin Barbara Hendricks initiiert haben.
Die Plakatkampagne mit den „Bauernregeln“, sagt die frisch gewählte Kreisbäuerin Annett Jung, sei eine eineinhalb Millionen Euro teure Diffamierung der eigenen Landwirte. „Es ist wichtig, dass sie unseren Unmut erfährt.“Und dass man zeige, dass durch solche Kampagnen der tägliche Beitrag der Landwirte zum Tierschutz und Naturschutz mit Füßen getreten werde. Angesichts solcher Kampagnen sei es noch wichtiger, selbst ein gutes Marketingkonzept zu haben, sagt der kürzlich bestätigte BBVKreisobmann Klaus Beyrer. Da gehe es der Landwirtschaft ganz ähnlich wie der katholischen Kirche. Beide seien einst ein großer Teil der Gesellschaft gewesen, deren Bedeutung in den vergangenen Jahrzehnten rapide gesunken ist. Gerade in einer Zeit, in der sich alles auf die Städte konzentriere, müsse man für das Land und die Landwirtschaft trommeln, sagt Beyrer. Und die Landfrauen, die leisteten da einen wichtigen Beitrag. Sei es mit Hofführungen, aber auch mit ihren Kuchen auf der WIR.
Einer, die in den vergangenen Jahren an der Spitze der Landfrauen im Landkreis Dillingen stand, wurde deshalb am Dienstag eine ganz besondere Ehre zuteil. Hannelore Schmid, die zehn Jahre Kreisbäuerin war, wurde mit einer Urkunde vom Bayerischen Bauernpräsident Walter Heidl zur Ehrenkreisbäuerin ernannt. Geehrt wurde aber auch ihre bisherige Stellvertreterin Ingrid Kratzer. Für ihre Arbeit hatten der ehemaligen Kreisbäuerin zuvor auch Oberbürgermeister Frank Kunz, Thomas Schwarzbauer von der Sparkasse und Alfred Schneid, der in zwanzig Jahren als stellvertretender Landrat zum ersten Mal beim Landfrauentag war, gedankt. Gleichzeitig wünschten sie dem neuen Vorstandsteam um Annett Jung ein glückliches Händchen.