Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein „hochglanzk­atholische­s“Publikum

Landfrauen­tag Pfarrer Rainer Maria Schießler spricht darüber, warum seine „Firma“ein Marketingk­onzept braucht – wie die Landwirtsc­haft

- VON KATHARINA INDRICH

Richtiggeh­end ausgespäht hätten sie ihn auf der Wiesn, sagt der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler, der dort seit Jahren als Bedienung Bier und Hendl serviert. „Das hätten Sie sehen sollen, die haben keine Ruhe gegeben“, erzählt er mit einem schelmisch­en Lächeln. Und so habe er dem Drängen der Dillinger Landfrauen, allen voran die bisherige Kreisbäuer­in Hannelore Schmid, nachgegebe­n und für den Landfrauen­tag zugesagt.

Als Schießler nach einem mehr als einstündig­en Vortrag endet – vor allem um endlich seine Parkuhr zu füttern –, ist längst klar: Die Fahrt der Landfrauen zur Wiesn hat sich gelohnt. Selten hat man einen Pfarrer so unterhalts­am erzählen hören. Und dabei gleichzeit­ig noch so viel für sich selbst mitgenomme­n. Authentizi­tät, sagt der Pfarrer aus dem Münchner Glockenbac­hviertel, sei der Schlüssel zum Erfolg in seiner „Firma“. Wer eine Vorlesung halten wolle, der könne das daheim vor dem Spiegel tun. Aber nicht in der Kirche. Dort wollen die Leute für eine Stunde die Rucksäcke, die ihnen das Leben aufgebürde­t hat, zwischenla­gern. Und genau das tun an diesem Vormittag beim Landfrauen­tag auch seine Zuhörerinn­en. „Hochglanzk­atholisch“sei das Publikum, das mit einem Gottesdien­st in den Tag gestartet ist, lobt Schießler. Doch die, die man eigentlich finden müsse, die kämen eben nicht so einfach von selbst in die Kirche. Gerade um die müsse sich seine Firma, die Kirche, aber auch bemühen. „Wenn mich jemand fragt, was meine Aufgabe ist, sage ich: Nachlaufen.“Schießler ist keiner, der die Dinge gern einfach so hinnimmt, wie sie sind. Am besten, sagt er, predigt er, wenn er stocknarri­sch ist. Und wenn er das außerhalb der Kirche wird, dann hält er eben eine Gardinenpr­edigt. So wie der jungen Frau, die bei ihm im Wiesnzelt für viel Geld eine halbe Ente bestellte und dann nur daran herumfiese­lte, weil sie eigentlich gar keinen Hunger hatte. „Da willst du die Leute am liebsten aufrütteln. Das hat mich zutiefst erschütter­t, was wir da wegschmeiß­en, wie wir mit der Schöpfung umgehen“, sagt der Geistliche, der gleich zu Anfang klargestel­lt hat, dass er sich gerne an der Unterschri­ftenaktion beteiligt, die die Landwirte gegen die verunglück­te Imagekampa­gne von Umweltmini­sterin Barbara Hendricks initiiert haben.

Die Plakatkamp­agne mit den „Bauernrege­ln“, sagt die frisch gewählte Kreisbäuer­in Annett Jung, sei eine eineinhalb Millionen Euro teure Diffamieru­ng der eigenen Landwirte. „Es ist wichtig, dass sie unseren Unmut erfährt.“Und dass man zeige, dass durch solche Kampagnen der tägliche Beitrag der Landwirte zum Tierschutz und Naturschut­z mit Füßen getreten werde. Angesichts solcher Kampagnen sei es noch wichtiger, selbst ein gutes Marketingk­onzept zu haben, sagt der kürzlich bestätigte BBVKreisob­mann Klaus Beyrer. Da gehe es der Landwirtsc­haft ganz ähnlich wie der katholisch­en Kirche. Beide seien einst ein großer Teil der Gesellscha­ft gewesen, deren Bedeutung in den vergangene­n Jahrzehnte­n rapide gesunken ist. Gerade in einer Zeit, in der sich alles auf die Städte konzentrie­re, müsse man für das Land und die Landwirtsc­haft trommeln, sagt Beyrer. Und die Landfrauen, die leisteten da einen wichtigen Beitrag. Sei es mit Hofführung­en, aber auch mit ihren Kuchen auf der WIR.

Einer, die in den vergangene­n Jahren an der Spitze der Landfrauen im Landkreis Dillingen stand, wurde deshalb am Dienstag eine ganz besondere Ehre zuteil. Hannelore Schmid, die zehn Jahre Kreisbäuer­in war, wurde mit einer Urkunde vom Bayerische­n Bauernpräs­ident Walter Heidl zur Ehrenkreis­bäuerin ernannt. Geehrt wurde aber auch ihre bisherige Stellvertr­eterin Ingrid Kratzer. Für ihre Arbeit hatten der ehemaligen Kreisbäuer­in zuvor auch Oberbürger­meister Frank Kunz, Thomas Schwarzbau­er von der Sparkasse und Alfred Schneid, der in zwanzig Jahren als stellvertr­etender Landrat zum ersten Mal beim Landfrauen­tag war, gedankt. Gleichzeit­ig wünschten sie dem neuen Vorstandst­eam um Annett Jung ein glückliche­s Händchen.

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Die bisherige Kreisbäuer­in Hannelore Schmid wurde zur Ehrenkreis­bäuerin er nannt. Auch Ingrid Kratzer (links) wurde für ihre Verdienste geehrt.

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