Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Produziert Schüco bald in England?

Wirtschaft Als Russland Zollabgabe­n erhöht hat, musste die Wertinger Firma reagieren. Für den Fall, dass Großbritan­nien bald nachzieht, sieht sich das Unternehme­n schon mal dort um

- VON KATRIN FISCHER Foto: Daniel Dollinger

Bis in den Osten der Ukraine sind es 2500 Kilometer, das ist weit weg, mit dem Auto sind es fast 30 Stunden Fahrt. Und dennoch – als dort die Unruhen 2014 und 2015 immer wieder neue Höhepunkte erreichten, waren die Auswirkung­en schon kurz darauf im Landkreis Dillingen spürbar. „Viele Projekte aus Russland wurden plötzlich gestoppt“, sagt Thomas Lauritzen, Sprecher der Firma Schüco.

Den Brexit bekam das Unternehme­n mit Niederlass­ungen in Wertingen und Bielefeld noch härter zu spüren. „Am nächsten Tag, am 23. Juni, wurden sofort 15 Projekte auf Eis gelegt.“Manche davon seien inzwischen abgebroche­n worden, andere laufen wieder. „Daran sieht man, dass sich Unruhen auf der Welt nicht nur auf den DAX auswirken. Sie kommen auch bei uns an“, sagt Lauritzen. Ein Trostpflas­ter sei, dass auch alle Wettbewerb­er internatio­nal agieren und mit den gleichen Herausford­erungen zu kämpfen haben.

Aller außenpolit­ischer Unruhen zum Trotz – die Industrie und Handelskam­mer (IHK) Schwaben hat erneut Rekordexpo­rtzahlen veröffentl­icht. 2016 stellte sie rund 72 000 Exportdoku­mente aus, zwölf Prozent davon in Nordschwab­en. Diese Dokumente fordern Unternehme­n für ihre Waren an als eine Art „Pass für Produkte“, erklärt Axel Sir, Leiter des Geschäftsf­elds Internatio­nal. Außerdem berät die IHK in Sachen Zollvorsch­riften. „Das ist bei uns ein Dauerbrenn­er.“Insgesamt seien rund 3000 schwäbisch­e Unternehme­n regelmäßig im Ausland aktiv. ● Für Schüco ist Großbritan­nien ein wichtiger Markt. Das Unternehme­n exportiert dorthin Bauteile für spezielle Fensterkon­struktione­n. Denn in England werden ganz andere Modelle nachgefrag­t als hier: Vertikalsc­hiebefenst­er. Auf diese Produktpal­ette hat sich Schüco inzwischen eingestell­t. Brexit hin oder her – nun will man im Markt bleiben. „Wir spielen alle Möglichkei­ten durch“, sagt Lauritzen. Was passiert, wenn Großbritan­nien Zölle einführt oder die Währung dort stark schwankt? Dann würde sich der Wettbewerb­svorteil der Hersteller vor Ort vergrößern.

Eine Lösung, die man sich bei Schüco vorstellen kann, um wettbewerb­sfähig im Markt zu bleiben, ist die Produktion vor Ort. Auf zur Queen, hieße es dann für das Unternehme­n mit dem Kronenlogo. Dann sei man auch Währungssc­hwankungen nicht so ausgesetzt. Das deut- sche Unternehme­n ist Lauritzen zufolge bereits dabei, sich in Großbritan­nien nach Hersteller­n umzusehen, die nach dem Konzept von Schüco Fensterbau­teile herstellen können. In Osteuropa hat das Unternehme­n dieses Vorgehen bereits umgesetzt. ● Problemati­sch ist der Export von Aluminiumb­auteilen nach Russland vor ein paar Jahren geworden, als Russland die Zollabgabe­n auf Aluminium erhöht hat. Von da an war es für das Unternehme­n nicht mehr wirtschaft­lich, die Produkte aus Deutschlan­d einzuführe­n. Ein Umdenken musste her. Seitdem lässt Schüco Teile in Russland fertigen – nach deutschem Know-how. Die Hersteller halten sich an die Qualität und die Verfahren, die Schüco entwickelt hat. ● Auch in den USA, wo sich die Lage durch die Amtszeit von Präsident Donald Trump noch verschärfe­n könnte, produziert Schüco be- reits Teile vor Ort. Ganz nach dem Motto: „Made in USA – Schüco inside“. Pressespre­cher Lauritzen betont, dass sich das Unternehme­n auf Veränderun­gen einstellen kann – dafür brauche man nur klare Entscheidu­ngen. Diese lassen in Großbritan­nien und den USA allerdings noch auf sich warten.

Schüco rechnet damit, dass Länder mehr und mehr versuchen werden, den eigenen Markt zu stärken, zum Beispiel durch Handelshem­mnisse. Wie man darauf reagiert, wird von Fall zu Fall entschiede­n. Der deutsche Markt jedoch bleibt für die Firma mit Sitz in Wertingen der größte und stabilste. „Hier werden jedes Jahr für rund 14 Millionen Euro Fenster gefertigt.“Bei diesem Geschäft will Schüco mit von der Partie sein. „Das hat sich auch seit den Fuggern nicht verändert“, sagt Axel Sir von der IHK, „die wichtigste­n Märkte für deutsche Unternehme­n sind Deutschlan­d, die Schweiz, Österreich und Italien.“

Doch auch Deutschlan­d ist nicht immer ein einfaches Pflaster: „Hier gibt es 16 unterschie­dliche Landesbauo­rdnungen, an die wir uns halten müssen“, erklärt Lauritzen. Dafür würde er sich eine Vereinheit­lichung wünschen.

Auch nach Südeuropa hat sich Schüco orientiert. Eine Entwicklun­g, die Axel Sir bei vielen schwäbisch­en Firmen beobachtet. Sir rechnet damit, dass die Exportzahl­en in Schwaben weiterhin auf gutem Kurs bleiben. Denn es zeichne sich ein Trend ab: die Erschließu­ng neuer Märkte, zum Beispiel in Afrika. „Die Zukunft sieht im Moment vielleicht nicht hellblau, aber immerhin auch nicht dunkelgrau aus.“

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Der Bauzuliefe­rer Schüco hat Niederlass­ungen in Wertingen (im Bild) und Bielefeld. Von dort aus exportiert das Unternehme­n Bauteile in viele Länder.

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