Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie oft muss die Stadt Laub kehren?

Justiz Ein Augsburger rutscht aus und verletzt sich schwer. Wie seine Chancen auf Schmerzens­geld stehen

- VON PETER RICHTER

Wenn Schnee oder Laub fällt, besteht für Grundstück­eigentümer grundsätzl­ich Räumpflich­t. Doch wie häufig muss eine Stadt wie Augsburg seine Straßen, Geh- und Radwege säubern? Was ist zumutbar? Immer wieder werden Zivilgeric­hte angerufen, wenn es zu Unfällen kommt. So wie im Fall von KarlHeinz Eberhard. Der 57-Jährige war im Herbst in Haunstette­n auf nassem Laub ausgerutsc­ht, hatte sich schwer verletzt. Wegen dreier gebrochene­r Halswirbel lag er zehn Tage im Krankenhau­s. Wochenlang sei auf dem Geh- und Radweg, der zum Siebentisc­hwald führt, nicht gekehrt worden, behauptet der Gestürzte. Er hat die Stadt auf 5000 Euro Schmerzens­geld verklagt.

Vor Gericht trafen sich jetzt die Parteien. Schnell wurde klar, die Chancen des Klägers auf eine Entschädig­ung stehen nicht allzu gut. Nicht nur, weil es keine Fotos gibt, wie der Gehweg am Unfalltag ausgesehen hat. Ebenso wenig steht der Straßenkeh­rer, der im Herbst dort eingesetzt war, als Zeuge zur Verfügung. Er ist inzwischen gestorben. Seinem Einsatzpla­n nach hatte er jeden Dienstag und Mittwoch dort den Gehweg gekehrt.

Die verklagte Stadt ist ohnehin der Ansicht: „Es gibt keinen Anspruch, jeden Weg und Steg im Herbst laubfrei zu halten.“Ein höherer Aufwand sei nur dann zu rechtferti­gen, so ihr Anwalt Golo Bellot, wenn es sich um eine besondere Gefahrenst­elle handele. Dort, wo der Augsburger stürzte, sei dies aber „definitiv nicht der Fall“. Die Stadt hat, wie in der Verhandlun­g zur Sprache kam, die Rechtsprec­hung auf ihrer Seite. Denn ihr Einsatz muss auch wirtschaft­lich zumutbar sein.

Immerhin müssen in Augsburg rund 150 Kilometer an Gehwegen und 220 Kilometer an Radwegen auf städtische­m Grund geräumt werden. Nach Angaben von Alfons Stegmann, Leiter der Straßenrei­nigung, rücken Räumfahrze­uge und Straßenkeh­rer je nach Bedarf aus. In der Stadtmitte mit viel Publikumsv­erkehr bis zu fünf Mal täglich, in den Außenberei­chen deutlich weniger.

Karl-Heinz Eberhard, der immer noch an den Folgen seines mehr als zwei Jahre zurücklieg­enden Sturzes leidet, darf dennoch ein wenig hoffen. Richter Thomas Bartholy entließ die Parteien mit einem Vergleichs­vorschlag. Wenn die Stadt und die hinter ihr stehende Bayerische Versicheru­ngskammer zustimmen, bekäme er ein Schmerzens­geld von 2500 Euro. „Ohne Anerkennun­g einer Rechtspfli­cht“, wie es im schönsten Juristende­utsch heißt.

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