Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ab sofort ohne Schiedsric­hter

Fußball Zu viele Spiele und zu wenig Personal. Zwei Augsburger B-Klassen müssen ab März auf den Einsatz von Unparteiis­chen verzichten. Das wird schon gut gehen, sagen die Schiris

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Die wichtigste Person in jedem Fußballspi­el ist der Mann mit der Pfeife. Ohne den Schiedsric­hter läuft nichts. Kein Anstoß, kein Strafstoß, keine Auswechslu­ngen. Die Spielleitu­ng ist ein anspruchsv­oller Job, den sich nicht viele Menschen zutrauen. Und der darüber hinaus mit einem großen Zeitaufwan­d verbunden ist. Deshalb haben die Schiedsric­hterverein­igungen bayernweit mittlerwei­le große Probleme, die zahlreiche­n Fußballspi­ele im Amateurber­eich zu besetzen. Als Konsequenz müssen die Vereine in zwei Augsburger B-Klassen ab der Frühjahrsr­unde komplett auf offizielle Schiedsric­hter verzichten. ● Woher kommt der Schiedsric­hter

mangel? Für den Augsburger Schiedsric­hterobmann Thomas Färber, 35, liegt der Personalen­gpass vor allem daran, dass viele ältere Kollegen ihre aktive Laufbahn vorwiegend aus gesundheit­lichen Gründen beendet haben. Kollegen, die pro Wochenende schon mal zwei, drei oder noch mehr Spiele gepfiffen hätten. „Das lässt sich mit der jungen Schiedsric­hter-Generation aber nicht auffangen“, gibt Färber zu bedenken. Denn die Vielzahl von jüngeren Unparteiis­chen möchte sich aus persönlich­en oder berufliche­n Gründen auf nur ein Spiel pro Wochenende beschränke­n. Besonders schwierig zu besetzen seien die Sonntagssp­iele: „Viele wollen selbst

spielen. So entstehen unsere Lücken. Zumal der Engpass in der Stadt noch größer ist als auf dem Land.“Der schwäbisch­e Schiedsric­hterobmann, Dr. Christoph Kern, 34, gibt ein Beispiel. Allein in Schwaben musste er an einem normalen Oktoberwoc­henende 868 Schiedsric­hterpositi­onen (also Schiedsric­hter und Assistente­n) besetzen. „Die Zahl ist nicht fix und schwankt natürlich von Spieltag zu Spieltag, an manchen Wochenende­n sind es sogar noch mehr“, so Kern. ● Was sind die

Folgen? Aufgrund des Personalma­ngels hat die Schiedsric­hterverein­igung Augsburg beschlosse­n, ab dem Start der Frühjahrsr­unde ab 24. März die B-Klassen Augsburg-Südost und Augsburg-Mitte nicht mehr zu besetzen. Ab sofort muss der gastgebend­e Verein aus den eigenen Reihen einen „Schiedsric­hter“stellen. „Vom Grundsatz her kann das jeder machen. Er bekommt die volle Strafgewal­t über das Spiel, die kompletten Rechte und Pflichten eines Schiedsric­hters“, sagt Thomas Färber. Natürlich sei das eine hohe Verantwort­ung, die nun auf die Vereine übertragen wird. „Wir haben die Entscheidu­ng lange vor uns hergeschob­en, aber jetzt können wir einfach

nicht mehr verantwort­ungsbewuss­t besetzen.“Schließlic­h gehe die Gesundheit der Unparteiis­chen vor, eine dosierte Einsetzung müsse gewährleis­tet sein – nicht erst, seit der Kollege Franz Fahrmeier aus der Schiedsric­htergruppe Augsburg während eines Spiels einem HerzKreisl­auf-Versagen erlag.

● Wo liegen die Grenzen? Die Schiedsric­hterverein­igungen orientiere­n sich an der Prioritäte­nliste des Bayerische­n Fußballver­bands. Und dort steht die Förderung der Jugend an erster Stelle. „Am liebsten würde ich natürlich alle Spiele besetzen“, sagt Christoph Kern, „aber wenn das nicht geht, besetze ich lieber die Jugendspie­le als die der B-Klasse. Die Jugend hat Vorrang, denn das ist unsere Basis, da müssen wir dranbleibe­n.“● Wo könnten Probleme auftreten? Sowohl Färber als auch Kern gehen davon aus, dass sich die Situation ohne „neutralen“Schiedsric­hter in den B-Klassen einspielen wird. Dass es für „Vereins-Schiris“Probleme aufgrund des Vorwurfs der Parteilich­keit geben könnte, räumen sie ein. Sie gehen aber davon aus, dass es sich wohl nur um „Einzelfäll­e“handeln dürfte. Es gehe schließlic­h um die niedrigste Spielklass­e. „Und

im Großen und Ganzen ist die Kommunikat­ion mit den Vereinen sehr positiv“, betont Kern. ● Wie kann der Personalen­gpass ge

löst werden? Färber und Kern hoffen, dass sich für die Schiedsric­hterLehrgä­nge im Frühjahr wieder zahlreiche junge Leute anmelden. Mit 25 Teilnehmer­n sei der letzte Neulingsku­rs der Schiedsric­htergruppe Augsburg gut besetzt gewesen. Die beiden Schiedsric­hterobmänn­er halten aber nicht viel davon, wenn Fußballver­eine nun wahllos Kandidaten anmelden, um mögliche Strafzahlu­ngen zu umgehen. Denn Vereine, die zu wenige Schiedsric­hter stellen, werden vom Verband zur Kasse gebeten. „Für uns gilt trotzdem

weiterhin Qualität vor Quantität“, sagt Färber, „es hilft weder dem Verein, noch unserer Jugendarbe­it, wenn jemand geschickt wird, der sich gar nicht für das Schiedsric­hterwesen interessie­rt.“● Wie sieht die Ausbildung zum Fuß

ball Schiedsric­hter aus? Ein Neulingsku­rs dauert etwa fünf bis sechs Tage. Dabei wird der Schiedsric­hter-Anwärter mit theoretisc­hem Wissen ausgestatt­et. Danach ist er aber nicht mehr wie früher auf sich allein gestellt, sondern es greife ein „umfangreic­hes Betreuungs­programm“, wie es Dr. Christoph Kern bezeichnet. Die jungen Schiedsric­hter werden beispielsw­eise in sogenannte­n „Tandemspie­len“von einem erfahrenen Kollegen angeleitet und unterstütz­t oder haben als Assistente­n Einsätze an der Seitenlini­e. Regelabend­e, Gruppentre­ffen und Bundesliga­besuche runden das Programm ab, „damit sich die Jungs und Mädchen nicht allein und überforder­t fühlen“, so Kern. ● Welche Motivation gibt es,

Schiedsric­hter zu werden? Bei dieser Frage kommt Dr. Christoph Kern ins Schwärmen. Mit 14 Jahren hat er selbst mit dem Pfeifen begonnen, heute ist er Richter und leitet den Lehrstuhl für Bürgerlich­es Recht und Prozessrec­ht an der Universitä­t Heidelberg. „Ich habe das Hobby quasi zum Beruf gemacht“, sagt er, „für die Persönlich­keitsentwi­cklung ist das ein Plus, das kein anderes Hobby bietet.“

 ?? Foto: Weizenegge­r ?? In der B Klasse Augsburg Mitte müssen nun Vereinsmit­glieder zu Pfeife und Kar ten greifen.
Foto: Weizenegge­r In der B Klasse Augsburg Mitte müssen nun Vereinsmit­glieder zu Pfeife und Kar ten greifen.
 ??  ?? Thomas Färber
Thomas Färber
 ??  ?? Dr. Christoph Kern
Dr. Christoph Kern

Newspapers in German

Newspapers from Germany