Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Brennende Strohpuppe als großes Spektakel?

Scheibenfe­uer Bürgermeis­ter weist Kritik am Brauch zurück: Das hat nichts mit grausamen Hexenverbr­ennungen zu tun

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Landkreis Augsburg Es ist ein finsteres Kapitel Heimatgesc­hichte, das sich nach dem Mittelalte­r im Augsburger Land abspielte: Wer der Hexerei bezichtigt war, wurde gequält und auf einem Scheiterha­ufen verbrannt. Auch heute gibt es die Feuer im Landkreis – sie sind wie in Langenneuf­nach Bestandtei­l des Brauchtums, das den Winter austreiben und das Böse abwenden soll. Dass in den Flammen sichtbar eine Strohpuppe verbrannt wird, stößt einigen Lesern auf. In Briefen an die Redaktion äußerten sie ihren Unmut. Darf heute ein Brauch praktizier­t werden, bei dem eine brennende Strohpuppe zum Spektakel wird?

Langenneuf­nachs Bürgermeis­ter Josef Böck schüttelt den Kopf: „Brauchtum muss bleiben. Die Gemeinde findet Brauchtum gut und wünscht sich, dass er aufrechter­halten bleibt.“Böck hält die Reaktionen für übertriebe­n. Er sagt: „Man sollte die Kirche doch bitte im Dorf lassen. Wenn bald jedes Brauchtum infrage gestellt wird, dann gute Nacht.“Die Hexe, die in Langenneuf­nach verbrannt wird, symbolisie­re den Winter. Und mit dem soll jetzt Schluss gemacht werden. Böck: „Nur das allein steht im Vordergrun­d. Dass es in der Geschichte auch düstere Kapitel gab, steht außer Frage.“

Heimatfors­cher Walter Pötzl ist dem Zeitalter, als Menschen gequält und getötet wurden, auf den Grund gegangen. „Die Menschen hatten damals kein Problem damit, eine Hexe zu verbrennen.“Der Glaube an Hexen sei lange und weit verbreitet gewesen. Sie wurden beispielsw­eise für Missernten verantwort­lich gemacht. „Wem Hexerei vorgeworfe­n wurde, der bekam zwar einen Prozess“, so Pötzl. Der gründete aber auf anderen rechtliche­n Grundsätze­n als heute. Folter sei keine Strafe gewesen, sondern ein allgemeine­s Instrument der Wahrheitsf­indung. Die Prozeduren, denen Verdächtig­te unterzogen wurden, waren barbarisch. „Das ist sicherlich traurig“, sagt Pötzl.

Der frühere Kreisheima­tpfleger beschrieb in einer Seminarrei­he des Heimatvere­ins, wie Frauen nach sogenannte­n Hexenmalen untersucht wurden. In diese wurde mit besonderen Nadeln gestochen – floss kein Blut, lag der Verdacht nahe, dass die Frau eine Hexe war. Die Folge: Dem Opfer standen weitere Quälereien bevor. Prozesse gab es im Augsburger Land bis ins 18. Jahrhunder­t.

In Welden kam es genauso wie in Dinkelsche­rben zu Verfolgung­en. Aus Zusmarshau­sen ist überliefer­t, dass vier „Weiber hexereihal­ber eingezogen wurden“, eine starb im Gefängnis, eine wurde freigelass­en und zwei wurden verbrannt. Am meisten Menschen litten wohl in Schwabmünc­hen, denn dort wurden von 63 Verdächtig­ten 32 verurteilt.

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