Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vom Schlössle ist nur der Name geblieben
Stadtteilgeschichte Das historische Gebäude in Herzen von Lechhausen wurde 1969 abgebrochen und 1973 durch ein Geschäftszentrum ersetzt. Seine Geschichte reicht weit zurück
Lechhausen Der Nachfolgebau des Lechhauser Schlössles an der Ecke Neuburger/Blücherstraße wird derzeit umgebaut. „Das Lechhauser Schlössle wird zum Ärztehaus“, lautete im August eine Schlagzeile in der Augsburger Allgemeinen. Dieses Schlössle suchten allerdings schon manche vergeblich. Das bescheidene Schlössle, das an dieser Stelle stand, gibt es seit 1969 nicht mehr. nur der Name ist geblieben. Als Schlössle wird ein absolut nicht schlossartiges Bauwerk bezeichnet, das aus einem zweistöckigen Sockel mit viel Sichtbeton und darüber drei dunkel verkleideten, vielfenstrigen Geschosse besteht.
Die Augsburg Schlössle GmbH ist neuer Besitzer des Geschäftshauses mit rund 6000 Quadratmeter Nutzfläche. Die Gesellschaft gab sich einen Namen, der Erwartungen auslöst: Wertet sie den Bau nicht nur innen, sondern auch außen auf? Zu den Umbauarbeiten gehöre eine energetische Fassadensanierung, und eine Außengestaltung wurde angekündigt. Bedeutet dies auch eine optische Sanierung, die der Objektbezeichnung Schlössle eher gerecht wird, als das bislang der Fall war?
Diese im Blickfeld stehende Ecke ist ein geschichtsträchtiges Areal. Das überliefern Chroniken und Bilder. Es war das historische Zentrum des alten Lechhausen. Der heutige Bau hatte Vorgänger, die zu Recht als Schlössle bezeichnet wurden. Wann das erste gebaut wurde, ist kaum mehr ergründbar. Es könnte bereits Ende des 15. Jahrhunderts gewesen sein. Eine Abbildung stammt aus dem Jahr 1625. Bald danach im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schlössle – wie die meisten Häuser Lechhausens – niedergebrannt. Es war am 22. Januar 1635. Ob es bis zur nächsten Verwüstung durch Soldaten im Oktober 1646 wiederaufgebaut war, ist nicht überliefert.
1687 stand jedenfalls dort die Zollhofstatt – so lautete die Bezeichnung 1687 und 1765. Es war ein langgestrecktes einstöckiges Haus mit Dachgaube.
Das Schlössle in Lechhausens Zentrum war bis 1806 meist der Amtssitz des höchsten kurbayerischen Beamten im Ort. Es trug die Haus-Nr. 1. Nach 1806 folgten viele Eigentumswechsel.
Als 1843 die Arztwitwe Elisabeth Huttler das Schlössle samt Stadel, Stall und Wagenremise erwarb, war sie bereits die fünfte Besitzerin seit 1806. Ihr Sohn Max Huttler war Benediktiner bei St. Stephan. Er brachte das Lechhauser Schlössle als Erbe ins Kloster ein.
Er trat später aus dem Orden aus, wurde Zeitungsredakteur und Landtagsabgeordneter. Das Anwe- sen blieb weiterhin im Besitz der Benediktinerabtei. Deshalb bürgerte sich auch die Bezeichnung Klösterl ein.
Im Lechhauser Adressbuch für 1910 ist das sogen. Schlößchen, Oekonomiegut mit der Anschrift Marktplatz 1 verzeichnet. Das Benediktiner-Stift St. Stephan ist Besitzer, Bewohner des ersten Stockwerks „Seiderer Karl, rechtsk. Bürgermeister“. Es war der letzte Bürgermeister der 1913 von Augsburg eingemeindeten Stadt Lechhausen. 1920 verkaufte die Abtei die Immobilie an die Landwirtschaftliche Zentralgenossenschaft Regensburg. Scheunen und Ställe wurden zu Lagerhäusern. Im „Herrenhaus“wohnten Mieter und der Lagerhausverwalter. In den 1930er-Jahren übernahm die Baywa das Areal, von ihr erwarb es 1964 die Stadt Augsburg.
Im Dezember 1966 wurden die Lagergebäude abgebrochen. Das Wohnhaus bekam eine Gnadenfrist. „Schlößle soll Einkaufszentrum weichen“wurde bereits 1967 in der Augsburger Allgemeinen angekündigt. 1969 verschwand das Schlössle. Proteste gegen einen Abbruch nutzten nichts. Das Gebäude habe seinen historischen Wert durch mehrere Umbauten längst verloren und stehe deshalb nicht unter Denkmalschutz, argumentierte man seitens der Stadtverwaltung. Wirtschaftliche Interessen hatten Vorrang. Rund 4000 Quadratmeter kostbarer Baugrund in bester Geschäftslage Lechhausens waren einträglicher nutzbar als ein sanierungsbedürftiger Uraltbau. Ein Einkaufszentrum werde den Stadtteil attraktiver machen, hieß es. Im August 1972 wurde die Baugenehmigung für einen fünfstöckigen Vielzweckbau mit Ladenflächen, Gastronomie, Sparkassenfiliale, Arztpraxen, Büros und einem Parkdeck erteilt.
Mit dem Abbruch des Schlössles und etwas später der Gastwirtschaft Sonne am Beginn der Blücherstraße verschwand Lechhausens einstiges historisches Zentrum, zu dem auch der im Krieg zerstörte Grüne Kranz gehört hatte. Die Abbrüche schmerzten eingefleischte AltLechhauser. „Was die Bomben im Zweiten Weltkrieg verschont haben, wird 25 Jahre später abgebrochen“, hieß es in einem Leserbrief. Der in Lechhausen wohnende Augsburger Stadtrat Arthur Vierbacher, von 1970 bis 1980 Kulturreferent, war in die politischen Entscheidungen in Bezug auf das „Schlössle“eingebunden. Er schrieb 1985: „Der Zug der Zeit führte leider zum Abbruch des Schlössles. An seiner Stelle wurde ein repräsentativer Großbau errichtet, der den zentralen Punkt des Vorortes wie eh und je darstellt.“
Das Wohnhaus bekam eine Gnadenfrist