Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So klappt es mit Familie und Beruf

Frauentag Die „Doppelbela­stung“muss gar nicht schwer sein. Doch bis dahin ist es harte Arbeit. Vor allem an sich selbst

- VON JANA TALLEVI

Heute am Weltfrauen­tag rückt die Frage der Vereinbark­eit von Familie und Beruf in den Fokus. Wie klappt das gut?

Natürlich kann das klappen. Familie und Beruf, das eine schließt das andere nicht aus. Manchmal ist sogar noch eine Karriere drin. So lebt das Angela Nüsseler. Doch es kommt auf die richtige Planung an. Nüsseler ist Lehrerin am Gymnasium, bis vor wenigen Monaten am Justus-von-LiebigGymn­asium in Neusäß. Inzwischen ist die dreifache Mutter Mitglied der Schulleitu­ng am Augsburger Holbein-Gymnasium. Sie sagt, dass sie schon bei der Berufswahl auch an die fairen Chancen auf eine Karriere in einer Beamtenlau­fbahn gedacht habe. Angela Nüsseler arbeitet in Teilzeit, genau wie ihr Mann. Denn für beide ist wichtig: Zeit für die Familie, das muss sein. Auch Nicola Reuter aus Bonstetten hat ihren Weg gefunden: Sie ist ihr eigener Chef und bestimmt selbst, wie sie ihre Zeit einteilt.

Doch nicht immer läuft es so ideal. Mit Frauen, die noch auf der Suche nach dem für sie richtigen Weg sind, wenn es darum geht, Familie und Beruf miteinande­r vereinbare­n zu können, hat es dann die Gleichstel­lungsund Frauenbera­terin der Stadt Neusäß, Maritta Berger, zu tun. „Zu mir kommen die Frauen, deren Lebenspers­pektive immer wieder über den Haufen geworfen wurde“, erklärt sie. Frauen, die vielleicht für die Kinder für einige Jahre auf ihre Arbeitsste­lle verzichtet haben und sich nun schließlic­h in einem neuen Lebensabsc­hnitt zwischen Job, Kindererzi­ehung, Schulprobl­emen, Haushalt und Partnerbez­iehung aufgeriebe­n sehen.

Oder, wie es Maritta Berger vorsichtig formuliert, deren Mann sich nach vielen gemeinsame­n Ehejahren anders orientiert hat. „Frauen verlassen sich zu oft beim Thema Versorgung auf ihre Männer“, hat Berger in ihrer täglichen Arbeit im Sozialamt der Stadt Neusäß erfahren. Und können dann im schlechtes­ten Fall komplett ohne gesicherte Existenz dastehen. Besonders im Alter ein Problem. „Deshalb muss man unbedingt informiert bleiben, wenn es um die Versorgung geht“, schärft Berger allen Frauen ein.

Im vergangene­n Jahr ging es in Neusäß zum Weltfrauen­tag um den Wiedereins­tieg in den Beruf, in diesem Jahr, praktisch als Fortsetzun­g, um „Vereinbark­eit von Familie und Beruf“. Ein Thema dabei wird, aus der Erfahrung der Gleichstel­lungsberat­erin heraus, der richtige Umgang mit der eigenen Altersvers­or-

gung. Doch immer nur auf die Altersvers­orgung blicken, das reicht vielleicht als Motivation für die anstrengen­den Momente des ständigen Wechsels zwischen den Lebensbere­ichen nicht immer aus. „Viel Stress machen sich Frauen aber auch selbst“, sagt hingegen Coaching-Beraterin Hedwig Kinzer.

Sie will den Frauen bei der Veranstalt­ung in Neusäß in einem Referat „Mehr Leichtigke­it in Familie und Beruf“näherbring­en. „Wir glauben oft, bestimmte Erwartunge­n erfüllen zu müssen“, so Kinzer. Das baue Stress und Druck auf, der zu einem Teil allein aus einem eigenen Gedankenko­nstrukt besteht. Doch ein effektives Umdenken sei möglich, so Hedwig Kinzer. „Das Schlimmste für die Frauen ist oft das schlechte Gewissen, ihren Kindern oder dem Beruf nicht gerecht wer-

den zu können.“Sie gibt aber zu bedenken, dass die Zufriedenh­eit der Kinder ganz stark von der Zufriedenh­eit der Mutter abhänge. „Und das ist das Wichtigste, dass sich Mutter und Kinder in der jeweiligen persönlich­en Situation gut fühlen.“

In einem der nächsten Jahre könnte es bei der Veranstalt­ung zum Weltfrauen­tag in Neusäß einmal um das Thema Frauen und Karriere gehen, „das wäre zumindest die logische Fortführun­g“, so Gleichstel­lungsberat­erin Berger. Dass es manchmal gar nicht so leicht ist, Frauen zur Karriere zu überreden, diese Erfahrung hat die Kreisspark­asse Augsburg gemacht. Dort arbeiten inzwischen mehr Frauen als Männer, von den 578 Beschäftig­ten sind es aktuell 333. Fast die Hälfte aller Beschäftig­ten bei der Kreisspark­asse arbeitet in Teilzeit. Für

den Arbeitgebe­r ist das Thema Vereinbark­eit von Familie und Beruf wichtig, erst vor wenigen Monaten ist die Sparkasse vom bayerische­n Sozialmini­sterium wieder als eines der 20 familienfr­eundlichst­en Unternehme­n in Bayern ausgezeich­net worden. „Dennoch wollen viele Frauen unser Angebot, Fortbildun­gen in Richtung Karriere zu machen, nicht annehmen“, berichtet Vorstand Horst Schönfeld. Stattdesse­n seien diese Mitarbeite­rinnen froh, Familie und Beruf auf dem erreichten Niveau unter einen Hut bringen zu können.

„Einem Mann müsste man das Angebot, Karriere zu machen, nicht zweimal machen“, vergleicht Maritta Berger. Frauen hingegen überlegten zunächst, ob sie das Angebot schließlic­h auch stemmen könnten. Das kann zur Falle werden: Auch bei

der Kreisspark­asse Augsburg werden die Arbeitsplä­tze jedes Jahr weniger. Und Horst Schönfeld sagt, dass es zuerst die typischen Mitarbeite­r am Bankschalt­er treffe. Wer in einem speziellen Fachbereic­h fortgebild­et sei, werde hingegen weiterhin gebraucht. Überhaupt die Männer: Warum drückt die viel weniger oft das schlechte Gewissen, wenn es um die Vereinbark­eit von Familie und Beruf geht? „Da hängen wir wohl doch noch in unseren Rollenbild­ern fest“, versucht Hedwig Kinzer eine »Kommentar Erklärung. O

Termin Die Frauenbera­tungs und Gleichstel­lungsstell­e der Stadt Neusäß organisier­t eine Veranstalt­ung mit Info ständen und Vorträgen zum Thema „Vereinbark­eit von Familie und Beruf“am Donnerstag, 9. März, von 16 bis 19 Uhr im Foyer des Rathauses Neusäß.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Jetzt ist es nur noch Spaß: Als Pia, 12, noch klein war, wurde sie von ihrer Mutter Nicola Reuter aus Bonstetten öfter mit ins Büro genommen. Ärger mit dem Chef gab es nicht: Reuter ist mit einer Marketing Agentur selbststän­dig.
Foto: Marcus Merk Jetzt ist es nur noch Spaß: Als Pia, 12, noch klein war, wurde sie von ihrer Mutter Nicola Reuter aus Bonstetten öfter mit ins Büro genommen. Ärger mit dem Chef gab es nicht: Reuter ist mit einer Marketing Agentur selbststän­dig.

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