Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Soldat hat einen Fehler: Er denkt
Deutschland Premiere Die Svendborger Gedichte hat Bluespots Productions in einer internationalen Produktion inszeniert. Jetzt war der Abend erstmals in Augsburg zu sehen
Ist Krieg unter bestimmten politischen Gegebenheiten unausweichlich wie bei einem Gänseblümchenabzählvers? Ist er ein wiederkehrendes Phänomen wie die vier Jahreszeiten? Oder lässt er sich verhindern – durch Agitieren, durch Handeln, durch Kunst gar? In der szenischen Einrichtung von Bertolt Brechts Svendborger Gedichten, einer deutsch-dänischen Co-Produktion von Bluespots Productions mit dem BaggårdTeatret in Svendborg, die nun im Parktheater gezeigt wurde, sind diese Fragen die zentralen Gedanken der Aufführung. Denn „geflüchtet unter das dänische Strohdach“in Svendborg kommentierte der Dichter in den 30er Jahren nüchtern und prägnant das Geschehen in Nazideutschland und Europa und schrieb gegen die Kriegstreiberei des Hitlerregimes an: „Der Prolet wird in den Krieg verladen/ daß er tapfer und selbstlos ficht./ Warum und für wen wird ihm nicht verraten/ für ihn selbst ist es nicht.“
Es sind Sätze wie diese aus dem „Lied gegen den Krieg“oder die berühmten Zeilen „An die Nachgeborenen“, die Gedanken über Exil und Emigrantentum und die „Ballade von der Judenhure Marie Sanders“, die im gut gefüllten Parktheater beeindrucken und berühren, weil sie gerade in ihrer sprachlichen Knappheit Bilder im Kopf der Zuschauer entstehen lassen, weil sie wirken wie eine Antwort auf aktuelle Ereignisse, obwohl doch vor langer Zeit geschrieben. Der dänische Liedermacher Sören Huss hat an dieser Wirkung großen Anteil mit seiner großartig atmosphärischen Vertonung der Gedichte, aber auch mit der Präsenz, mit der er die Lieder auf die Bühne bringt. Letzteres gilt auch für die beiden Schauspieler, den Augsburger Leif Eric Young und den Dänen Jens Gotthelf. Einer der stärksten Momente der Aufführung gelingt dem Trio, als sie einige Abschnitte aus der „Deutschen Kriegsfibel“als schräge Combo mit Klavier, Schlagzeug und Flügelhorn subversiv zum Besten geben: „General, der Mensch ist sehr brauchbar./ Er kann fliegen und er kann töten./ Aber er hat einen Fehler:/ Er kann denken.“
Doch ist die Aufführung unter der Regie von Petra-Leonie Pichler kein Rezitationsabend, sondern eine szenische Einrichtung, und deshalb wird der Gedichtsammlung ein dramaturgisches Gerüst verpasst. Es ist eine Rahmenhandlung, in der es um die Übertragung der Svendborger Gedichte ins Dänische geht. Diese Idee scheint naheliegend, weil die Gedichte anlässlich der Inszenierung erstmals ins Dänische übersetzt worden sind. Leider wirkt das Reflektieren über die Texte und ihre Verständlichkeit in heutiger Zeit aus dieser Metaebene, die noch einmal weiter gedreht wird, als die Schauspieler aus ihren Rollen heraustreten, bemüht und platt – umso mehr, weil die Qualität dieser hinzugeschriebenen Texte mit der der Brecht’schen Gedichte nicht mithalten kann. Denn die überzeugen, das zeigte der Abend trotz dieser Schwäche, auch heute noch in ihrer Sprachmacht und sie machen betroffen nicht nur als Zeugnis vergangener Zeit.