Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum Fasten ein Gewinn ist
Mein Augsburg Wer heutzutage am Aschermittwoch ein dickes Steak isst und dann bis Ostern schlemmt und genießt auf Teufel komm heraus, muss keine strengen Blicke fürchten. Er verpasst aber etwas
Das Leben ist heute sehr frei. Zu beobachten ist das zum Beispiel am Aschermittwoch. Schnellimbiss an der Autobahn. Die Burger mit Fleisch wandern munter auf die Tabletts. Wie immer, oder? Ich würde sagen ja. Und es stört auch niemanden. Uns hat man früher gesagt, der Aschermittwoch ist ein Fast- und Abstinenztag. Oder, Klartext: Kein Fleisch! Vielen Menschen ist das heute egal, vielleicht weil ihr Glaube keinen Aschermittwoch und keine Fastenzeit kennt, sie ohne Religion leben oder mit den alten Traditionen nichts mehr am Hut haben. Das Schöne ist, dass das heute jeder so handhaben kann, wie er will. Ich aber komme nicht raus aus den alten Mustern. Gott sei Dank.
Ein bisschen Fasten und Verzichten entpuppt sich nämlich spätestens 40 Tage später als Gewinn. Was man in der Fastenzeit links liegen lässt, ist dabei völlig wurscht. Fleisch zum Beispiel. Ich habe mir vegetarische Wochen verordnet. Warum? Eingefleischte, Entschuldigung, echte und ausdauernde Vegetarier können dafür wahrscheinlich bessere und vielfältigere Gründe nennen. Bei mir ist die Idee zu Hause geboren worden und wir waren uns schnell einig: Wir machen den verlängerten Aschermittwoch bis Ostern. Der Anfang ist gemacht und war schon ein Gewinn.
Zum einen: Man kann auch ohne Fleisch und weitgehend ohne Fisch gut leben. Zumindest gilt das für die erste Woche. Und es ist einfacher, als auf Süßigkeiten zu verzichten. Während Kuchen und Co. immer seeeehhhr verlockend sind, haben mich bislang nur Brätspätzle in einer Suppe sehr angelacht. Warum auch immer. Widerstanden. Der zweite Gewinn: Wer einmal auf Fleisch verzichtet, ist in manchen Lokalen ziemlich schnell durch mit der Speisekarte. Ein bisschen Speck oder Schinken oder ein paar Meeresfrüchte tauchen einfach an vielen Stellen auf. Eine Woche kann man wunderbar mit Spaghetti Napoli, Salat und Kässpätzle über die Runden bringen. Doch wer dauerhaft ohne Fleisch lebt, wird außer Haus vermutlich nicht immer und überall glücklich. Zu Hause ist das anders – der dritte Gewinn. Man testet neue Rezepte. Eine tolle Sache. Sollte das am Ende auch nicht glücklich machen, bleibt der vierte Gewinn. Früher haben wir den zelebriert. Karfreitagabend, also kurz vor dem Ende der Fastenzeit traf man sich erst in der Kirche. Und anschließend im Jugendraum. Dort duftete es schon süßlich lecker. So lecker, wie es eben nach knapp 40 Tagen damals ohne Süßigkeiten riecht. Dann setzte man sich zusammen, schnappte sich den frischen Hefezopf, Butter und Marmelade. Und genoss. (Streng genommen war das wohl noch etwas früh, aber Ostern auch nur noch zwei Tage weg). Wer diesen Moment, das Ende des Fastens, noch nie erlebt hat, hat etwas verpasst. Dafür lohnt sich jede Fastenzeit.
* PS: Fatal wäre natürlich, wenn mir das Fleisch weiter so wenig fehlen würde ... Wäre aber auch ein Erkenntnisgewinn.