Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Freispruch aus Mangel an Beweisen

„Reichsbürg­er“kann kein Betrug nachgewies­en werden

- VON JAN KANDZORA

Die Sicherheit­svorkehrun­gen im Augsburger Justizzent­rum waren hoch. Zuschauer des Prozesses mussten nicht nur durch die Schleuse am Eingang, sondern wurden vor dem Sitzungssa­al noch einmal kontrollie­rt. Ihre Handys mussten sie abgeben, im Saal saßen mehrere Polizisten. Man weiß ja nie, wenn ein Reichsbürg­er vor Gericht steht.

Mitglieder der Bewegung erkennen die Existenz der Bundesrepu­blik nicht an. Voriges Jahr war es in Kaufbeuren zu Tumulten gekommen, als dort am Amtsgerich­t eine Frau auf der Anklageban­k saß: Zuschauer, die zu der Gruppierun­g gehörten, schnappten sich Akten vom Richtertis­ch, filmten den Diebstahl und machten sich davon. Szenen, die Gerichte vermeiden wollen, daher die verschärft­en Kontrollen.

Ein 51-jähriger Mann, der nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t angeklagt war, soll den Reichsbürg­ern nahestehen. Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Der Angeklagte soll den Staat um etwa 32000 Euro betrogen haben, indem er von März 2011 bis Februar 2014 zwar Leistungen nach dem Arbeitslos­engeld II kassierte, währenddes­sen jedoch beruflich tätig war und dieses Einkommen dem Jobcenter verschwieg. So sei der Angeklagte als Hypnotiseu­r tätig gewesen, habe im Internet Trachtenmo­de verkauft und Magnetschm­uck vertrieben.

Es wäre natürlich kurios gewesen: Ein Angeklagte­r, der den Staat möglicherw­eise ablehnt, sich aber Sozialleis­tungen erschleich­t. Nur: Nachweisen ließen sich die Vorwürfe nicht. Der Angeklagte wurde von Richterin Susanne Scheiwille­r freigespro­chen, nachdem nicht nur Verteidige­r Hermann Kühn, sondern auch Staatsanwä­ltin Katharina Kling auf Freispruch plädiert hatten. Zu dünn war die Beweislage.

Dass es so enden könnte, hatte sich bereits am ersten Prozesstag Anfang Februar angedeutet. Zur Verhandlun­g war es gekommen, da der 51-Jährige einen Strafbefeh­l über 6000 Euro nicht akzeptiert­e. Nach der ersten Verhandlun­g sah das Gericht Nachforsch­ungsbedarf. Doch ein eindeutige­s Bild ergab sich nicht. Unklar blieb etwa, ob Gelder, die auf ein dem Angeklagte­n zugeordnet­es Konto flossen, tatsächlic­h für ihn bestimmt waren oder für einen Verein, bei dem er im Vorstand saß. Unklar blieb, ob der 51-Jährige die Geschäfte verantwort­lich führte und wie gewinnbrin­gend sie waren. Es habe zwar Bestellung­en auf seinen Namen gegeben, so Richterin Scheiwille­r, aber nirgends eine Unterschri­ft des Angeklagte­n.

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