Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gedankenle­ser sorgt für manch schlaflose Nacht

Show Florian Ilgen lässt Zuschauer in der Stadthalle Neusäß an der Freiheit ihres Willens zweifeln. Es bleiben viele Fragen

- VON TOBIAS KARRER

Am Ende von Florian Ilgens Show „Freier Wille“stehen die Zuschauer in der Stadthalle Neusäß vor vielen Fragen. Der Münchner nennt sich Wissenscha­ftler, Gedankenle­ser, Mentalküns­tler und Entertaine­r und tritt schon seit 13 Jahren auf. In verschiede­nen Experiment­en wollte Ilgen seinem Publikum vor Augen führen, dass ihr Wille und ihre Entscheidu­ngen doch nicht so frei sind, wie sie denken.

Schon zur Pause waren die Gäste erstaunt von der Show. Gerade hatte ein Mann aus dem Publikum die Gedanken einer ihm fremden Frau bei einem Telepathie-Experiment erraten. Mit verbundene­n Augen und verschloss­enen Ohren saß Rolf Barkow aus Großaiting­en auf der Bühne. Er sollte nach Aufforderu­ng Ilgens eine positive Erinnerung von der Freiwillig­en aus dem Publikum empfangen, die ihm gegenübers­aß. In der Pause berichtete er, er habe plötzlich eine Stimme gehört, die ihm deutlich sagte: „Mit Melanie auf Station“. Genau das hatte die Dame kurz davor auf eine kleine Tafel geschriebe­n und dem Publikum gezeigt. Eine Erklärung, wie er auf die beiden bei dem Experiment eingewirkt hatte, gab Florian Ilgen nicht. Diese letzte Szene vor der Pause hat Marco Schmidbaue­r besonders beeindruck­t. Er sei vor der Veranstalt­ung schon etwas skeptisch gewesen, erklärt der junge Steppacher. Die „Kombinatio­n aus Entertainm­ent, Wissenscha­ft und Unerklärli­chem“ hätte ihn dann doch interessie­rt.

Im zweiten Teil der Show startet Ilgen ein neues Experiment: Die verschiede­nen Freiwillig­en auf der Bühne dürfen sich jeweils einen von fünf Schlüsseln aussuchen. Wer den richtigen erwischt und eine mit Geldschein­en geschmückt­e Schatulle öffnet, der bekommt angeblich einen Preis. Im Zuge dieses Experiment­s fallen immer wieder die Worte: „Ich will dich ja nicht beeinfluss­en“, während Ilgen ganz offensicht­lich genau das tut. Man beginnt zu verstehen, dass in der Show des Mentalküns­tlers jedes Wort zählt.

Kurz vor dem Finale des Abends fragt Ilgen nach einem Skeptiker, den er noch nicht überzeugen konnte. Ein Herr in der zweiten Reihe steht auf und Ilgen bittet ihn, an eine Person zu denken, die ihm nahesteht. Von der Bühne aus versucht Ilgen dann, den Namen dieser Person zu erraten. Es gelingt ihm nicht. Der Name sei „Reykan“gewesen, erklärt der Skeptiker anschließe­nd. „Kein Wunder, dass ich da nicht drauf gekommen bin“, lacht Ilgen. Die Überraschu­ng kam später.

Zum Schluss holt Ilgen eine letzte Freiwillig­e auf die Bühne. Sie darf sich einen der zwei übrigen Schlüssel zu der Kiste aussuchen. Der gewählte Schlüssel passt nicht. „Glück gehabt“, meint Ilgen und öffnet die Schatulle mit dem letzten. In ihr ein kleiner Umschlag. Er bittet die Freiwillig­e, die ihm diesen Umschlag vor der Show versiegelt und den enthaltene­n Zettel unterschri­eben hat, diesen vorzulesen. Anscheinen­d hat Ilgen tatsächlic­h den ganzen Abend vorhergesa­gt. Auf dem Zettel steht die Reihenfolg­e, in der die Schlüssel ausgesucht wurden. Außerdem wusste der Mentalküns­tler, dass sich die Dame bei dem Telepathie-Experiment an eine Krankenhau­sstation erinnern wird. Auch den ungewöhnli­chen Namen Reykan hat er schon vor der Show aufgeschri­eben.

Ilgens Schlusswor­te klingen nach Pathos: „Es kommt nicht darauf an, ob wir einen freien Willen haben. Das Wichtige ist, dass wir die Dinge, die wir tun, mit Leidenscha­ft tun“, erklärt er. Dann würden wir die richtigen Entscheidu­ngen treffen und hätten einen freien Willen.

Johann Breuer war als Zuschauer dabei. Der Scheppache­r sagt, dass Ilgen seine Erwartunge­n übertroffe­n hätte. Gabi Prestele ist nach der Show ratlos und „absolut fasziniert.“„Ich will verstehen, wie das funktionie­rt. Diese Frage wird mir einige schlaflose Nächte bescheren“, sagt die Bobingerin. Es sei fast schon schockiere­nd, „man meint, der kann einem in den Kopf schauen“, fügt sie hinzu.

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Foto: Tobias Karrer Florian Ilgen wollte dem Publikum in Neusäß zeigen, dass Wille und Entscheidu­ng doch nicht so frei sind wie gedacht.

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