Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Rabenmutter oder Heimchen am Herd?
Diskussion SPD-Veranstaltung „Höchste Zeit für Frauen“: Wie drei erfolgreiche Frauen ihre Rolle in der Gesellschaft sehen und warum sie für mehr Toleranz plädieren
„This is a men’s world. But it wouldn’t be nothing without a woman or a girl“, schallt es durch den voll besetzten Bürgersaal in Stadtbergen. Mit diesem Klassiker eröffnet Sängerin Mom Bee die Frauenveranstaltung der schwäbischen SPD-Landtagsabgeordneten. Der Song passt zum Thema, denn das Motto der Veranstaltung zum Weltfrauentag lautet: „Höchste Zeit für Frauen“. Es geht um Frauen in Führungspositionen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Probleme, vor die die Gesellschaft das weibliche Geschlecht noch immer stellt.
Hauptbestandteil der Veranstaltung ist eine Gesprächsrunde mit drei starken und erfolgreichen Frauen. Andrea Strohmaier ist Boxerin, Fitnesstrainerin und DiplomPädagogin. Sie hat die Anfänge des Frauenboxens in Deutschland mitbekommen und musste sich in der Männerdomäne behaupten. Durchsetzungsvermögen brauchte auch Dr. Benigna Schönhagen auf ihrem Lebensweg. Mittlerweile ist sie Leiterin des Jüdischen Kulturmuseums in Augsburg und verfolgt die Frauenbewegung seit ihren Anfängen. Dritte im Bunde ist Katharina Ferstl. Die Mitgesellschafterin des Modehauses Jung weiß, was es bedeutet, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.
Die zentrale Botschaft der Veranstaltung lässt sich so zusammenfassen: Feminismus ist Humanismus. „Das ist noch nicht der Fall und dafür müssen wir weiter kämpfen“, betont Benigna Schönhagen auf die einleitende Frage, ob es denn tatsächlich „höchste Zeit für Frauen“sei. Den Rest des Abends diskutieren die drei Frauen mit dem Publikum und den Politikern.
Als Leitthema der Diskussion stellt sich schnell die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heraus. Eine Frau meldet sich und erklärt, sie hätte sich bewusst entschieden, ihre Kinder großzuziehen und dafür zu Hause zu bleiben. Das Problem sei, dass die Gesellschaft Frauen entweder als „Rabenmutter oder Heimchen am Herd“wahrnehme. Katharina Ferstl kennt das Problem: Um Karriere und Familie gleichzeitig zu stemmen, war ihr Sohn schon immer in Betreuungsangeboten untergebracht. Allerdings sei sie dafür immer wieder schief angeschaut worden, denn viele Frauen würden noch immer sagen: „Ich schieb’ mein Kind doch nicht in den Hort ab“, erklärt Ferstl. Es fehle an gesellschaftlicher Akzeptanz für beide Seiten.
An dieser Stelle schaltet sich die Landtagsabgeordnete Dr. Simone Strohmayr ein. Sie schießt gegen das Betreuungsgeld der CSU, indem sie sagt: „Wir sollten keine Lager aufmachen. Das Problem ist, dass es auch etwas wert sein muss, wenn Frauen sich für die Kinderbetreuung entscheiden. Und zwar mehr als 150 Euro.“Außerdem müsse man eine neue Regelung für die Rente finden. Es könne nicht sein, dass Frauen, die aus dem Beruf ausgeDie stiegen seien, um eine Familie zu gründen, am Ende in die Altersarmut abrutschen würden, betont Strohmayr.
Alles in allem sieht Benigna Schönhagen ein großes Problem: Das, was erreicht wurde, ist ihrer Meinung nach wieder in Gefahr, da es mittlerweile als selbstverständlich angesehen würde. Sie appelliert an junge Eltern, ihre Kinder nicht in irgendwelche Geschlechterrollen zu drängen, sondern ihnen „eine Vielzahl von Lebensentwürfen“zu präsentieren. Auch Andrea Strohmaier ist für mehr Vielfalt. Es sei ihr selbst immer wieder schwergefallen, sich beim Boxen als Frau zu identifizieren. Hier sieht sie nicht nur die Eltern, sondern auch die Bildungseinrichtungen in der Verantwortung.
Katharina Ferstl sieht die Verantwortung auch bei den Frauen. „Junge Frauen machen es sich heutzutage auch irgendwie bequem“, warnt sie. Es könne ja keine Frauen in Führungspositionen geben, wenn alle für die Familie aus dem Job aussteigen würden. Außerdem „ist ein Lebenspartner keine Altersvorsorge“, bekräftigt Ferstl. Ihr Appell: Frauen sollten sich weniger von Männern abhängig machen und selbst aktiv werden.