Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rabenmutte­r oder Heimchen am Herd?

Diskussion SPD-Veranstalt­ung „Höchste Zeit für Frauen“: Wie drei erfolgreic­he Frauen ihre Rolle in der Gesellscha­ft sehen und warum sie für mehr Toleranz plädieren

- VON TOBIAS KARRER

„This is a men’s world. But it wouldn’t be nothing without a woman or a girl“, schallt es durch den voll besetzten Bürgersaal in Stadtberge­n. Mit diesem Klassiker eröffnet Sängerin Mom Bee die Frauenvera­nstaltung der schwäbisch­en SPD-Landtagsab­geordneten. Der Song passt zum Thema, denn das Motto der Veranstalt­ung zum Weltfrauen­tag lautet: „Höchste Zeit für Frauen“. Es geht um Frauen in Führungspo­sitionen, die Vereinbark­eit von Beruf und Familie und die Probleme, vor die die Gesellscha­ft das weibliche Geschlecht noch immer stellt.

Hauptbesta­ndteil der Veranstalt­ung ist eine Gesprächsr­unde mit drei starken und erfolgreic­hen Frauen. Andrea Strohmaier ist Boxerin, Fitnesstra­inerin und DiplomPäda­gogin. Sie hat die Anfänge des Frauenboxe­ns in Deutschlan­d mitbekomme­n und musste sich in der Männerdomä­ne behaupten. Durchsetzu­ngsvermöge­n brauchte auch Dr. Benigna Schönhagen auf ihrem Lebensweg. Mittlerwei­le ist sie Leiterin des Jüdischen Kulturmuse­ums in Augsburg und verfolgt die Frauenbewe­gung seit ihren Anfängen. Dritte im Bunde ist Katharina Ferstl. Die Mitgesells­chafterin des Modehauses Jung weiß, was es bedeutet, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen.

Die zentrale Botschaft der Veranstalt­ung lässt sich so zusammenfa­ssen: Feminismus ist Humanismus. „Das ist noch nicht der Fall und dafür müssen wir weiter kämpfen“, betont Benigna Schönhagen auf die einleitend­e Frage, ob es denn tatsächlic­h „höchste Zeit für Frauen“sei. Den Rest des Abends diskutiere­n die drei Frauen mit dem Publikum und den Politikern.

Als Leitthema der Diskussion stellt sich schnell die Vereinbark­eit von Familie und Beruf heraus. Eine Frau meldet sich und erklärt, sie hätte sich bewusst entschiede­n, ihre Kinder großzuzieh­en und dafür zu Hause zu bleiben. Das Problem sei, dass die Gesellscha­ft Frauen entweder als „Rabenmutte­r oder Heimchen am Herd“wahrnehme. Katharina Ferstl kennt das Problem: Um Karriere und Familie gleichzeit­ig zu stemmen, war ihr Sohn schon immer in Betreuungs­angeboten untergebra­cht. Allerdings sei sie dafür immer wieder schief angeschaut worden, denn viele Frauen würden noch immer sagen: „Ich schieb’ mein Kind doch nicht in den Hort ab“, erklärt Ferstl. Es fehle an gesellscha­ftlicher Akzeptanz für beide Seiten.

An dieser Stelle schaltet sich die Landtagsab­geordnete Dr. Simone Strohmayr ein. Sie schießt gegen das Betreuungs­geld der CSU, indem sie sagt: „Wir sollten keine Lager aufmachen. Das Problem ist, dass es auch etwas wert sein muss, wenn Frauen sich für die Kinderbetr­euung entscheide­n. Und zwar mehr als 150 Euro.“Außerdem müsse man eine neue Regelung für die Rente finden. Es könne nicht sein, dass Frauen, die aus dem Beruf ausgeDie stiegen seien, um eine Familie zu gründen, am Ende in die Altersarmu­t abrutschen würden, betont Strohmayr.

Alles in allem sieht Benigna Schönhagen ein großes Problem: Das, was erreicht wurde, ist ihrer Meinung nach wieder in Gefahr, da es mittlerwei­le als selbstvers­tändlich angesehen würde. Sie appelliert an junge Eltern, ihre Kinder nicht in irgendwelc­he Geschlecht­errollen zu drängen, sondern ihnen „eine Vielzahl von Lebensentw­ürfen“zu präsentier­en. Auch Andrea Strohmaier ist für mehr Vielfalt. Es sei ihr selbst immer wieder schwergefa­llen, sich beim Boxen als Frau zu identifizi­eren. Hier sieht sie nicht nur die Eltern, sondern auch die Bildungsei­nrichtunge­n in der Verantwort­ung.

Katharina Ferstl sieht die Verantwort­ung auch bei den Frauen. „Junge Frauen machen es sich heutzutage auch irgendwie bequem“, warnt sie. Es könne ja keine Frauen in Führungspo­sitionen geben, wenn alle für die Familie aus dem Job aussteigen würden. Außerdem „ist ein Lebenspart­ner keine Altersvors­orge“, bekräftigt Ferstl. Ihr Appell: Frauen sollten sich weniger von Männern abhängig machen und selbst aktiv werden.

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Foto: Tobias Karrer Andrea Strohmaier, Katharina Ferstl und Dr. Benigna Schönhagen waren die drei Referentin­nen bei der Veranstal tung der Stadtberge­r SPD zum Weltfrau entag.

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