Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Watsch’n mit Folgen
Nachbarschaft Ungewöhnlicher Verhandlungstag vor Gericht
Der Verhandlungstag am Amtsgericht Günzburg ist ziemlich ungewöhnlich verlaufen. Im ersten Verfahren sagte eine Zeugin gegen einen Angeklagten aus, von dem sie eine Watsch’n bekommen hatte, im zweiten Prozess wurde diese Zeugin wegen Beleidigung eben dieses Angeklagten zu einer Geldstrafe verurteilt.
Wegen gefährlicher Körperverletzung musste sich ein 33-jähriger Münchner verantworten. Doch der Mann verspätete sich. Der Richter nutzte die Gelegenheit und sprach eine Zeugin des Verfahrens an. Die 47-Jährige aus dem nördlichen Günzburg hätte eigentlich erst nächste Woche ihre Verhandlung wegen Beleidigung gehabt. Aber da dieser Prozesstag abgesetzt wurde, fragte Richter Raffael Ruisinger, ob die Zeugin einverstanden wäre, dass ihr Verfahren nach dem ersten folgen könne. Das geht nur, wenn alle Prozessbeteiligten dem zustimmen. Weil das der Fall war, saß die Zeugin also wegen Beleidigung auf der Anklagebank.
Sie hatte den Münchner als „Arschloch“bezeichnet, „weil ihr die Galle hochgegangen sei“und er sie sowie zwei andere Patienten der Fachklinik Ichenhausen in Ruhe lassen sollte. Die arbeitslose und vorbestrafte 47-Jährige wurde zu einer in Höhe von 750 Euro verurteilt. Noch im Gerichtssaal kündigte sie an, dass sie wohl dagegen vorgehen werde. Ausgangspunkt für beide Verfahren war der Zoff unter Patienten in der Fachklinik im September vergangenen Jahres. Der Münchner unterzog sich einer Reha wegen epileptischer Anfälle – Spätfolgen eines Schlags auf den Kopf, als er im Englischen Garten eine Bekannte vor Zudringlichkeiten eines Angetrunkenen schützen wollte. Der 33-Jährige ist jetzt Frührentner und fühlte sich durch drei andere Patienten gestört, was er auch der Klinikleitung gemeldet habe. Dann eskalierte die Situation. Der Angeklagte hörte, dass die anLandkreis deren Patienten, darunter zwei Frauen, über ihn herzogen. Das wollte er sich nicht gefallen lassen und stellte die Frauen zur Rede. Dabei sollen übelste Beleidigungen und Beschimpfungen gefallen sein. Wutentbrannt habe er einen Standaschenbecher so getreten, dass dieser die sitzende 47-Jährige am Unterschenkel traf. Dann ging er auf die Frau zu und gab ihr eine Ohrfeige. Erst einem weiteren Patienten gelang es, den Mann zurückzuhalten.
Nun entschuldigte sich der Angeklagte: „Das war eine Kurzschlusshandlung, es tut mir leid.“Den Standascher habe er nicht absichtlich umgestoßen. Die verletzte ZeuGeldstrafe gin und eine weitere Patientin waren vom Gegenteil überzeugt. Dies wiederum wollte der dritte Zeuge, ein Schlaganfall-Patient, so nicht bestätigen. Ein Polizeibeamter hatte als Verletzung der Frau lediglich ein Hämatom am Bein festgestellt. Die Zeugin sagte, sie habe ein Schleudertrauma und eine Gehirnerschütterung durch die Ohrfeige davongetragen. Die Vorerkrankung, seine epileptischen Anfälle und spezielle Medikamente könnten bei ihm eine Wesensveränderung ausgelöst haben, wie der Angeklagte sagte: „Manchmal habe ich Aggressionsschübe.“Richter Ruisinger gab daher ein Gutachten in Auftrag, ob der Angeklagte schuldfähig war.