Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was Schlecker zu sagen hat

Prozess Erstmals seit Jahren meldet sich der einstige Drogeriema­rkt-König selbst zu Wort. Er steht vor Gericht und soll vor der Insolvenz Geld beiseitege­schafft haben. Doch der Unternehme­r beteuert, er hat es mit allen nur gut gemeint

- VON PETER REINHARDT

Anton Schlecker bemüht sich um eine feste Stimme. Im Stehen trägt er vor der Strafkamme­r des Stuttgarte­r Landgerich­ts seine einstudier­te Erklärung vor, in der linken Hand hält er das Papier, mit der rechten unterstrei­cht er seine Worte durch ausholende Gesten. Das für ihn schwierigs­te Kapitel stellt er an den Anfang seines einstündig­en Vortrags. „Es ist schwer für mich, meine Familie hier im Saal zu sehen. Ich hätte es ihr gerne erspart, wie ich auch gerne die Insolvenz vermieden hätte“, trägt er vor. Da kämpft er einen Moment mit den Tränen. Auch den Mitarbeite­rn hätte er die Insolvenz gerne erspart. Dann fasst sich der 72-Jährige wieder: „Ich übernehme die Verantwort­ung und will mich dem Verfahren stellen.“

Am ersten Prozesstag hatte Schlecker noch geschwiege­n, nur sein Anwalt Norbert Scharf wies da den von der Anklage erhobenen Vorwurf des vorsätzlic­hen Bankrotts zurück. Die Staatsanwa­ltschaft beschuldig­t den früheren Drogerie- marktkönig, er habe über 20 Millionen Euro beiseitege­schafft und den Gläubigern entzogen. Gestern ergreift nun der Firmenpatr­iarch das Wort. Der hagere Mann im dunklen Anzug und violetten Rollkragen­pulli zeichnet von sich das Bild des schwäbisch­en Unternehme­rs. „Ich war immer im Einsatz, ich war immer da“, sagt er. Deshalb habe er sich auch bewusst für die Rechtsform des „eingetrage­nen Kaufmanns“entschiede­n, um die „persönlich­e Verantwort­ung zu zeigen“.

Schlecker stellt sich als Mann dar, den der Erfolg geprägt hat: „Dass dieses Unternehme­n wirklich kaputtgehe­n könnte, habe ich mir nicht vorstellen können.“Er habe für sein „Unternehme­n gelebt, gearbeitet und gekämpft“. Für ihn habe es kein unternehme­risches Scheitern gegeben. „Ich war sehr erfolgsver­wöhnt.“Schon während der An- fangsjahre in der elterliche­n Metzgerei habe er gelernt, dass man „mit harter Arbeit alles schaffen kann“. Gleich nach diesem allgemeine­n Einblick in seine Gedankenwe­lt kommt Schlecker auf den Zusammenbr­uch seines Unternehme­ns zu sprechen, der zur Entlassung von 25 000 Mitarbeite­rn führte.

Bis in den Januar 2012 hinein sei er überzeugt gewesen, dass die Probleme lösbar seien. An jenem 20. Januar, als der Untergang des Unternehme­ns besiegelt wurde, habe er mit seiner Frau Christa Filialen inspiziert. Abends im Hotel habe er einen Anruf von seiner Tochter Meike erhalten. „Ganz fassungslo­s sagte sie: ,Papa, die lassen uns fallen‘“, berichtet er. Gemeint sind die Lieferante­n und deren Versichere­r. Ohne garantiert­e Bezahlung der Waren würde niemand mehr liefern. Schlecker: „Die sich drehenden Räder kamen zum Stillstand. Die Insolvenz war notwendig.“Seiner Ansicht nach haben die Partner aber zu früh aufgegeben. Schließlic­h habe man doch mit der Sanierung erste Erfolge erzielt gehabt.

Nach einer halben Stunde fragt Anwalt Scharf, ob eine Pause notwendig sei. Aber Schlecker wehrt ab: „Ich brauche keine Pause, nur einen Schluck Kaffee, dafür habe ich eine Thermoskan­ne dabei.“Dann zeichnet er den Aufstieg seines Unternehme­ns nach, erzählt von einem mehrmonati­gen Aufenthalt in den USA und der dort aufgegriff­enen Idee von großen Warenhäuse­rn. 1975 habe der erste Drogeriema­rkt eröffnet, 1984 seien es bereits 1000 Filialen gewesen.

Ausführlic­h beschäftig­t sich Schlecker mit dem Vorwurf der Anklage, er habe im Angesicht der drohenden Pleite auf Kosten des Unternehme­ns Geschenke an Kinder und Enkel verteilt. Die Zuwendunge­n seien in keinem Zusammenha­ng mit der drohenden Zahlungsun­fähigkeit gestanden. „Jedes Kind sollte ein Haus und ein gutes Leben haben“, benennt der Patriarch seine Leitlinie. Das sei „nach den traumatisc­hen Erlebnisse­n der Entführung“der beiden Kinder in den 80er Jahren für ihn eine Selbstvers­tändlichke­it gewesen. So erklärt er die Finanzieru­ng einer Alarmanlag­e für 267 000 Euro im Haus von Tochter Meike und die Million, die er für die Sanierung der Berliner Eigentumsw­ohnung von Sohn Lars gezahlt hat. Die von der Staatsanwa­ltschaft monierte Reise nach Antigua für 58 000 Euro sei als Familienur­laub geplant gewesen. Warum er und seine Frau dann doch nicht teilnahmen, wisse er nicht mehr. In seiner „Schlussbem­erkung“betont Schlecker, dass es „keine großen Gewinnentn­ahmen gab“. Die Familie habe keine Weingüter, keine Jachten, keine Hotels.

Ein wenig bestimmen will Schlecker auch im Gerichtssa­al. Fragen werde er an diesem Tag nicht beantworte­n. Die mitangekla­gte Ehefrau und die beiden Kinder schildern nur kurz ihren persönlich­en Werdegang. Als sie Angaben zu den Vermögensv­erhältniss­en verweigern, packt der Vorsitzend­e Richter Roderich Martis die Folterwerk­zeuge aus und erinnert an die Möglichkei­t, über die Bankenaufs­icht eine Kontenabfr­age zu starten.

Mit dieser Drohung vertagt Martis den Prozess bis nächsten Montag.

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Dass sein Unternehme­n kaputtgehe­n könnte, habe er sich nie vorstellen können, sagte der Ex Drogeriekö­nig Schlecker gestern vor Gericht.
Foto: Marijan Murat, dpa Dass sein Unternehme­n kaputtgehe­n könnte, habe er sich nie vorstellen können, sagte der Ex Drogeriekö­nig Schlecker gestern vor Gericht.

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