Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neue bunte Schützenwelt
Schießen In den katholischen Vereinen etwa in Nordrhein-Westfalen dürfen künftig Muslime Könige werden. Auch Homosexuelle haben mehr Rechte. In Bayern ist man längst weiter
Bis zum Wochenende hätten sie sie noch vom Thron gestoßen. Doch künftig dürfen auch Muslime und andere Nichtchristen beim Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) Schützenkönige werden. Homosexuellen Schützenkönigen ist es künftig erlaubt, öffentlich mit ihren Partnern als Königspaar aufzutreten.
Das hat der katholische Schützenverband am Sonntag in Leverkusen mit großer Mehrheit beschlossen. Der Verband hat 400 000 Mitglieder und ist vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen aktiv. In den vergangenen Jahren war er mehrfach durch seine erzkonservativen Ansichten in die Schlagzeilen geraten. Im Sommer 2014 hatte sich im westfälischen Werl der türkische Schütze Mithat Gedik über den Königstitel seines Schützenvereins, der Bruderschaft St. Georg, gefreut. Als der Dachverband herausfand, dass den islamischen Glauben lebt, wollten die Mitglieder ihn stürzen. Doch die Bewohner der 30 000-Einwohner-Stadt Werl stellten sich hinter Gedik, der mit einer Katholikin verheiratet ist und sich in der Gemeinde engagiert. Sogar die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung sorgte dafür, dass der Mittdreißiger Gedik König bleiben durfte. Vom Bezirksfest der Schützen wurde er trotzdem ausgeladen.
Ähnlich großen Wirbel verursachte ein Schützenkönig in Münster: Statt einer Frau nahm er 2012 seinen langjährigen Lebensgefährten mit auf den Königsthron. Die Schützenbruderschaften verboten es ihm. Jetzt will die Vereinigung, die wegen ihrer Nähe zu den Nationalsozialisten in den 30er Jahren zwischenzeitlich verboten war, offener werden – zumindest auf dem Papier. In einem neuen „Orientierungsrahmen“äußert der BHDS „umfassende Bereitschaft zum Miteinander mit Hinzugekommenen aus anderen Kulturkreisen“. Das Schützen-Parlament gebe damit seinen 1300 Bruderschaften „ein lebensnahes Profil, wie es Papst Franziskus für alle kirchennahen Gruppierungen einfordert“, erklärte der Verband in einer Pressemitteilung. Bindend ist die neue Offenheit nicht. Sprecher Rolf Nieborg betonte auf Anfrage unserer Zeitung, es sei eine „absolute Kann-Bestimmung“. Das heißt: „Die lokalen Bruderschaften entscheiden frei, wer aufgenommen wird und damit auch Schützenkönig werden kann.“Bundespräses Robert Kleine erklärte darüber hinaus, dass ein strenggläubiger Muslim ohnehin „sicherlich nicht in einen Verein eintreten wird, der die Sitzungen mit dem Kreuzzeichen beginnt“.
Zur Frage nach homosexuellen Schützen sagte Bundesschützenmeister Emil Vogt vor Medien, diese hätten jetzt „selbstverständlich alle Mitgliedsrechte und MitgliedsGedik pflichten, einschließlich der Möglichkeit, die Königswürde zu erringen“. Ein früherer Beschluss, der untersagt hatte, mit dem Lebenspartner aufzutreten, wurde förmlich aufgehoben. Der Lesben- und Schwulenverband sieht den Beschluss als „wichtiges Signal“. Jetzt müsse die neue Offenheit aber auch in den Vereinen gelebt werden.
In Bayern ist der BHDS nach Aussage von Alexander Heidel nicht aktiv. Heidel ist Geschäftsführer des Bayerischen Sportschützenbundes (BSSB), dem 4700 Schützenvereine angehören. Er erinnert sich noch gut an den Streit um den muslimischen Schützenkönig. „Das hat bei uns nur Kopfschütteln ausgelöst.“Wer beim BSSB den Mitgliedsantrag ausfüllt, muss keine Rechenschaft über seine Religion ablegen. Auch die sexuelle Orientierung spiele „überhaupt keine Rolle“, sagt Heidel. „Es wäre ja auch absurd, wenn es anders wäre.“