Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Achtstündiger Wahnsinn auf dem Eis
Der Mensch ist gierig. So gierig, dass der Denkapparat oft ausfällt. Im Winterschlussverkauf erliegt der Schnäppchenjäger der Verlockung, sechs Winterjacken zum Preis von nur fünfen zu kaufen. Der Nutzen ist überschaubarer Art, das Hirn schüttet trotzdem Glückshormone aus. Ähnlich verhält es sich bei All-You-Can-Eat– Restaurants oder dem Flatrate-Saufen. Fleischabfälle und fieser Fusel werden so lange in den Verdauungstrakt gepumpt, bis er in die Knie geht. Schließlich will ja das gezahlte Geld in Form minderwertiger Naturalien wieder reingeholt werden. Der Mensch als Krönung der Schöpfung.
Lediglich im Sport und in der Liebe verhält es sich anders. Hier toppt Qualität die Quantität – außer man hängt am TSV 1860 München oder an einem polygamen Lebensentwurf. Die wenigsten Sparfüchse kämen auf die Idee, horrende Preise für einen Marathonlauf zu bezahlen, weil es da ja am meisten Sport für das Geld gebe. Im Gegenteil: Der größte Batzen Geld wird für das olympische 100-Meter-Rennen bezahlt, dessen Sinn darin besteht, möglichst schnell vorbei zu sein.
In den Mannschaftssportarten steht der Schluss meistens bereits vor dem Anpfiff fest. Ein Fußballspiel gilt nach 90 Minuten als beendet. Im Falle eines Unentschiedens erhält einfach jede Mannschaft einen Zähler. Dann muss auch keiner weinen. Eishockeyspieler weinen von jeher nicht. Wo andere Tränendrüsen haben, verlaufen bei ihnen Testosteron-Kanäle. Sie kennen kein Unentschieden. Notfalls wird so lange gespielt, bis endlich das entscheidende Tor fällt. Diese Eigenart hat nun in Norwegen dazu geführt, dass die Zuschauer des Spiels zwischen den Storhamar Dragons und den Sparta Warriors bis 2.33 Uhr warten mussten, ehe sie Gewissheit über den Ausgang des Spiels hatten. Zu diesem Zeitpunkt saßen sie über acht Stunden in der Halle. Die Netto-Spielzeit betrug 217 Minuten und 14 Sekunden, ehe Joakim Jensen am frühen Montagmorgen den Siegtreffer zum 3:2 für Storhamar erzielte. Neuer Weltrekord. Und ein Fest für Sparfüchse, sollte man meinen. Schließlich gab es ja allerhand Sport für das Geld. Von den ursprünglich über 5000 Fans harrten aber lediglich knapp 1 000 bis zur Entscheidung aus. Dass Essen und Trinken ausgegangen waren, ist dafür nur eine Ausrede. Schließlich gab es auch für die Spieler nichts mehr – außer Schokoladenkuchen. Man habe sich der Grenze dessen genähert, was für Spieler gut sei, sagte der Trainer der Gewinner. Eishockeyspieler sind recht zäh. Heute treffen die beiden Teams schon wieder aufeinander. Eishockeyspieler sind nicht normal.