Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Frecher als der Nockherberg
Kabarett Chris Boettcher gibt sich in Gersthofen musikalisch bissig. Das gefällt
Gersthofen Wer mal wieder herzhaft lachen wollte, kam bei Chris Boettcher in der Gersthofer Stadthalle voll und ganz auf seine Kosten. Dieser ist ein Meister der Imitation, ein brachialer Jongleur mit bissigen Worten und ein urbayerischer Draufgänger, der ganz nebenbei erstaunlich gut singt. In seinem neuen Soloprogramm „Schluss mit frustig“schoss der Musik-Comedian wieder einmal auf alles, was derzeit in Kneipen und Nachrichtenkanälen für Gesprächsstoff sorgt.
Nicht intellektuell und schon gar nicht subtil sollte seine klingende Kabarettshow werden, sondern ganz einfach nur verdammt lustig. Und das war sie von der allerersten Minute an. Boettchers Spezialität: aktuelle Irrsinnigkeiten in populäre Gesangsstücke zu verpacken und diese mithilfe eingängiger Keyboardakkorde ins Publikum zu schmettern. Viele kennen so etwas noch von Otto Waalkes und dessen Version von Hänsel und Gretel.
Doch bei Chris Boettcher gibt es zwei große Unterschiede: Die Figuren seiner hundsgemeinen Geschichten heißen Putin, Erdogan und Merkel und durch seine großartigen Verwandlungskünste schienen diese Gestalten tatsächlich live aus seinem Munde zu sprechen – mit Worten, die einem Lachtränen in die Augen trieben und wohl selbst auf dem Nockherberg zu Entrüstungen führen würden. Bereits zu Beginn der Show startete der Entertainer eine musikalische Publikumsbefragung, bei welcher die Gäste mit gereimten Schlagworten auf die peinlichsten Fragen antworten mussten – und dies auch noch taten. Aber dann schließlich erweckte Boettcher seine schlummernden Charaktere zum Leben: Mit der Stimme von Howard Carpendale ließ er schwelgend das Brexit-Lied erklingen, in seiner impulsiven „Rammstein“-Einlage zerlegte er fast die Tastatur in Stücke. Grandios auch Heinos abgrundtiefe Brummelstimme oder der musikalische Nuschelkrieg zwischen Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer und Peter Maffay, der sich laut Boettcher allmählich zu einem rumänischen Sondermix aus Alf und Yoda entwickelt. Und dass gerade die Bayern an paranoiden Überfremdungsängsten leiden, persiflierte Boettcher anhand von vermeintlichen Volksmusikstücken der Zukunft – prompt wurde aus dem „Watzmann“der „Muslmann“und angeblich hätten die Dubaitaler sogar ganz neue Varianten der Jodelkunst entwickelt („Mullahdihio, Mullahdihooo...“). Chris Boettcher sprühte vor Energie und man bedauerte bei jedem Song, dass er nach einigen Verszeilen so schnell schon wieder zu Ende war. Und wenn vom Publikum einmal kein lachendes „Hahaha“zu hören war, sondern ein lang gezogenes „Aiaiai“, hatte Boettcher mit bissigen Schüssen wieder einmal genau den Zeitgeist getroffen, den er schlichtweg sehr viel tiefer unter der Gürtellinie ansiedelte als es andere jemals wagen würden.