Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ach du liebe Sommerzeit
Umstellung Warum Helmut Wächtler eine besondere Beziehung zu Zeit hat und warum Milchkühe nur ungern von ihren Gewohnheiten abrücken
Landkreis Augsburg Zeit übt auf ihn eine besondere Faszination aus: Zeitlebens befasst sich Helmut Wächtler aus Diedorf mit Uhren. Wenn Sonntagnacht die Sommerzeit beginnt, dann freut er sich: Weniger, weil er dann besonders viele Uhren umstellen müsste. Vielmehr ist es die gewonnene Stunde Helligkeit, die der 78 Jahre alte Uhrmachermeister gerne im Garten verbringt. Mehr Sonne am Abend: Andere blenden das aus. Für sie hat der staatlich verordnete Dreh an der Uhr nämlich Nebenwirkungen.
Nach einer Umfrage der Kaufmännischen Krankenkasse KKH klagt fast jeder Dritte über Probleme mit der Zeitumstellung. Fast jedem Vierten fällt es schwerer, morgens aufzustehen. Und jeder Sechste sagt, dass er in den Tagen danach gereizt und müde ist. Dazu kommen Probleme beim Einschlafen. Gerade Kindern unter zwölf Jahren mache die Zeitumstellung nach der repräsentativen Forsa-Umfrage zu schaffen. Sie sind nicht die Einzigen.
Wiederkäuer brauchen einfach mehr Zeit
Auch Milchkühe müssen sich an die Sommerzeit gewöhnen. Sonst kommen sie aus dem Takt. Normalerweise sagt ihnen die innere Uhr, wann Melkzeit ist. Bei Landwirt Anton Zott aus Ustersbach ist das um 5.30 Uhr und um 17 Uhr. Um den Stress für die Kühe zu verringern, passen Zott und sein Sohn Markus die Melkzeit in Zehn-Minuten-Schritten an. Das heißt: Die Milchkühe dürfen sich Zeit lassen mit der Umstellung.
So können sich die Tiere besser an die Sommerzeit gewöhnen, und ihr Biorhythmus gerät nicht durcheinander. Milchkühe sind von Haus aus ziemlich sensibel. Anton Zott weiß: „Sie sind absolute Gewohnheitstiere. Sie wollen immer das gleiche Futter. Sie wollen auch immer das gleiche Personal. Kühe lieben Rituale.“
Das gilt auch auf Höfen, die einen Melkroboter haben. Trotzdem gibt es einen Unterschied: Die moderne Technik macht die Zeitumstellung zum Kinderspiel. Der neue Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Martin Mayr aus Kutzenhausen, setzt auf den Roboter, der zu jeder Tages- und Nachzeit melken kann und damit den Kühen mehr Freiheit lässt, ihren Tagesablauf mehr oder weniger selbst zu bestimmen.
Wie sich die Zeiten ändern: Das dachte sich Helmut Wächtler auch im Jahr 1953, als er seine Lehre zum Uhrmacher begann. Damals sagte ihm der Meister, dass er sich besser nach einem anderen Job umsehen sollte. Sicherer sei es doch bei der Bahn oder bei der Post – der Meister hatte Angst, dass der Beruf bald keine Zukunft haben würde. Schließlich kam damals die erste elektronische Armbanduhr auf den Markt.
Wissen und Fingerfertigkeit sind immer noch gefragt
Den Uhrmacherberuf gibt es auch 64 Jahre später noch: Wissen und Fingerfertigkeit sind immer noch gefragt, wenn es darum geht, alte und neue Uhren auf Fehler zu überprüfen, neu zu justieren, zu reparieren und zu warten. Gerade bei hochwertigen Exemplaren seien Spezialisten gefragt, sagt der 78-jährige Wächtler. Ihn stimmt traurig, wenn heute Zeitgenossen einer schnelllebigen Gesellschaft nur noch hastig die Uhrzeit von einem Smartphone ablesen. Schließlich „gibt es doch so viele schöne Uhren“, sagt Wächtler. Eine Uhr mit besonderen Mechanik zu besitzen sei fast schon wie eine Liebe.